Der Bioinformatiker Dr. Günter Klambauer ist in Gallneukirchen in Oberösterreich aufgewachsen und im Gymnasium Petrinum zur Schule gegangen. Anschließend hat er zuerst in Wien Biologie und Mathematik studiert und dann Bioinformatik in Linz. Heute arbeitet er als Professor an der Johannes Kepler Universität in Linz am Institut für Machine Learning. Sein Fachgebiet ist die Künstliche Intelligenz. Was begeistert ihn an der Forschung und was ist eigentlich eine Künstliche Intelligenz?

Dieses Interview ist Teil des Podcasts “am Puls Biologie” – einer Kooperation des Österreichischen Bundesverlags öbv und der ABA. Der Podcast beleuchtet den Forschungsalltag von Biologinnen und Biologen. Die Themen sind abgestimmt auf den Biologie-Lehrplan der Oberstufe. Alle Folgen werden als Unterrichtsmaterial zur Schulbuchreihe “am Puls Biologie” zur Verfügung gestellt.
Weitere Interviews werden laufend ergänzt. Die bisher veröffentlichten Folgen können hier nachgehört werden. Du findest uns auch auf Spotify!

Zum Begriff Bioinformatik: Gibt es da eine allgemeine Definition? Ich stelle mir das vor wie eine Mischung zwischen Biologie und Informatik.

Klambauer: Das ist eine gute Intuition. Informatik ist eine eigene Forschungsrichtung, bei der man versucht, den Computer für die Analyse von biologischen Daten einzusetzen, also überall dort, wo es biologische Daten gibt – es gibt ja mittlerweile sehr große Datenmengen, z. B. in der Molekularbiologie. Wenn man den Computer einsetzen muss, um diese Daten zu analysieren, dann spricht man von dem Fachgebiet Bioinformatik.

Mir gefällt, dass es wirklich jeden Tag Herausforderungen gibt und dass ich daran arbeiten kann, das Leben für Menschen zu verbessern.
Günter Klambauer

Und innerhalb der Bioinformatik ist dein Spezialgebiet die Künstliche Intelligenz, abgekürzt KI. Den Begriff hört man sehr oft. Was versteht man darunter und was ist der Unterschied zu einer natürlichen Intelligenz?

Klambauer: Die eine „KI“ gibt es gar nicht. KI ist ein Überbegriff für eine ganze Reihe von Algorithmen und Rechenregeln, die man in einen Computer bringt. Das sind Programme, die bestimmte Aufgaben erfüllen. Und als künstliche Intelligenz bezeichnet man eben solche Computerprogramme, die sehr komplexe Aufgaben erfüllen, für die man so etwas wie Intelligenz braucht oder die eigentlich dem Menschen einmal vorbehalten waren. Und deswegen nennt man das jetzt Künstliche Intelligenz zum Unterschied von der natürlichen Intelligenz des Menschen. Man darf sich nicht vorstellen, dass eine KI alles kann, reden kann, etwas steuern kann, sondern das sind immer ganz eigene Systeme. Eine KI kann ein bestimmtes Muster in biologischen Daten erkennen, eine andere KI kann ein Röntgenbild anschauen, ob irgendwelche Brüche vorliegen. Der Überbegriff KI steht für eine ganze Reihe von einzelnen Rechenregeln, die man in verschiedenen Gebieten einsetzen kann. Und mein Spezialgebiet sind KIs in der Molekularbiologie und in den Lebenswissenschaften.

In einem deiner Projekte hast du dich mit der Struktur von Proteinen beschäftigt. Das finde ich besonders spannend, denn eines der sogenannten Basiskonzepte der Biologie, die man in der Schule lernt, besagt, dass Struktur und Funktion immer irgendwie zusammenhängen. Die Proteinstruktur ist ein klassisches Beispiel für so einen Zusammenhang.

Klambauer: Das ist eigentlich das perfekte Beispiel und auch extrem aktuell. 2021 war der wissenschaftliche Durchbruch eine KI namens Alpha Fold, die sich genau mit der Struktur und Funktion von Proteinen beschäftigt. Was macht diese KI? Dazu muss man zuerst vielleicht kurz erklären: Proteine sind die zentralen Funktionseinheiten, die fast alle Funktionen im menschlichen Körper und in allen anderen Organismen erfüllen. Proteine bestehen aus einer Kette von Aminosäuren. Insgesamt gibt es 20 verschiedene. Durch die Abfolge von diesen zwanzig verschiedenen Aminosäuren bekommen wir eine Kette. Die bleibt nicht immer in dieser Kettenform, sondern faltet sich in 3D. Und aufgrund von der Faltung dieser 3D-Struktur kann man sehr stark auf die Funktion rückschließen. Zum Beispiel falten sich manche Proteine so, dass in der Mitte ein Tunnel entsteht. Das sind oft Proteine, die irgendwelche Stoffe transportieren. Und was macht jetzt Alpha Fold? Alpha Fold nimmt als Eingabe diese Primärstruktur, also nur die Abfolge der Aminosäuren und kann dann schon vorhersagen, wie sich das Protein in 3D falten wird, also wie es in 3D aussieht.

Was mich jetzt auch interessieren würde, ist dein Arbeitsplatz. Wie läuft das ab, wenn du neue Algorithmen entwickelst? Mit wem arbeitest du zusammen? Ich nehme an, du arbeitest ja nicht allein.

Klambauer: Ja, genau. Im Prinzip könnte man sagen, ich habe einen ganz normalen Bürojob. Vielleicht ähnlich wie bei Softwareentwickler*innen, aber es ist ein bisschen mehr. Ich habe ein Team von zehn bis zwölf Leuten. Wir treffen uns regelmäßig im Büro und tauschen uns aus über neue Experimente, Ergebnisse und neue Ideen. Es ist ein anspruchsvoller Job. Ich habe sehr lange Tage und muss auch viele organisatorische Aufgaben erledigen. Aber insgesamt kann man sich das eigentlich recht einfach als Bürojob vorstellen, wo man zusammen mit einem Team an bestimmten Aufgaben arbeitet.

Was gefällt dir am besten an deinem Beruf in der Forschung?

Klambauer: Mir gefällt am besten, dass es wirklich jeden Tag Herausforderungen gibt und dass ich daran arbeiten kann, das Leben für Menschen zu verbessern. Wenn ich es schaffe, neue Methoden zu entwickeln, um zum Beispiel sicherere oder bessere Medikamente zu entwickeln, dann wird sich mittelfristig oder auf lange Frist das Leben der Menschen verbessern. Und das ist ein schönes Ziel. Aber auch die ganze Umgebung: mit anderen Forschern arbeiten, diskutieren, Ideen zu entwickeln, auch Experimente durchzuführen. Das Ganze macht mir Spaß, das ist herausfordernd, ist auch spannend. Manchmal gibt es auch Rückschläge, aber manchmal gibt es auch große Erfolge. Insgesamt der ganze Überbau, dass man versucht, die Forschung voranzutreiben und neue Erkenntnisse zu gewinnen, das ist jeden Tag für mich eine schöne Motivation in die Arbeit zu gehen.

Jetzt zu unserer Science-Fiction-Frage: Wir nehmen an, die Menschheit schafft es, den Mars zu besiedeln. Warum glaubst du, benötigen wir für die Errichtung einer neuen Mars-Zivilisation unbedingt auch Bioinformatiker*innen?

Klambauer: Ich glaube, wir sollten den Mars gar nicht besiedeln. Es kostet viel zu viel Energie dort Sachen hinzubringen. Und wir haben schon einen Planeten, wo wir eigentlich einiges zu reparieren haben und wo wir versuchen sollten energieeffizient zu sein. Jetzt einen zweiten Planeten bewohnbar zu machen und dort Material und so weiter hinzuschaffen, das ist viel zu energieaufwendig.

Wenn wir es dennoch versuchen wollten, dann brauchen wir ganz dringend Bioinformatiker*innen und auch die KIs, weil dort auf dem Mars, da müssen zuerst Roboter alles vorbereiten, damit wir danach kommen können. Diese Roboter können wir von der Erde aus schlecht steuern, weil die Signale, die wir schicken, zehn Minuten brauchen. Das heißt diese Roboter könnten nur sehr langsam reagieren. Wenn wir die Marsroboter mit sehr guten KIs ausstatten, damit sie autonom arbeiten können und auf Veränderungen und Probleme schnell reagieren können,  dann können wir es vielleicht schaffen, dass die Roboter den Mars so vorbereiten, dass wir dann dort leben können. Das heißt Wasser aufbereiten, bepflanzen, Vegetation aufbauen. Aber es ist eine extrem schwierige Aufgabe und da braucht man sehr gute KIs, die es momentan noch gar nicht gibt und vielleicht auch in 20 Jahren noch nicht gibt.

Na gut. Welche Tipps hast du für Schüler*innen, die sich nun auch mit Künstlichen Intelligenzen beschäftigen oder vielleicht sogar Bioinformatik studieren möchten?

Klambauer: Ich kann nur empfehlen, auch in der Schule immer neugierig zu sein und zuzuhören. Wenn ich schon sowieso in der Klasse sitzen muss, dann kann ich auch gleich zuhören. Also in Physik, Biologie, Chemie alles aufsaugen. Auch in Mathematik, Informatik – alles aufzusaugen. So schön, wie das Wissen in der Schule aufbereitet wird und so viel Zeit, wie sich hier eine Person für euch nimmt, um euch etwas beizubringen, das wird nie wieder so sein. Daher kann ich nur empfehlen: Nützt die Zeit, die ihr in der Klasse verbringt, fragt die Lehrer*innen viel und lasst euch unterstützen.

Wie sieht nach dem Bioinformatikstudium der Arbeitsmarkt aus? Gibt es Job-Möglichkeiten auch außerhalb der Forschung?

Klambauer: Ja, der Arbeitsmarkt sieht sehr gut aus. Es geht leider sogar so weit, dass Doktorand*innen meiner Forschungsgruppe direkt abgeworben werden. Firmen oder Unternehmen kontaktieren meine Doktorand*innen und versuchen, sie von der Uni wegzulocken. Das heißt, die Abgänger*innen unserer Studiengänge Bioinformatik oder Künstliche Intelligenz finden sehr leicht und sehr gute Jobs in Österreich, aber auch international.

Hinter jeder kleinen wissenschaftlichen Erkenntnis steckt ein riesiger Aufwand!

Noch eine allgemeine Frage: Gibt es irgendeine Erkenntnis aus deinem Forschungsgebiet, von der du dir wünscht, dass sie ganz allgemein besser bekannt wäre?

Klambauer: Es gibt keine spezielle Erkenntnis, die ich mir wünsche. Aber ich würde mir wünschen, dass das prinzipielle Verständnis in der Bevölkerung und in der Politik besser ist von dem, was Wissenschafter*innen machen und was es heißt, eine wissenschaftliche Erkenntnis zu haben. Wenn zum Beispiel Wissenschafter*innen herausgefunden haben, dass ein Virus irgendwo eine kleine Mutation hat und dass das vielleicht gefährlich sein könnte und das auch öffentlich sagt, dann steckt ein riesiger Aufwand dahinter. Da stecken Jahrzehnte an Ausbildung dahinter und ein Forschungsteam, das sich selbst immer wieder hinterfragt und das auch von anderen kritisiert worden ist. Und um diese kleine Erkenntnis zu gewinnen und der Menschheit mitzuteilen, da ist ein riesiger Aufwand dahinter. Das wird oft wenig geschätzt und sehr wenig gesehen. Und dem werden oft einfache Statements ohne experimentelle Basis entgegengesetzt. Da würde ich mir wünschen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in der Bevölkerung mehr Stellenwert hätten.

Vielleicht können wir ja mit unserem Podcast auch ein bisschen dazu beitragen. Abschließend haben wir eine Blitzrunde. Ich beginne ein paar Sätze, die du dann bitte vervollständigst.

  • Wenn ich an meinen eigenen Biologieunterricht denke, dann erinnere ich mich an
    Klambauer: … in Spiritus eingelegte Reptilien.
  • Auf meinem persönlichen Berufsweg hat mich besonders beeinflusst …
    Klambauer: … die Schulzeit.
  • Das sollte in keinem Biologie-Schulbuch fehlen:
    Klambauer: Eine Darstellung einer Zelle.
  • Mein Wunsch an die Politik ist:
    Klambauer: Mehr Anerkennung für wissenschaftliche Erkenntnisse und weniger Anerkennung für Humbug wie Homöopathie.
  • Leute, lernt mehr Biologie, damit …
    Klambauer: … so etwas wie Homöopathie und Esoterik nicht passieren kann.
  • Meine Wochenenden verbringe ich am liebsten …
    Klambauer: … am Neusiedler See oder in den Bergen.

Super, ich danke dir sehr fürs Zeitnehmen!

Klambauer: Danke, gerne!


Das ganze Interview mit Günter Klambauer könnt ihr hier nachhören:

Die Vegetationsökologin Dr. Sabine Rumpf ist am Bodensee aufgewachsen und hat nach der Schule Biologie studiert: in Wien, im norwegischen Bergen und auf Spitzbergen in der Arktis.  Heute ist sie Professorin an der Universität Basel in der Schweiz. Was macht eine Vegetationsökologin? Das und viel mehr erzählt sie uns im Interview.

Dieses Interview ist die erste Folge des Podcasts “am Puls Biologie” – einer Kooperation des Österreichischen Bundesverlags öbv und der ABA. Der Podcast beleuchtet den Forschungsalltag von Biologinnen und Biologen. Die Themen sind abgestimmt auf den Biologie-Lehrplan der Oberstufe. Alle Folgen werden als Unterrichtsmaterial zur Schulbuchreihe “am Puls Biologie” zur Verfügung gestellt.
Weitere Interviews werden laufend ergänzt. Die bisher veröffentlichten Folgen können hier nachgehört werden.

In Norwegen und insbesondere in der Arktis zu studieren, das ist doch eher ungewöhnlich. Wie hat sich das ergeben?

Sabine Rumpf: Ich habe eine Ausschreibung gesehen, dass ein Masterarbeitsthema dort vergeben wird und fand das spannend. Ich habe mich beworben und es hat geklappt!

Danach bin ich auf Spitzbergen geblieben und habe als Biologin und Guide gearbeitet.

Dein Fachgebiet ist die Ökologie. Kannst du uns das bitte ganz allgemein beschreiben? Und was ist dein Spezialgebiet innerhalb der Ökologie?

Sabine Rumpf: In der Ökologie geht es allgemein darum, wie Organismen mit ihrer Umwelt und auch miteinander in Beziehung stehen. Mein Spezialgebiet ist die alpine und arktische Vegetationsökologie.

Ich untersuche hauptsächlich die Auswirkungen von menschlichem Verhalten auf die Verbreitung der europäischen Flora, meist im Laufe des letzten Jahrhunderts. Das Ganze dient dazu, um die Zukunft besser voraussagen zu können.

Wenn du in den Bergen unterwegs bist, hast du wahrscheinlich einen anderen Blick auf die Natur als viele andere Menschen. Worauf achtest du beim Wandern besonders? Bist du immer auf der Suche nach bestimmten Pflanzenarten?

Sabine Rumpf: Als Vegetationsökologin liest man die Landschaft ganz automatisch. Anhand der vorkommenden Arten weiß man zum Beispiel, wie ein Ort genutzt wird, welches Gestein sich unter der Vegetation befindet oder ob im Winter viel oder wenig Schnee liegt. Ich scanne eigentlich immer die Vegetation in den Bergen, aber ich schaue selten auf bestimmte Arten. Mich interessiert vor allem die Komposition aller vorkommenden Arten.

Die Verbreitung von Pflanzenarten hängt ja zum Beispiel von der Seehöhe ab. Man sieht das bei Baumarten in den Bergen. Im Tal ist der Laubwald, der dann beim Aufstieg in einen Nadelwald übergeht. Ist das bei krautigen Pflanzen ähnlich? Und wenn ja, an welchen Faktoren liegt das?

Sabine Rumpf: Ja, das ist auch bei krautigen Pflanzen so. Allgemein haben alle Arten eine ökologische Nische. Das heißt, sie können nur dort vorkommen, wo die Umweltbedingungen auch ihren Bedürfnissen entsprechen. In den Bergen ist die Temperatur wohl der entscheidende Faktor. Es können zum Beispiel nur sehr spezialisierte Arten auf, sagen wir mal, 3000 m gedeihen. Aber das erklärt natürlich nicht, wieso diese hochalpinen Spezialisten nicht auch weiter unten vorkommen. Einer der Hauptgründe dafür ist die Konkurrenz zwischen den Arten. Das heißt, hochalpine Arten sind zwar auf harsche Umweltbedingungen spezialisiert, sie sind aber nicht besonders konkurrenzstark. In tieferen Lagen werden sie daher schlicht von anderen Arten überwuchert.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Gebirgsvegetation aus?

Sabine Rumpf:  Wie bereits erwähnt, ist die Temperatur limitierend für die Verbreitung von Arten, speziell an den Obergrenzen. Das heißt, wenn es nun wärmer wird, dann verschiebt sich natürlich die Verbreitung aller Arten in höhere Lagen, da dann die Umweltbedingungen dort ihren Bedürfnissen entsprechen. Das kann aber natürlich nicht endlos so weitergehen, weil Berge eine begrenzte Höhe haben.

Was sind deine nächsten Forschungsprojekte? Kannst du uns da schon Pläne verraten?

Sabine Rumpf: Was ich unglaublich spannend finde, sind die zukünftigen Folgen bereits geschehener menschlicher Taten. Zum Beispiel, wie würden sich die Verbreitungsgrenzen von Arten weiterhin verschieben, wenn wir den Klimawandel heute stoppen würden?

Und wie denkst du, würden sie sich verschieben?

Sabine Rumpf: Sie würden sich weiter verschieben, aber in welchem Ausmaß? Das ist einfach komplett unbekannt.

Wie sieht dein Arbeitsplatz oder deine Arbeitsumgebung in einer durchschnittlichen Arbeitswoche aus? Bist du viel draußen unterwegs oder mehr im Büro?

Sabine Rumpf: Das Tollste an meinem Beruf ist eigentlich, dass er unglaublich abwechslungsreich ist. Im Sommer arbeite ich viel draußen und den Rest des Jahres bin ich hauptsächlich drinnen und arbeite viel am Computer. Und während des Semesters verbringe ich natürlich auch viel Zeit mit der Lehre und mit Studierenden.

“Die wichtigste Eigenschaft von Forschenden ist die Neugierde!”
Sabine Rumpf

Welche Fertigkeiten sind für deine tägliche Arbeit am relevantesten, abgesehen vom biologischen Fachwissen?

Sabine Rumpf: Um die Statistik, das Programmieren und auch das Verfassen von Texten kommt man nicht herum. Aber ich glaube eigentlich, die wichtigste Eigenschaft von Forschenden ist die Neugierde, die einen dazu veranlasst, Dinge zu hinterfragen und deren Ursachen und Folgen zu erforschen.

Jetzt wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wie denkst du, wird sich dein Forschungsgebiet in den nächsten zehn Jahren verändern? Und wie in den nächsten 30 Jahren?

Sabine Rumpf: Im Moment entwickeln sich die technischen Möglichkeiten unglaublich rasant und dadurch werden immer größere Mengen an immer präziseren Daten zur Verfügung stehen, die man mit immer größeren Rechenkapazitäten noch komplexer analysieren kann. Das heißt, auch die Ökologie wird sich in Richtung Big Data entwickeln. Auf lange Sicht habe ich leider die Befürchtung, dass die technischen Möglichkeiten, die sich entwickeln, die praktische Kenntnis der Natur aus Sicht vieler überflüssig machen könnte. Das heißt überspitzt gesagt: Wieso braucht es noch Artenkenntnis, wenn man die DNA einer Pflanze einfach mit irgendeinem Gerät scannen kann? Damit würde natürlich unglaublich viel wertvolles Wissen über die Ökologie der Arten verloren gehen, die man natürlich nicht hat, wenn man nur weiß, was es für eine Art ist.

Welche Tipps hast du für Schülerinnen oder für Schüler, die sich für dein Fachgebiet interessieren und die vielleicht auch eine Vegetationsökologin oder ein Vegetationsökologe werden wollen?

Sabine Rumpf: Wenn das schon euer Interesse ist, dann seid ihr wahrscheinlich schon begeistert von Pflanzen. Andere Gebiete, die sehr wichtig sind, auch wenn ihr das vielleicht nicht hören wollt, sind Mathematik und Englisch. Sehr wichtig! 🙂

Gibt es irgendeine Erkenntnis aus deinem Forschungsgebiet, von der du dir wünscht, dass sie allgemein besser bekannt wäre?

Sabine Rumpf: Die Belastungsgrenzen unseres Planeten werden in vielen Bereichen bereits von der Menschheit überschritten. Und das heißt, dass selbst wenn wir alle umweltschädlichen Aktivitäten heute stoppen würden, dann hätten unsere bereits vergangenen Taten immer noch Folgen in der Zukunft.

Dann kommen wir jetzt zu unserer Science-Fiction-Frage: Wir nehmen an, die Menschheit schafft es, den Mars zu besiedeln. Warum benötigen wir aus deiner Sicht für die Errichtung einer Zivilisation am Mars unbedingt Vegetationsökolog:innen?

Sabine Rumpf: Wer kann sonst die pflanzliche Fracht eines Raumschiffes Arche Noah festlegen und dann anschließend auch verteilen? Wer will schon auf einer Welt leben, auch wenn sie auf dem Mars ist, die gar keinen Wildwuchs hat?

Zurück zur Erde: Wie sieht hier der Arbeitsmarkt in deinem Fachbereich aus? Gibt es auch außerhalb der Forschung Möglichkeiten für Vegetationsökolog:innen?

Sabine Rumpf: Viele arbeiten im Naturschutz oder in sogenannten Ökobüros. Die entscheiden zum Beispiel, ob ein Bauprojekt genehmigt werden kann oder ob es einen wichtigen Lebensraum zerstören würde.

Abschließend haben wir noch eine Blitzrunde: Ich beginne einige Sätze, die du dann bitte vervollständigst.

  • Wenn ich an meinen eigenen Biologieunterricht denke, dann erinnere ich mich an …
    Sabine Rumpf: … die Füße meines Lehrers, die meist auf dem Pult lagen.
  • Auf meinem persönlichen Berufsweg hat mich besonders beeinflusst …
    Sabine Rumpf: … inspirierende Menschen, die meinen Horizont erweitert haben.
  • Das sollte in keinem Biologie-Schulbuch fehlen:
    Sabine Rumpf: … Begeisterung für die Schönheit und Komplexität der Natur.
  • Mein Wunsch an die Politik ist …
    Sabine Rumpf: … den jungen Menschen zuzuhören. Die Zukunft von jungen Menschen wird mit der Politik von heute gestaltet.
  • Leute, lernt mehr Biologie, damit …
    Sabine Rumpf: … ihr euch der Komplexität des Lebens auf der Erde bewusst werdet.
  • Und die Wochenenden verbringe ich am liebsten …
    Sabine Rumpf: In den Bergen natürlich!

Vielen Dank für das Interview!


Das ganze Interview mit Sabine Rumpf könnt ihr hier nachhören:

Titelbild: Botanische Spaziergänger*innen im Planquadrat-Park (Foto: Austrian Biologist Association)

Im Juni 2022 machte sich die ABA auf die Suche nach botanischen Besonderheiten in Wien. Angeleitet und unterhalten wurden wir dabei von Birgit Lahner und Cristina-Estera Klein, den Autorinnen des kürzlich erschienen Buches „Botanische Spaziergänge – 11 Routen durch die Welt der Wiener Pflanzen und ihre Geschichte“.

Im Rahmen der ABA-Jahresvollversammlung am 11. Juni 2022 spazierten das Vereins-Team, Mitglieder und ABA-Interessierte durch die Wiener Innenstadt. Birgit und Cristina ergänzen einander mit botanischer Artenkenntnis und historisch-kulturellem Hintergrundwissen. Diese spezielle Symbiose spiegelt sich in ihren Texten des empfehlenswerten Buches wider – und machte auch unseren gemeinsamen Spaziergang zu einem besonderen Erlebnis, unabhängig von botanischen Vorkenntnissen der einzelnen Teilnehmer*innen. Es gelang den beiden, einen großen Bogen zu spannen, von ökologischen Ansprüchen verschiedener Pflanzenarten im Lebensraum Stadt, den historischen Hintergründen der Stadtentwicklung, bis zu aktuellen Problemen und Lösungsansätzen im Hinblick auf klimatische Veränderungen.

Botanische Spaziergänge – 11 Routen durch die Welt der Wiener Pflanzen und ihre Geschichte
Cristina-Estera Klein, Birgit Lahner
ISBN: 978-3-85439-705-2
Verlag: Falter

Unser Spaziergang beginnt im Burggarten

Der Burggarten erhielt seine heutige Form, mit geschwungenen Wegen als Landschaftsgarten in kleinem Maßstab, nach mehrfacher Umgestaltung Mitte des 19. Jahrhunderts. Doch erst seit 1919 ist er öffentlich zugänglich. Im Schatten der beeindruckenden Libanon-Zeder erfahren wir von der Burggartenbewegung, die sich 1979 für ein Betretungsrecht des Rasens einsetzte. Erst seit 2007 ist dies gesetzlich gestattet und wird heute von vielen Besucher*innen selbstverständlich genutzt.

Die Libanon-Zeder im Burggarten war ein Geschenk an Kaiser Franz Joseph I. zur Eröffnung des Suez-Kanals 1869. (Foto: GuentherZ via Wikimedia Commons)

Klimafitte Baumarten für den Ring

Vor den Toren des Burggartens machen wir Station an der Ringstraße. Wir erfahren von den gelungenen und weniger gelungenen Bepflanzungsbemühungen seit der Errichtung der Ringstraße als Prachtboulevard 1865. Kastanienbäume und Pappeln erschienen zu proletarisch und nicht repräsentativ genug, Götterbäume wuchsen nicht wie geplant. Schließlich entstand ein vielseitiges Spektrum an Alleebäumen. Die Auswahl der gepflanzten Baumarten ändert sich auch heute wieder. Sie muss an den Klimawandel angepasst werden. Ein häufiger Neuzugang an Wiens Straßen ist der Zürgelbaum (Celtis australis). Er soll aufgrund seiner höheren Hitze- und Trockenheitstoleranz langfristig Rosskastanien und Spitzahorne ablösen.

Pflasterritzenvegetation

Unsere Gruppe überquert den Ring und findet den nächsten Schatten im Schillerpark. Birgit und Cristina lenken unsere Aufmerksamkeit auf die unscheinbare Pflasterritzenvegetation am Rande des Parks. In kurzer Zeit sammeln wir typische Ruderalpflanzen zwischen den Pflastersteinen, u.a. Portulak, Einjähriges Rispengras, Breit-Wegerich, Kahles Bruchkraut, Niederliegendes Mastkraut und Vogel-Knöterich (auch „Hansl am Weg“ genannt).

Links: Auf der Suche nach Pflanzen in den Pflasterritzen. Rechts: Besprechung im Schillerpark. (Fotos: Stefan Kapeller)

Vom Karlsplatz zum Planquadrat-Park im 4. Bezirk

Wir gehen weiter in Richtung Karlsplatz und machen Halt am Zamenhof-Denkmal im Girardipark. Hier finden sich zwischen den stark befahrenen Straßen unscheinbare, aber abwechslungsreiche Staudenbeete mit robusten, hitzetoleranten Gräsern.

Staudenbeete am Karlsplatz. Im Hintergrund das „Goldene Krauthappl“ der Sezession. (Foto: Stefan Kapeller)

In der Operngasse wird der Grünanteil wieder sehr gering. Umso wertvoller sind Bepflanzungen von Baumscheiben oder die Anlagen kleiner Gärten auf der Fläche ehemaliger Parkplätze. Die kleinen Grünanlagen gehen oft auf die Initiative von Anrainer*innen zurück und spiegeln das große Bedürfnis nach mehr Grün in der Stadt wider.

Abschließend besichtigen wir den Planquadrat-Park. ORF-Mitarbeiter*innen und engagierte Anrainer*innen gründeten hier in den 1970er Jahren einen Verein und schlossen mehrere Innenhöfe zusammen. So entstand ein naturnah und liebevoll gestalteter Grünraum – eine Oase und Erholungsort mitten in einem der am dichtesten bebauten Stadtteile Wiens im 4. Bezirk.

In den „Botanischen Spaziergängen“ von Birgit und Cristina sind viele weitere stadtökologische und historisch-botanische Einblicke aus dem gesamten Stadtgebiet nachzulesen.

Das ABA-Team bedankt sich für die nette Tour!

http://www.birgitlahner.at
https://cristina-estera.at
https://shop.falter.at/botanische-spaziergaenge.html

Titelbild: Große Weidetiere übernehmen wichtige Funktionen innerhalb eines Ökosystems. Sie werden oft als eine der ersten Tierarten wiedereingeführt. © Arend de Haas – True Nature Foundation

Rewilding: The radical new science of ecological recovery”. So lautet der Titel des neuen Buches von Paul Jepson und Cain Blythe. Aber was ist Rewilding? Und ist der Ansatz wirklich so radikal?

Hört man Rewilding, denkt man schnell an wilde Tiere, ungezähmte Natur und Wildnis. Da ist die Frage naheliegend, ob so etwas im dichtbesiedelten Mitteleuropa überhaupt möglich ist.

Doch hinter Rewilding steckt mehr als eine idealisierte Vorstellung von wilder Natur. Dass Rewilding auch in Europa möglich ist, zeigen zahlreiche Rewilding-Projekte. True Nature Foundation, Rewilding Europe, Rewilding Britain, Scotland: The big picture sind nur ein paar Beispiele für Organisationen, die Rewilding bereits erfolgreich in die Tat umsetzten.

Zusammenleben von Mensch und Tier: Warnschild im Rewilding Europe-Gebiet im zentralen Apennin © Lina Dilly

Was genau ist Rewilding?

Eine klare Definition gibt es nicht und es gibt verschiedene Rewilding-Ansätze mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Doch im Grunde geht es beim Rewilding darum, der Natur wieder mehr Raum zu geben und natürliche Prozesse und die Funktionalität geschädigter Ökosysteme wiederherzustellen.

Zu Beginn muss der Mensch da häufig eingreifen und der Natur sozusagen einen Anstoß in die richtige Richtung geben. Ein typischer Eingriff ist die Wiederansiedlung wichtiger verlorengegangener Tierarten. Funktionieren die natürlichen Prozesse wieder, kann die Natur dann weitestgehend sich selbst überlassen werden. Intakte Natur reguliert sich selbst. Sie ist dynamisch und verändert sich und daher geht es bei Rewilding auch nicht darum, einen bestimmten Zustand oder Endpunkt zu erreichen und zu erhalten.

Häufig werden vier Formen des Rewildings unterschieden:

  1. Trophisches Rewilding
  2. Pleistozän-Rewilding
  3. Translokation-Rewilding
  4. Passives Rewilding

Eine fünfte Form von Rewilding, die in diesem Artikel ebenfalls kurz angesprochen wird, ist urbanes Rewilding.

Trophisches Rewilding

Beim trophischen Rewilding geht es darum, die Verbindung zwischen Beutegreifern und ihrer Beute wiederherzustellen. Große Beutegreifer haben im Ökosystem eine regulierende Funktion. Ihre Abwesenheit wirkt sich auf verschiedenen Ebenen des Nahrungsnetzes aus und kann das gesamte Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen.

Das wohl berühmteste Beispiel für trophisches Rewilding und gleichzeitig auch der Ursprung von Rewilding ist der Yellowstone Nationalpark in den USA. In den 1990er Jahren hat die Wiederansiedlung von Wölfen dazu geführt, dass wichtige natürliche Prozesse in den aus dem Gleichgewicht geratenen Ökosystem wiederhergestellt wurden. Der Einfluss war so groß, dass selbst Flussläufe sich veränderten.

Wolfsrudel ©unsplash

Pleistozän-Rewilding

Gegen Ende des Pleistozäns vor ca. 12000 Jahren ist ein Großteil der Megafauna wahrscheinlich als Folge der Jagd ausgestorben. In der Arktis führte der Verlust der Megafauna zu einem Ökosystemwandel. Ohne Mammuts, Bisons, Löwen und andere große Tiere, die die Gegend durchstreiften, verwandelten sich die einst offenen Landschaften in die riesigen Tundra- und Taiga-Ökosysteme, die wir heute kennen.

Es gibt Theorien, dass Megafauna und offene Landschaften sich positiv auf die Erhaltung des Permafrosts auswirken können. Doch ausgestorbene Arten lassen sich nicht zurückbringen. Beim Pleistozän-Rewilding werden daher verwandte Arten der Eiszeit-Bewohner, oder Arten mit ähnlicher Funktion im Ökosystem, wiederangesiedelt. Das könnte sich in Zukunft jedoch ändern, denn es wird auch an der „Wiedererschaffung“ ausgestorbener Arten wie dem Mammut geforscht.

Das bislang einzige Beispiel für Pleistozän-Rewilding ist der Pleistozän-Park in Sibirien, wo Permafrost-Wissenschaftler Sergey Zimov gemeinsam mit seinem Sohn Nikita mit der Wiedereinführung von großen Tieren experimentieren.

Translokation-Rewilding

Translokation-Rewilding hat entweder die Verstärkung einer bestehenden Population oder die Wiederansiedlung einer lokal ausgestorbenen Art zum Ziel.

Ist die Zielart bereits ausgestorben, kommen heutige Nachkommen der ausgestorbenen Art, oder funktional ähnlichen Arten in Betracht. In diesem Fall ähnelt Translokation-Rewilding dem Pleistozän-Rewilding. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf Arten der jüngeren Vergangenheit.

Ein gutes Beispiel ist das Iberá-Projekt im Nordosten Argentiniens. Tiere wie Jaguar, Riesenflussotter, Halsbandpekari, Ozelot und viele mehr waren in dem Gebiet entweder komplett ausgestorben oder in ihrer Population stark dezimiert. Seit 2007 wurden ausgestorbene Arten wieder angesiedelt und geschwächte Populationen gestärkt. Heute ist der Iberá Park Argentiniens größtes Naturgebiet und 2018 wurden seit 70 Jahren das erste mal wieder Jaguar-Babys im Park geboren. 

Jaguar-Babys im Iberá Park © Rewilding Argentina
Freilassung von Halsbandpekari im Iberá Park © Rafael Abuin Aido – Rewilding Argentina
Riesenflussotter im Iberá Park © Rafael Abuin Aido – Rewilding Argentina

Passives Rewilding

Wie der Name vermuten lässt, geht es beim passiven Rewilding darum, die menschliche Kontrolle über Landschaften zu reduzieren und der Natur mehr Raum zu geben, um sich selbst zu regulieren. Auch der strengere Artenschutz hat in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass Tiere und Pflanzen von ganz alleine zurückkommen.

Biberdamm in Tirol in der Nähe von Biberwier. Biber kehren langsam in viele Gebiete Europas zurück, wo sie für viele Jahre abwesend waren © Lina Dilly

Im Idealfall gelangen die oben beschriebenen Formen des Rewildings nach einem anfänglichen Push des Menschen alle in diesen Zustand der Selbstregulation.

Typische Gebiete für passives Rewilding sind von der Landwirtschaft aufgegebene Flächen. Diese Flächen werden nicht mehr aktiv durch den Menschen genutzt und nach und nach erobert sich die Natur diese Flächen zurück.

Urbanes Rewilding

Mit dem Trend der Urbanisierung wird auch urbanes Rewilding immer wichtiger. Urbanes Rewilding findet zwar in einem relativ kleinen Maßstab statt, ist aber dennoch eine wichtige Form des Rewildings. Im städtischen Raum konzentriert sich Rewilding oft auf das Potenzial von Gründächern und der Vergrößerung anderer städtischer Naturflächen. So werden attraktivere Lebensräume für Mensch und Tier geschaffen.

Koexistenz von Mensch und Tier

Bei Rewilding geht es darum, Situationen zu schaffen, bei denen alle Lebewesen gleichermaßen profitieren. Es ist ein innovativer Ansatz im Naturschutz. Doch in gewisser Hinsicht könnte man Rewilding auch als eine Art Philosophie betrachten. Denn Rewilding zielt nicht nur darauf ab, die Funktionalität geschädigter Ökosysteme wiederherzustellen, sondern auch die Beziehung zwischen Mensch und Natur.

Wir Menschen sind Teil der Natur und in einem gesunden Ökosystem ist daher auch Platz für uns Menschen. Zivilisation, Kultur und Natur müssen einander nicht ausschließen.

Ist Rewilding also wirklich ein so radikaler Ansatz? Auf den ersten Blick mag es vielleicht so aussehen. Doch schaut man genauer hin, könnte Rewilding die Lösung für ein harmonisches Miteinander von Mensch, Tier und Natur sein.

Möchtest du selbst aktiv werden, dich engagieren oder einfach mehr zum Thema Rewilding erfahren? Werde Mitglied der GLFx Rewilding Community of Practice oder folge uns auf Facebook und Instagram. Die Rewilding Academy bietet außerdem spannende Rewilding-Kurse.

Quellen
Jepson, P., & Blythe, C. (2020). Rewilding: The radical new science of ecological recovery. London: Icon.
True Nature Foundation: https://truenaturefoundation.org/
Rewilding Europe: https://rewildingeurope.com/

Die Männchen der Langhornbienen (Eucera)  haben ungewöhnlich lange Fühler, die für diese Gattung sehr typisch sind. Viele Arten innerhalb dieser Gattung sind auf den Pollen von Schmetterlingsblütlern spezialisiert. Foto: Christian Kantner – www.lobbyist-of-insects.com

Trotz ihrer Bedeutung als eine der wichtigsten Bestäubergruppen, werden Wildbienen durch den Menschen zunehmend unter Druck gesetzt. In der Ausstellung „Von Einzelgängern und Geselligen – Vielfalt der Wildbienen“ im Botanischen Garten Innsbruck kann man ab 20. Mai in ihr faszinierendes Leben eintauchen und erfahren, wie man zu ihrem Schutz beitragen kann.

Insektensterben – Schützenswerte Vielfalt

Das Thema Insekten weckt bei den meisten Menschen keine besonders positiven Assoziationen, deshalb werden die Leistungen dieser kleinen und großteils unscheinbaren Tiere auf den ersten Blick häufig übersehen. Beispielsweise Nektar- und Pollensammler übernehmen die Bestäubung von zwei Dritteln aller Wild- und Kulturpflanzen. Somit sind sie für den Erhalt der Artenvielfalt und die menschliche Ernährung unverzichtbar. Gerade deswegen ist das aktuelle Insektensterben äußerst besorgniserregend: Wissenschaftler*innen bestätigen einen Rückgang der Fluginsekten um 75 % in den letzten 25 Jahren, sowie einen starken Rückgang der Vielfalt im Allgemeinen. Der Einsatz von Pestiziden, die Zerstörung von Nisträumen und der Mangel an geeigneten Blühwiesen führt dazu, dass die Lebensräume von Insekten immer kleiner und seltener werden.

Aus Wildbiene wird Honigbiene

Mit Maßnahmen wie der Schaffung und dem Erhalt von Lebensräumen wie z.B. Blühwiesen im ländlichen und städtischen Raum sowie der Errichtung von Schutzgebieten und dem Verzicht auf Pestizide können Wildbienen und andere Insekten unterstützt und geschützt werden. Vor allem in privaten Gärten kann man bereits als Einzelperson wesentlich zum Erhalt der Vielfalt von Wildbienen beitragen.

Wenn über das Thema Bienen gesprochen wird, denken die meisten Menschen häufig an die Westliche Honigbiene (Apis mellifera). Sie sind effektive Bestäuber und Honiglieferanten und werden deshalb bereits seit vielen tausenden Jahren als Nutztier vom Menschen gehalten. Der Wildbienen-Experte Sebastian Hopfenmüller erklärt, dass auch die heutige Honigbiene  einmal zu den Wildbienen zählte und über lange Zeit gezüchtet und als „Haustier“ kultiviert wurde. Er betont, dass unter anderem durch Gefahren wie die aus Asien stammende Varroamilbe die Honigbienen heute auf den Imker angewiesen seien und „in Freiheit“ kaum mehr überleben können.

Die Wespenbienen (Nomada) gehören zu den Brutschmarotzern und werden deshalb zu den Kuckucksbienen gezählt. Foto: Christian Kantner – www.lobbyist-of-insects.com

Die Wildbienen als unverzichtbare Bestäuber

Neben der Honigbiene gibt es knapp 700 weitere Arten von Bienen in Österreich – die Wildbienen. Das Aussehen und Verhalten der Wildbienen ist sehr vielseitig und sie existieren in vielen verschiedenen Formen und Farben. Sie „haben sich in der Evolution Seite an Seite mit den Blütenpflanzen entwickelt“ hebt Hopfenmüller hervor, weshalb „80-90 %  aller Wildblumen von Wildbienen oder von anderen Insekten bestäubt sind“. Wildbienen spielen auch für Kulturpflanzen eine große Rolle, so steigert z.B. ihr Vorkommen den Ertrag in einer Kirschplantage erheblich, meint Sebastian Hopfenmüller. Das liege vor allem an ihrem besonderen Flugverhalten und dem sehr hohen Interesse an Pollen. Die Honigbiene könne die Wildbienen in ihrer Funktion als Bestäuber nicht ersetzen. Das hänge vor allem damit zusammen, dass die Honigbiene eine sehr generalistische Art ist, d.h. in ihrer Auswahl an Pollen – und Nektarpflanzen nicht besonders wählerisch sei und gerne auf Massentrachten gehe. Viele Wildblumen werden neben Bestäubern wie Schmetterlingen „viel effektiver oder überhaupt nur von Wildbienen bestäubt“ und können dadurch nicht, auch nicht von der Honigbiene, ersetzt werden, so Hopfenmüller. Gerade deswegen ist der Schutz von Wildbienen besonders wichtig.

Expertenwissen: Wildbienen sind richtige Feinschmecker

Wildbienen ernähren sich ausschließlich von Nektar und Pollen. Besitzen sie keine Vorlieben, wie die Honigbiene, bezeichnet man sie als polylektische Arten. Doch unter den Wildbienen gibt es viele Spezialisten, richtige Feinschmecker, die sehr wählerisch bei der Suche nach Pollen und Nektar sind. Knapp 30 % aller nestbauenden Wildbienen sind auf den Pollen einer ganz bestimmten Pflanzenfamilie, Gattung oder sogar Art angewiesen, um ihren Nachwuchs zu versorgen. Man nennt diese Arten von Wildbienen oligolektisch.

Die Ausstellung „Von Einzelgängern und Geselligen – Vielfalt der Wildbienen“ im Botanischen Garten Innsbruck

Der Botanische Garten der Universität Innsbruck eröffnet am 20. Mai 2021 die Ausstellung „Von Einzelgängern und Geselligen – Vielfalt der Wildbienen“. Sie kann bis November täglich von 8-18 Uhr kostenlos im Freigelände des Botanischen Gartens besucht werden und gibt einen umfassenden und spannenden Einblick in das Leben und die Vielfalt der Wildbienen.

Der Botanische Garten möchte mit der Ausstellung ein breites Bewusstsein, sowie Begeisterung für das Thema Wildbienen schaffen. Die Ausstellung gibt einen umfassenden Einblick in das Leben, Verhalten und die Herausforderungen der vielseitigen Wildbienen. Insektenfreundliche Strukturen wie Blühwiesen, Totholz und Nisthilfen sollen Anregungen geben und zeigen, wie einfach und attraktiv Wildbienenschutz in jedem Garten umgesetzt werden kann.  

Sebastian Hopfenmüller ist Wildbienen-Experte und Autor aus dem Allgäu. Er hat vor wenigen Monaten mit Eva Strangler das Buch „Wildbienen retten“ herausgebracht, das hochwertige Informationen zu den Wildbienen, sowie Tipps und Tricks zur bienen- und insektenfreundlichen Gestaltung des eigenen Gartens bietet.
Er war in der bioskop-Podcastfolge „Wildbienen – Von Generalisten und Spezialisten“ zu Gast und hat dort Rede und Antwort zum Thema Wildbienen gestanden. Die Folge kann kostenlos auf Podcatchern wie Spotify nachgehört werden.

In Österreich gibt es 50 verschiedene Gelsenarten (Stechmücken). Auch wenn diese sehr unterschiedliche ökologische Nischen besetzen, kann man kann sie grob in Lebensformtypen unterscheiden: Hausgelsen, Überschwemmungsgelsen, Frühjahrsgelsen und die Baumhöhlenbrüter. In den letzten Jahren wurden in Europa auch gebietsfremde Arten (Neobiota) eingeschleppt, wie z.B. die Asiatische Tigermücke.

Weltweit gibt es über 3500 Gelsenarten (=Stechmücken, Culicidae), und alle sind unterschiedlich. Sie unterscheiden sich in Aussehen und Genetik, bewohnen verschiedene Kontinente, haben unterschiedliche Vorlieben bezüglich Lebensraum und Brutgewässer. Manche Gelsenweibchen stechen am liebsten Säugetiere, andere haben es auf Amphibien abgesehen. Es gibt Generalisten (weniger anspruchsvoll) und Spezialisten, verschiedene Paarungssysteme und unterschiedliche Strategien um den Winter zu überstehen. Bevor man das nächste Mal über „die Gelsen“ schimpft, sollte man sich also genau ansehen, wen man da eigentlich vor sich hat.

In Österreich kann man 50 verschiedene Gelsenarten (aus 8 Gattungen) finden [1]. Nach ihren Präferenzen kann man diese grob in verschiedene Lebensraumtypen unterscheiden: Hausgelsen, Überschwemmungsgelsen, Frühjahrsgelsen und die Baumhöhlenbrüter.

Hausgelsen

Hausgelsen (hauptsächlich Arten der Gattung Culex; Abb. 1) sind vor allem im urbanen Raum zu finden. Der häufigste Vertreter dieser Gruppe ist in Österreich, sowie in vielen anderen Teilen Mitteleuropas, die Gemeine Stechmücke (Culex pipiens) [2]. Die Weibchen überwintern in der Natur in hohlen Bäumen und Erdlöchern, im Siedlungsbereich in Kellern, Dachböden oder anderen frostfreien Räumen. Im Frühjahr reichen kleinste Wasseransammlungen (in der Nähe ihres Winterschlafplatzes) für die Eiablage aus. Da diese Gelsen in unseren Behausungen überwintern, sind sie es auch, die uns im Frühling als erstes und im Spätherbst als letztes stechen wollen. Die Hausgelsen-Weibchen suchen ihre Opfer für die nächste Blutmahlzeit meist in der Dämmerung oder Nacht. Waren sie bei der Suche nach einem Wirtstier erfolgreich, nutzen sie nun das Protein aus der Blutmahlzeit, um daraus Eier zu entwickeln. Die Eier werden dann in Paketen – sogenannten Eischiffchen – auf der Wasseroberfläche abgelegt. Als Eiablageplatz eignen sich die Uferbereiche von Teichen und stehenden Wassergräben aber auch Regentonnen, Blumentopfuntersetzer oder Vogeltränken. Ein Weibchen legt etwa 150 - 250 Eier, aus denen sich dann mehrere Generationen pro Jahr entwickeln können [3]. Somit können Hausgelsen abhängig von den herrschenden Klimabedingungen (Niederschlag, Temperatur etc.) mehrere Generationen im Jahr hervorbringen. Je nach Witterung kann ein solches Weibchen bis zum Ende der Saison theoretisch mehrere Millionen Nachkommen haben.

Hausgelsen-Weibchen legt gerade ein Eischiffchen auf der Wasseroberfläche ab.
Abb. 1 Ein Hausgelsen-Weibchen legt gerade ein Eischiffchen auf der Wasseroberfläche ab. (Bild: flickr/Sean McCann, CC BY-NC-SA 2.0)

Frühjahrsgelsen

Im Gegensatz dazu haben Frühjahrsgelsen (diese stammen meist aus der Gattung Aedes, zB. Ae. cantans, Ae. communis, Ae. rusticus; aber auch Culiseta, zB. Cs. morsitans) nur eine Brut pro Jahr. Bei den Frühjahrsgelsen überwintern die Eier oder die Larven. Die Larven entwickeln sich bereits bei geringer Wassertemperatur (10 °C), sodass die ersten adulten Tiere bereits ab April zu finden sind.

Überschwemmungsgelsen

Überschwemmungsgelsen (eine Vielzahl der Aedes-Arten) sind aufgrund ihrer Eilegestrategie stark von der Dynamik der Auwälder abhängig. Die Weibchen legen ihre Eier in trockenliegende Überschwemmungsgebiete, wo diese oft über mehrere Jahre ohne Wasser überdauern können. Wenn nach einem Hochwasserereignis die Eier überflutet werden, kommt es zu einem Massenschlupf der Larven. Überschwemmungsgelsen verbleiben normalerweise in der Nähe ihres Brutplatzes, können aber passiv durch starken Wind weit vertragen werden. Im Gegensatz zur Hausgelse überleben die adulten Überschwemmungsgelsen meist nur bis zum nächsten Wetterumschwung und sterben spätestens im Herbst ab, und nur die Eier überwintern.

Fiebergelsen

Fiebergelsen (Gattung Anopheles) verdanken ihren Namen der Tatsache, dass sie Hauptüberträger der Malaria-Erreger sind. Sie sind vom Lebensformtyp ähnlich den Hausgelsen. Sie sind nachtaktiv und stechen am liebsten Säugetiere (v.a. Rinder, aber auch Menschen). Man findet sie in menschlichen Bauten aber noch häufiger in feuchten Räumen und Tierställen, in denen sie auch überwintern. Als Brutgewässer nutzen sie meist saubere natürliche Gewässer, wie grasige oder verkrautete Ufer von Seen oder Tümpeln.

Baumhöhlenbrüter

Die Baumhöhlenbrüter (hauptsächlich Vertreter der Gattung Aedes) waren bis vor ca. 30 Jahren eine recht wenig beachtete Gruppe. In dieser Gruppe legen Weibchen ihre Eier am Rand kleinster Wassermengen – wie eben in Baumhöhlen – ab. Kulturfolgende Vertreter dieser Gruppe finden im städtischen Raum eine Vielzahl an möglichen Brutgewässern. Regentonnen, Blumentopfuntersetzer, stehengelassener Müll, Spielzeug oder Werkzeug. Alle Gefäße, in denen sich Wasser sammeln kann, sind mögliche Brutgewässer für diese Arten – weshalb sie auch Container-Brüter genannt werden.

Gebietsfremde Arten

Gerade diese Container-brütenden Gelsen sind es, die in den letzten Jahrzehnten vermehrt in Europa eingeschleppt wurden. Hierbei gilt zu beachten, dass diese oft aus weit entfernten Gebieten (meist asiatischer Raum) stammenden, gebietsfremden Arten (Neobiota) nicht mit dem in den Medien gerne verwendeten Begriff „invasive Arten“ gleichzusetzen sind. Nach der Definition der IUCN (International Union for Conservation of Nature) gelten als invasive Arten nur solche, die nachweislich zu Veränderungen in der Struktur und Zusammensetzung von Ökosystemen führen, sich nachteilig auf die Ökosystemleistungen, die menschliche Wirtschaft und das Wohlbefinden auswirken [4]. Dies entspricht neben der Etablierung in einem neuen Gebiet auch der Verdrängung einheimischer Arten. Erst wenn dies zutrifft handelt es sich um invasive Arten.

Eine gebietsfremde Art konnte sich in Österreich bereits etablieren: die Asiatische Buschmücke (Aedes japonicus). Diese Art ist ursprünglich in Korea, Japan, Taiwan, sowie im Süden von China und Südosten von Russland heimisch und wurde in Europa vermutlich durch den Gebrauchtreifen-Handel eingeschleppt [5]. In Europa wurde sie erstmals im Jahr 2000 in der Normandie (Orne), im Norden Frankreichs, nachgewiesen. Seit 2002 gibt es Belege dieser Art in Belgien, in der Schweiz seit 2008 und seit 2011 in Deutschland. In Österreich wurde die Asiatische Buschmücke ebenfalls erstmals 2011 in der Steiermark ermittelt [6], inzwischen ist sie jedoch in allen Bundesländern nachgewiesen worden. Sie ist mammalophil/anthropophil (sticht daher gerne Menschen) und im Gegensatz zu den meisten heimischen Arten auch tagaktiv.

Im Gegensatz dazu konnte sich die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus; Abb. 2) in Österreich bisher noch nicht etablieren. Die Asiatische Tigermücke stammt ursprünglich aus den tropischen Wäldern Südost-Asiens und wurde nach Europa vor allem mit Gütertransporten (insbesondere mit Gebrauchtreifen und Glücksbambus) eingeschleppt [5]. Vor ungefähr 30 Jahren wurde sie erstmals in Albanien und später in Italien nachgewiesen und konnte sich von dort rasch in Südeuropa ausbreiten. Durch den passiven Transport adulter Tiere in Autos und Lastwägen wurde sie auch weiter in nördliche Gebiete verschleppt [7]. So erfolgten in Deutschland und der
Schweiz Nachweise dieser Gelsenart besonders entlang Autobahnrouten aus Südeuropa [8], [9]. Die Asiatische Tigermücke hat sich in den letzten Jahren rapide in Europa ausgebreitet [5], [10] und wurde bereits in allen österreichischen Nachbarländern gefunden. In Italien, der Schweiz und Slowenien bestehen bereits etablierte Populationen.

Auch in Österreich konnte Ae. albopictus bereits nachgewiesen werden: im Jahr 2012 in Tirol und im Burgenland, und seit 2016 an mehreren Standorten in Tirol. Bisher bestehen jedoch keine stabilen, überwinternden Populationen dieser Art in Österreich. Die nachgewiesenen Exemplare der Asiatischen Tigermücke scheinen jedes Jahr aufs Neue aus Nachbarländern importiert worden zu sein. Grund hierfür dürfte vor allem sein, dass diese Art, im Gegensatz zu der Asiatischen Buschmücke, aus tropischen Gebieten stammt. Die nördliche Ausbreitungsgrenze der Asiatischen Tigermücke in Europa wird vor allem durch die vorherrschenden Wintertemperaturen und die jährliche Jahresmitteltemperatur bestimmt [11]. Steigende Temperaturen im Zuge der Klimaerwärmung begünstigen somit die Etablierung von Populationen der Asiatischen Tigermücke in immer nördlicheren Gebieten.

Eine Asiatische Tigermücke (Ae. albopictus)
Abb. 2 Eine Asiatische Tigermücke (Ae. albopictus) erkennt man an dem weißen Streifen am Rückenschild, den weißen Spitzen an den Palpen, sowie den gestreiften Beinen. (Bild: flickr/Sean McCann, CC BY-NC-SA 2.0)
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Ist es eine Tigermücke?

Tigermücken sind sehr kleine Gelsen (passen problemlos auf eine 1-Cent-Münze). Man erkennt sie an ihrem weißen Streifen auf dem schwarzen Rückenschild und den schwarz-weiß gestreiften Hinterbeinen (Abb. 2). Aber Achtung! Die gestreiften Beine alleine sind noch kein eindeutiges Merkmal – auch sehr viele heimische Arten haben diese.
TIPP: Mit der App Mosquito Alert kannst du ganz leicht überprüfen, ob du eine Tigermücke gefunden hast. Übermittle mit der App einfach ein Foto deiner Gelse und ExpertInnen geben dir innerhalb kurzer Zeit Bescheid, ob du tatsächlich eine Tigermücke oder eine andere gebietsfremde Art gefangen hast.
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Literatur

[1] C. Zittra, M. Car, M. Lechthaler, and W. Mohrig, “Diptera: Culicidae,” in Fauna Aquatica Austriaca, 3rd ed., O. Moog and A. Hartmann, Eds. Wien: BMLFUW, 2017, pp. 1–11.
[2] K. Lebl et al., “Mosquitoes (Diptera: Culicidae) and their relevance as disease vectors in the city of Vienna, Austria,” Parasitol. Res., vol. 114, no. 2, 2014.
[3] N. Becker, D. Petric, M. Zgomba, M. Madon, C. Dahl, and A. Kaiser, Mosquitoes and Their Control, 2nd ed. Springer, 2010.
[4] C. Shine, N. Williams, and L. Gründling, Environmental Policy and Law Paper No. 40: A Guide to Designing Legal and Institutional Frameworks on Alien Invasive Species. 2000.
[5] J. M. Medlock et al., “A review of the invasive mosquitoes in Europe: Ecology, public health risks, and control options,” Vector-Borne Zoonotic Dis., vol. 12, no. 6, pp. 435–447, 2012.
[6] B. Seidel, D. Duh, N. Nowotny, and F. Allerberger, “Erstnachweis der Stechmücken Aedes (Ochlerotatus) japonicus japonicus (Theobald, 1901) in Österreich und Slowenien in 2011 und für Aedes (Stegomyia) albopictus (Skuse, 1895) in Österreich 2012 (Diptera: Culicidae),” Entomol. Zeitschrift – Stuttgart, vol. 112, no. 5, pp. 223–226, 2012.
[7] E.-J. Scholte and F. Schaffner, “Waiting for the tiger – establishment and spread of Aedes albopictus mosquito in Europe,” in Emerging pests and vector-borne diseases in Europe. volume 1: Ecology and contro of vector-borne diseases, W. Takken and B. G. J. Knols, Eds. Wageningen Academic, Wageningen, 2007, pp. 241–260.
[8] N. Becker et al., “Repeated introduction of Aedes albopictus into Germany, July to October 2012,” Parasitol. Res., vol. 112, no. 4, pp. 1787–1790, 2013.
[9] E. Flacio, L. Engeler, M. Tonolla, and P. Müller, “Spread and establishment of Aedes albopictus in southern Switzerland between 2003 and 2014: an analysis of oviposition data and weather conditions,” Parasit. Vectors, vol. 9, no. 1, p. 304, 2016.
[10] M. Bonizzoni, G. Gasperi, X. Chen, and A. A. James, “The invasive mosquito species Aedes albopictus: Current knowledge and future perspectives,” Trends Parasitol., vol. 29, no. 9, pp. 460–468, 2013.
[11] D. Roiz, M. Neteler, C. Castellani, D. Arnoldi, and A. Rizzoli, “Climatic factors driving invasion of the tiger mosquito (Aedes albopictus) into new areas of Trentino, Northern Italy,” PLoS One, vol. 6, no. 4, p. e14800, 2011.

Will man junge Menschen im schulischen Bereich für Biologie begeistern, braucht es bisweilen spezielle Formate. Dies ist die Geschichte der “Bio-Challenge” und wie man Österreich beinahe dazu bewegt, an einer Biologie Olympiade teilzunehmen.

Vom Brennen fürs Lebendige

Die Biologie – in all ihren Facetten und ihrer strukturellen Vielfalt, vom kleinsten biochemischen Baustein bis zu den komplexen Vernetzungen der Biosphäre – ist ein Quell unserer Inspiration und Motivation. Sie ist ein gewaltiges Konvolut von Disziplinen, die sich alle mit der Faszination des Lebendigen beschäftigen. Wer sich einmal darauf einlässt, dem bleibt letzten Endes nur eine mögliche Haltung demgegenüber: Faszination. Hingabe. Leidenschaft.

Wer nun Feuer für die Biologie fangen oder eine durch Kindheitserlebnisse bereits vorhandene Flamme pflegen möchte, für den bietet sich die Schule an [1]. Vor allem, wenn man dieses Feuer auch in seinen zukünftigen Erwerbsalltag tragen möchte. Schließlich ist der Unterrichtsgegenstand Biologie der wohl wichtigste schulische Gateway in die Medizin und die modernen Life-Sciences.


[1] Passenderweise befanden schon einige alte Griechen, dass es bei Bildung eher um das Entzünden von Fackeln als um das Befüllen von Fässern ginge

Bio Challenge
(c) Martin Bichler

Funkenflug und Schaumbremse

Es brauchte also ein Format, um junge Menschen im schulischen Kontext für Biologie zu begeistern. Einen Brandbeschleuniger quasi. Und dieses Format gab und gibt es tatsächlich seit 30 Jahren in Form der Internationalen Biologie Olympiade (zuletzt in Szeged/HU mit 273 Schüler/innen aus 73 Ländern). Was läge also näher, als mit einem Österreichischen Team auf internationalem Niveau anzutreten? Aus diesem Grund lud die ABA im April 2018 zu einem Erfahrungsaustausch mit unseren befreundeten Biologie-Verbänden des nahen Auslands, welche bereits seit längerer Zeit an den internationalen Bewerben teilnehmen.

Nach Klärung der Regulative und Formalvoraussetzungen war klar, dass eine österreichische Teilnahme ohne eine offizielle Fürsprache und finanzielle Förderung seitens des Bildungsministeriums nicht möglich wäre. Das war der Startschuss für eine Reihe vielversprechender Mails, Treffen und Gespräche. Epizentrum war dabei die Bildungsdirektion Tirol (damals noch Landesschulrat für Tirol), von der aus mit viel Unterstützung das Vorhaben in die ministerielle Ebene getragen wurde.

Doch manches Mal zerschellen Idealvorstellungen einfach an der realitätsschaffenden Hierarchie verwaltender Strukturen. Zu teuer, kein Bedarf, kein Interesse – so in etwa kann die ministerielle Antwort auf unser Anliegen zusammengefasst werden. Dass im Rahmen der Begabtenförderung bereits etablierte Olympiaden aus anderen Gegenständen weiterhin unterstützt werden, stellt aus Sicht des Bildungsministeriums keinen Logikbruch dar. ‚Man will halt derzeit nichts Neues‘[2].

Damit bleibt Österreich auf der Teilnehmerlandkarte bis auf weiteres umzingelt von teilnehmenden Nachbarstaaten und als eines der wenigen Länder Europas in Hinsicht Biologie-Olympiade teilnahmslos. Ein kleines gallisches Dorf im negativen Sinne.


[2] Fairerweise sei hinzugefügt, dass sich das Bildungsministerium zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Bildungsreform in einer tiefgreifenden Umstellung befand und an allen Ecken und Enden mit Unsicherheiten bzgl seiner Struktur und Zuständigkeiten konfrontiert sah.

Resilienz

Doch es gibt eine Eigenschaft, die von der Biologie auf die Idee eines Schulwettbewerbs übergesprungen sein könnte: Resilienz. Es lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren, ob die Bruchstücke des Vorhabens top-down, bottom-up oder in beiden Richtungen kursierten[3], jedenfalls stand die Idee weiterhin im Raum und wurde schließlich von Franz Gapp und Markus Geiger, zwei Biologielehrern des BG/BRG Innsbruck aufgegriffen und im Rahmen der ARGE Biologie Tirol vorgestellt.

Bio Challenge
(c) Martin Bichler

So wurden vier weitere Mitstreiterschulen gefunden und der Entschluss gefasst, auf Landesniveau einen tirolweiten Schulwettbewerb in Biologie zu etablieren. Das Konzept sah vor, analog zum internationalen Vorbild, die Schüler/innen in Spezialkursen vertiefend in puncto Fachtheorie und Fachpraxis vorzubereiten und am Ende im Rahmen eines Abschlusswettbewerbes den oder die beste Nachwuchsbiologin Tirols zu küren. Die ‚Bio-Challenge‘ war geboren!

Im darauf folgenden Sommersemester (2019) fanden schließlich die ersten Vorbereitungskurse mit rund 30 Schüler/innen in zwei Gruppen an jeweils 4 Nachmittagsterminen statt. Das Angebot richtete sich an AHS Schüler/innen der 6. und 7. Klassen Oberstufe. Die fachtheoretischen und fachpraktischen Inhalte orientierten sich am Lehrplan und umfassten die Themen ‚Auge‘, ‚Herz-Kreislaufsystem‘, ‚Pflanzenanatomie‘ sowie ‚Nervensystem‘. Dabei konnten die Schüler/innen verschiedene Versuche, Sektions- und Präparations- und Mikroskopiertechniken erlernen.

Dass die Kursblöcke stets an einem Freitagnachmittag stattfanden und teils lange Anreisewege in Kauf genommen werden mussten, spricht für die außerordentlich hohe Motivation und den Ehrgeiz der teilnehmenden Schüler/innen.

Der Abschlusswettbewerb fand schließlich am 26. Juni 2019 statt, bei dem in einer der rund zweistündigen Prüfung die besten Nachwuchsbiologen und –biologinnen ermittelt wurden. Die Siegerehrung erfolgte schließlich durch hochrangige Vertreter der Bildungsdirektion Tirol und die Schulleitung der gastgebenden Schule. Unisono das Credo: Wir können stolz sein auf unsere Nachwuchsbiologen/innen, auf ihr Engagement und ihre Leistungen!

Ein großes Lob verdienen sich in dieser Hinsicht auch die Biologielehrer/innen der aller teilnehmenden Schulen, die in perfekter Teamarbeit die rasche und professionelle Korrektur der Arbeiten durchführen konnten.


[3] in diesem Falle wäre die Bio-Challenge quasi ‚paraphyletisch‘ entstanden ;-)

Evolution

Bio-Challenge
(c) BRG-APP

In Tirol verfolgen wir die Strategie, die Bio-Challenge nicht nur zu einem Spezifikum der allgemeinbildenden höheren Schulen zu machen, sondern auch andere Schultypen aus dem Berufsbildenden Bereich zu involvieren. Das reicht von der Herstellung der Siegerpokale bis zur Erstellung von Homepages und digitalen Druckwerken. Damit sollen auch jene in Kontakt mit Biologie kommen, die ansonsten aufgrund thematischer Ausrichtung der Schule traditionellerweise wenig Berührungspunkte mit Biologie haben.

Ja, die erste Tiroler Bio-Challenge war ein voller Erfolg. Doch dem Format steht noch ein langer Weg bevor, um vom Projekt zum Programm zu werden. Vielversprechend ist in erster Linie die positive Resonanz bei Schüler/innen, Lehrer/innen sowie der Schulleitung und –verwaltung. Wir freuen uns, dass unserer Einladung zum Abschlusswettbewerb auch Vertreter/innen der Biologie ARGEn der Bundesländer Vorarlberg und Salzburg gefolgt sind, die das Format auf der ‚Westachse‘ vermitteln können. Wir wissen um das Interesse weiterer Bundesländer und sogar einen ähnlichen Wettbewerb in Kärnten (Biologie im Team) und wir hoffen, aus diesem Ganzen eine runde Synthese schaffen zu können.

Möglicherweise formiert sich so ein österreichweiter Biologiewettbewerb ‚bottom-up‘ und wir sehen in Zukunft auf internationalen Biologie Olympiaden auch endlich Teams aus Österreich. Die talentierten Jugendlichen dafür hätten wir jedenfalls!

Bilder, Berichte und Kursunterlagen unter bio-challenge.at

Titelbild: mohamed Hassan |pixabay

Frauen in der Wissenschaft hatten es bis jetzt noch nicht leicht und an den Zahlen zeigt sich, es ist noch viel zu tun. Frauenförderungsprogramme soll(t)en da Abhilfe schaffen. Aber auch hier machen sich schon Veränderungen breit. Ein Blick zurück, in die Gegenwart und die Zukunft der Frauenförderung.

Die Geschichte der Frauenförderung an österreichischen Universitäten beginnt spät. Mehr als 500 Jahre nach der Gründung der Universität Wien durfte im Jahr 1897 die erste Frau, Gabriele Possaner von Ehrenthal, immatrikulieren. Seit dem sind die Zahlen von weiblichen Studierenden stark gestiegen. Von einem anfänglichen Verhältnis Frauen zu Männern von 1:183 lag das Verhältnis zur Jahrtausendwende 2000/1 bei ungefähr 1,5:1 (Gleichstellung in Wissenschaft und Forschung in Österreich, BMBWF 2018, pdf). Auch im Österreichvergleich lassen sich ähnliche Werte feststellen. Der Frauenanteil an Studierenden liegt bei knapp 53 Prozent [unidata.gv.at]. Woran liegt es dann, dass der Frauenanteil bei Professuren nur bei 23 % liegt?

Die Leaky Pipeline: Frauenanteile nehmen im Karriereverlauf ab

Die so genannte „Leaky Pipeline“ fängt in Österreich schon früh an. Vergleicht man 28 EU-Länder liegt Österreich mit einem Frauenanteil von 42 Prozent unter den AbsolventInnen eines Doktorats –bzw. PhD Studiums abgeschlagen auf Platz 27. Die Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen in Wissenschaft und Forschung sind somit geringer als in anderen EU-Ländern. In Österreich ist jede fünfte Wissenschafterin einer Hochschule teilzeitbeschäftigt. Das wirkt sich auch auf den so genannten „Gender Pay Gap“ aus. In Österreich liegt das Einkommen für Frauen in Wissenschaft und Forschung um durchschnittlich 19,5 Prozent unter dem Einkommen von männlichen Kollegen.

Die „Leaky Pipeline“ zeigt sich vor allem auch in der Führungsebene. Hier wird es Frauen weiter erschwert, sobald sie die Karriereleiter erklimmen. „Die Netzwerkstrukturen in Führungsebenen sind immer noch männerdominiert“, so Politikwissenschafterin Sonja Puntscher Riekmann in einem Interview mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Frauen haben es oft noch nicht geschafft, in diese wirklich einzudringen. Warum das nicht gelingt, ist schwer zu sagen“, wie die Archäologin Katharina Rebay-Salisbury meint. Eine Theorie aus der Evolutionsforschung versucht dies jedoch zu erklären: Frauennetzwerke waren immer schon sehr „familienbasiert“, während Männer oft eigene Banden gegründet haben. Dies findet man heutzutage immer noch vor. „Frauen sollten sich davon aber auf keinen Fall unterkriegen lassen“, so Sonja Puntscher Riekmann.

Österreich hat in den letzten zehn Jahren versucht, diese Zahlen in eine andere Richtung zu lenken. So konnte etwa ein Anstieg um 40 Prozent bei den Professuren von Frauen verzeichnet werden. Im EU-Vergleich hat Österreich die höchste Steigerungsrate aufzuweisen. Wie kam es dazu? Gleichstellungsziele wurden das erste Mal Anfang der 1990er Jahre vom Wissenschaftsministerium geschaffen. Zu der Zeit wurden Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen errichtet, um Diskriminierung bei Personalverfahren zu verhindern. Im Jahr 2002 wurde dann das „Universitätsgesetz 2002“ verabschiedet in dem ein Frauenförderungsplan und ein Gleichstellungsplan in die Satzung aufgenommen wurden. Dies verlagerte die Zuständigkeit der Gleichstellung von Frauen und Männern an die Universitäten.

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Leaky Pipeline

Unter der „Leaky Pipeline“ versteht man den absinkenden Frauenanteil auf steigenden Bildungsabschlüssen und Karrierestufen. Der Begriff wurde in den 1979er Jahren in den USA eingeführt und soll als Metapher dienen. Schüttet man Wasser (junge Frauen) in ein Rohr, welches undicht ist, wird am auf der anderen Seite des Rohres wenig Wasser hinausfließen (Frauen in hohen Führungspositionen). (Understanding STEM: Current Perceptions, pdf)

Das Gesetz orientiert sich an drei Zielen:

1. Integration von Frauen auf allen Hierarchieebenen von Wissenschaft und Forschung.

2. Abschaffung „struktureller Barrieren“ für Frauen, damit beiden Geschlechtern dieselben Karrierewege offenstehen.

3. Integration von Genderfragen in Forschungsinhalte. Zur Unterstützung dieser Zielsetzungen wurden vom Ministerium Förderungsprogramme extra für Frauen ins Leben gerufen.

Frauenförderungsprogramme zur Umsetzung der Gleichstellungsziele

Zur Umsetzung dieser Gleichstellungsziele wurden von ministerieller Seite einige Frauenförderungsprogramme ins Leben gerufen

Zwei wichtige Frauenförderungsprogramme kommen vom Wissenschaftsfonds FWF:

  • Das Hertha-Firnberg-Programm richtet sich an Frauen am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere. Dabei sollen die Karrierechancen an österreichischen Forschungsseinrichtungen erhöht werden. Außerdem soll das Programm dazu dienen, Frauen nach einer Karenzphase den Wiedereinstieg in die wissenschaftliche Laufbahn zu erleichtern.
  • Das Senior Postdoc-Programm Elise Richter soll Frauen nach Projektabschluss ermöglichen, eine inländische oder ausländische Professur anzutreten.
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Hertha Firnberg

Die 1909 in Niederösterreich geborene Hertha Firnberg war eine sozialdemokratische Politikerin und Soziologin. Sie war die erste Wissenschaftsministerin der Zweiten Republik und hat die Wissenschaftspolitik als eigenes Politfeld etabliert. In ihrer Amtszeit ist sie auch für Frauenrechte und Verbesserung der Bildungschancen von Mädchen und Frauen in der Wissenschaft eingetreten.

Mehr zu Hertha Firnberg auf Webseite der Universität Wien

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Elise Richter

Elise Richter, geboren 1865 in Wien, war die erste habilitierte Frau an der Universität Wien 1905 und erst die vierte promovierte Frau 1901. Ab 1928 leitete sie das „phonetische Institut“ an der Universität Wien und gründete 1922 den „Verband für akademische Frauen in Österreich“. Im Nationalsozialismus wurde sie aus rassistischen Gründen verfolgt und 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie 1943 verstarb. ()

Mehr zu Elise Richter auf der Webseite der Universität Wien

Das Bundesministerium BMK (für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie) verfolgt mit dem Programm FEMtech das Ziel, dass Frauen gleiche Rahmenbedingungen und Erfolgschancen vorfinden wie Männer. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und gemischte Teams zu fördern, werden Forschungsinstitutionen mit dem Ziel eines höheren Frauenanteils unterstützt. Das Programm zielt auf die industrielle und außeruniversitäre Forschung ab. Auch junge Frauen werden von FEMtech bei der Praktikumsfindung untersucht.

Frauen sind in der Forschung immer noch unterrepräsentiert

Trotz all dieser Programme ist von Gleichstellung noch keine Rede. Einige vom FWF veröffentlichte Grafiken von 2018 zeigen deutlich die Unterrepräsentation von Frauen in der österreichischen Forschungslandschaft. Nur knapp über ein Drittel der Projektförderungen (35,5 Prozent) gehen an Frauen.

Obwohl die Frauenquoten bei Projekten in den Fachgebieten Biologie, Medizin, Geistes- und Sozialwissenschaften über 40 Prozent liegen, drückt das Fachgebiet Naturwissenschaften und Technik den Durchschnitt. In diesem Bereich liegt die Quote an bewilligten Projekten bei gerade einmal 20 Prozent. Auch die internationalen GutachterInnen sind zum Großteil männlich. Gerade einmal 24,1 Prozent der Gutachten werden von Frauen verfasst. Das ist auch nicht verwunderlich. Global betrachtet, ist weniger als ein Drittel der WissenschafterInnen weiblich (Unesco Institute for Statistics, pdf).

Abb. 1 Gestellte und bewilligte Projekte (FWF Chancengleichheit 2018).

Abb. 2 Angefragte und erhaltene Gutachten (FWF Chancengleichheit 2018).

In den nächsten Jahren soll es beim FWF zu einer Veränderung kommen. Wie im Mehrjahresprogramm 2019-2021 bekannt dargelegt wird, sollen die oben genannten Frauenförderprogramme komplett gestrichen werden. Das Hertha-Firnberg-Programm und das Lise-Meitner-Programm werden zu einem Early-Stage-Programm zusammengeführt und das Elise-Richter-Programm wird mit dem Start-Programm zu einem Advanced-Stage-Programm zusammengelegt. Bei beiden Programmen sollen sowohl männliche, als auch weibliche Forschende einreichen dürfen. Das Early-Stage-Programm richtet sich demnach an WissenschafterInnen am Beginn ihrer Karriere, um in der Forschung Fuß zu fassen. Das Advanced-Stage-Programm soll bei der Weiterentwicklung und Durchführung innovativer Projekte helfen. Warum aber ein bestehendes Modell verändern?

Abb. 3 Politische Meilensteine der Frauenförderung in Österreich.

Die Karriereprogramme werden „regelmäßig einer Zielüberprüfung unterzogen und – wo notwendig – weiterentwickelt“, so der FWF. „Die Universitäten verändern sich, so müssen es die Karriereproramme auch“. Besonders hervorgehoben wird allerdings, dass sich die Programme besonders auch an Frauen richten. Die Hälfte der Mittel soll an Frauen gehen und die Bewilligungsquote darf die der Männer nicht unterschreiten. Dabei soll auch an Frauen mehr Geld gehen, da diese Programme mit 40 Millionen Euro budgetiert werden sollen. Das Elise-Richter-Programm und Lise-Meitner-Programm waren zusammen auf 13 Millionen Euro budgetiert.

Es wird also wieder weniger auf Frauenförderprogramme gesetzt, sondern die Entwicklung soll wieder in Richtung Quotenregelungen gehen. Es besteht jetzt natürlich auch Grund zur Sorge, dass gute Projekte von Männern abgelehnt werden, weil zu wenige Frauen eingereicht haben und so wieder ein Ungleichgewicht entstehen wird. Der FWF teilt diese Bedenken jedoch nicht. „Die Anzahl der Doktorandinnen und Absolventinnen könne man nicht dahingehend deuten“, so Barbara Zimmermann vom FWF.

Dass die altbewährten Frauenförderprogramme auf der anderen Seite auch belächelt werden, hat Sonja Puntscher Riekmann auch schon am eigenen Leib erfahren. Sätze wie „Sie haben den Grant ja nur bekommen, weil Sie eine Frau sind“, gab es schon öfter. Trotzdem haben die Frauenexzellenzprogramme einen hervorragenden Ruf. Dies ist dem FWF bewusst. „Etablierte Frauenförderungsmaßnahmen“ sollen weitergeführt werden. Wie das aussehen wird, ist noch nicht ganz ersichtlich. Es wird sich also in den nächsten Jahren zeigen, wie das Projekt „Frauenquoten“ funktionieren wird. Der Staat sollte sich aber die Chance nicht entgehen lassen, gut ausgebildete Frauen zu fördern und diese 50 Prozent deshalb nicht einfach vergessen.

Auf den Kiesbänken des Tiroler Lechs werden bereits seit zwei Jahren die Heuschrecken-Populationen an drei unterschiedlichen Standorten systematisch erfasst und dokumentiert. Neben gut getarnten Exemplaren finden sich darunter auch pinkfarbige Besonderheiten.

Wer effizientes Monitoring in der Natur betreiben möchte, muss Geduld haben und vor allem scharfe Augen besitzen. Es dient dazu, herauszufinden, welche Arten überhaupt in einem Gebiet vertreten sind und welchem Geschlecht und welchen morphologischen Typen die gefundenen Individuen entsprechen. Im Lechtal findet seit zwei Jahren ein regelmäßiges Heuschrecken-Monitoring statt. Dabei wurde festgestellt, dass speziell drei Heuschreckenarten die Kiesbänke des Lechs zu ihrem Lebensraum erkoren haben: die Gefleckte Schnarrschrecke (Bryodemella tuberculata), der Kiesbank-Grashüpfer (Chorthippus pullus) und die Türks Dornschrecke (Tetrix tuerki).

Gefleckte Schnarrschrecken (Bryodemella tuberculata) (c) Johanna Propstmeier

Ausgerüstet mit Becherlupe, GPS-Gerät und viel Ausdauer geht es los auf die Suche nach diesen an den Wildfluss angepassten und gefährdeten Heuschreckenarten. Ganz so einfach wie es sich anhört ist es dann aber doch nicht – die Heuschrecken heben sich durch ihre Färbung kaum vom Untergrund ab. Ein gutes Hilfsmittel bei der Suche nach Heuschrecken ist ein Stock, den man vor sich hin und her führt. Dabei fliegen die Insekten auf und geben ihr Versteck preis. Eine Art, die man mit dieser Methode leichter auffinden kann, ist zum Beispiel die Gefleckte Schnarrschrecke. Sie weist eine graubraune Färbung auf und ist somit meist erst auf den zweiten Blick erkennbar. Wenn man ihr aber zu nahekommt (bzw. der Stock), zeigt diese Heuschreckenart, was sie besonders gut kann: Mit einem lauten und schnarrenden Geräusch fliegt sie auf und entfaltet im Flug ihre purpurroten Hinterflügel. Dieses schnarrende Geräusch dient dazu, Fressfeinde oder auch Forscher*innen, die ihr auf den Leib rücken, abzuwehren. Letzteren entkommt sie aber nicht so leicht: Die Insekten werden einfach mit der Becherlupe eingefangen und bestimmt. Anschließend werden sie wieder in die Freiheit entlassen.

Pretty in pink

Allerdings sind nicht alle Heuschrecken gut getarnt. Es kann sogar vorkommen, dass man bereits von weitem rot-pinke Tiere auf der Kiesbank erblickt. Beim letzten Monitoring traute eine Kollegin ihren Augen nicht: Eine Heuschrecke ganz in pink – wie ihre Schuhe! Ein besonderer Anblick, aber doch nicht so selten. Diese Art von Färbung nennt man im Tierreich „Erythrismus“, manchmal auch bekannt als Rufinismus oder Rubilismus. Die Ursache ist ein Gendefekt, der bei vielen Tieren auftreten kann und bei Heuschrecken verhältnismäßig häufig zu sehen ist. Dabei färben sich unter anderem durch das Wegfallen der dunkeln Pigmente Haut, Haare oder auch Federn der betroffenen Tiere rötlich. Durch diese prägnante Färbung fehlt diesen Tieren, in dem Fall den Heuschrecken, natürlich ihre gute Tarnung, wodurch sie Fressfeinden quasi auf dem „Silbertablett“ serviert werden. Das erklärt auch, warum sie vom Menschen nicht sehr oft entdeckt werden.

Grashüpfer (Chorthippus sp.) mit Gendefekt, “Erythrismus” (c) Yvonne Markl

Die Begegnung mit der pinken Heuschrecke führt einem die Vielfalt der Natur vor Augen. Nicht nur in den Tropen gibt es farbenprächtige Tiere – auch hier im Lechtal kann man mit etwas Glück bunte Tiere entdecken. Wir hoffen, dass die pinke Heuschrecke dennoch lang ihren Fressfeinden trotzt.

Fotos: Yvonne Markl und Johanna Propstmeier

Weitere Infos:

Naturpark Tiroler Lech: https://www.naturpark-tiroler-lech.at/

World Rivers Day

Titelbild: Inn; Foto: Anna Schöpfer

Flüsse erlebt man im Wasserschloss Tirol oft als spaltendes Element, gerade im Bereich Wasserkraft. Unter dem Motto „Zusammenfluss“ möchte die ABA-Regionalgruppe Westösterreich (WÖB) zusammen mit ihren Partnern zeigen, dass Tirols Flüsse als verbindendes Element viel mehr Einfluss auf Mensch und Umwelt haben als man glauben möchte. Am Weltflusstag, den 27. September erwartet Interessierte daher ein vielfältiges Programm – vom Flusssurfen bis Flusskino.

Wie vieles mit größerer Dimension beginnt auch diese Geschichte ursprünglich in kleiner Runde bei Bier und Pub-Atmosphäre – nicht 2020, sondern schon 2019, allerdings lange vor Corona. Diverse Kraftwerksdiskussionen erforderten eine Fluss-Initiative anderer Art – etwas, das einen positiven Gegenpol bildete zu all den Rechtsstreitereien und den Fluss als Ökosystem wieder mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit hievte. 5000 einzigartige Fließgewässer in Tirol geben schließlich allen Grund zum Feiern. So entstand 2019 erstmals das Tiroler Flusskino am World Rivers Day, in Kooperation mit dem Nature Film Festival – ein Event kurzfristig geplant und auf den letzten Drücker organisiert, aber voller Herzblut aller Beteiligten. Und siehe da, der Abend draußen beim Strandcafé in Kranebitten wurde zum vollen Erfolg.

Mittlerweile gibt es das Strandcafé in Kranebitten leider nicht mehr, doch das Flusskino besteht noch immer, ist partiell umgezogen und in seiner Dimension gewachsen. Motiviert vom positiven Feedback im Vorjahr, hat sich die World Rivers Day-Crew der WÖB – bestehend aus Anna Schöpfer, Julia Ecker und Lena Nicklas – weitere Partner ins Boot geholt, um am 27. September 2020 ein tagesfüllendes, spannendes Programm für Jung und Alt bieten zu können. Das Motto lautet #zusamenfluss – passend zu den diversen Partnern, Programmpunkten, zwei Flüssen an den gewählten Standorten und einem hoffentlich breit gefächerten Publikum 😉

Surfen an der Kranebitter Au

Der frühe Nachmittag (13.30 Uhr) startet mit Up Stream Surfing – der nachhaltigen Surflösung für jede City mit Fluss und entsprechender Brücke. Am Airport-Reef, wie es im Surfer-Jargon mittlerweile heißt, nahe der Kranebitter Au bei Innsbruck können sich Interessierte zum Aktionspreis ins Neopren und schließlich mit ihrem Board in die kühlen, aber coolen Innfluten werfen. Unter dem wachsamen Auge der Surfinstructors gilt es hier gegen den Strom zu surfen oder es wenigstens so gut wie möglich zu versuchen ; ). Die Surf Session gibt es zu Ehren des World River Days zum günstigeren Preis, die Ausrüstung ist inkludiert und erhält man vor Ort, aber eine Anmeldung sollte frühzeitig erfolgen.

Wasseraction, Literatur pur und Flusskino am Sillzwickel Innsbruck

Die Session am Sillzwickel an der Sillbrücke Ost startet gegen 16 Uhr. Hier erwartet die jüngeren BesucherInnen ein Flusserlebnis der besonderen Art mit Natopia und die älteren interessante Infos am Stand des Projektes INNsieme des WWF. Dabei handelt es sich um ein interregionales Projekt zwischen der Schweiz, Österreich und Deutschland – jene drei Länder, durch die der Inn fließt. Das Projekt soll die Länder näher zusammenbringen und versucht, die unterschiedlichen Interessen – nämlich Naherholung für die Menschen und Naturschutz – zu vereinen, um den Inn und seine Ufer längerfristig zu erhalten ().

Um 18 Uhr wird`s dann literarisch bei der Gemeinschaftslesung zum Thema „Alles im Fluss“, powered by IG Autorinnen Autoren Tirol. Unmittelbar am Kreuzungspunkt zwischen Sill und Inn stehen hier Fluss und Fließen im Mittelpunkt: Wie prägen Flüsse die Landschaft und die Menschen? Was fließt wohin? Was schlummert unter der Wasseroberfläche? Ausgewählte Texte wagen Antwortmöglichkeiten, natürlich nahe und weit gefasste.

Den Abend bespielt das WOEB-Team wieder gemeinsam mit dem Innsbruck Natur Film Festival: Ab 19.30 Uhr ist demgemäß Zeit für bequeme Liegestühle und großes (Fluss)kino, heuer nachhaltig „elektrisiert“ durch Cubic und ihrem Radlkino-Equipment (ja – wer will, kann mitradeln!). Hier stapft dann einer der letzten „Creekwalker“ Kanadas über die Leinwand: Stan Hutchings folgt seit 40 Jahren hauptberuflich den Lachsen durch die kanadischen Flussläufe – beobachtet sie, zählt sie. Eine Sisyphusarbeit? Vermutlich. Wichtig? Mehr als je zuvor, jetzt in Zeiten des Klimawandels und der Überfischung. Darüber hinaus aber ist es auch die sehr persönliche und berührende Geschichte eines Mannes, der mit seinem Hund auf einem kleinen Hausboot wohnt und die Verbindung zur Natur nie verloren hat. Zum Ausklang des Abends gibt es noch ein kurzes Q&A zum Thema.

Am Sillzwickel ist der Eintritt zu allen Programmpunkten frei und bedarf keiner Anmeldung. Auch für Speis und Trank ist durch den feld Verein gesorgt.