Titelbild: Europäische Wildkatze (Felis silvestris) in Slowenien. © Christine Sonvilla

Sie lebt versteckt und zurückgezogen, schleicht nachts auf der Jagd durch Wälder und Lichtungen: die Europäische Wildkatze (Felis silvestris). Christine Sonvilla begibt sich in ihrem Buch „Europas kleine Tiger – Das geheime Leben der Wildkatze“ (erschienen 2021) auf die Spuren des scheuen Wildtiers und holt die vermeintlich verborgene Wildkatze vor die Kamera. Gemeinsam mit Kolleg:innen aus Forschung und Naturschutz gibt sie vielschichtige Einblicke in die historische Verbreitung und Lebensweise der Wildkatze sowie in aktuelle Forschungs- und Schutzaktivitäten.

Vom Jäger zum Gejagten

Vor ungefähr 450.000 bis 200.000 Jahren ist die Europäische Wildkatze erstmals von Asien nach Europa eingewandert und hat sich über ganz Europa, abgesehen von Skandinavien, und Teile Vorderasiens ausgebreitet. Heute kommt die Europäische Wildkatze noch in 34 europäischen Ländern vor, jedoch mit großen Unterschieden zwischen den Ländern und Regionen. Sie gilt vor allem noch am Balkan und in Südeuropa als häufig. In anderen europäischen Ländern gibt es nur noch vereinzelte Restpopulationen oder sie gilt gar als ausgestorben. Doch wie ist es dazu gekommen?

Die Ursachen und Folgen des starken Populationsrückgangs ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch von Christine Sonvilla. Im Zentrum steht hierbei vor allem der Einfluss des Menschen: Als Jagender, der die Wildkatze für Fleisch, Fell und Fett verfolgte. Und später als Beschützer, der sich für die Erforschung und Wiederansiedelung einsetzt.

Auch Christine Sonvilla begibt sich im Buch auf die Jagd. Die gewünschte Beute ist jedoch nicht die Wildkatze selbst, sondern eine Fotoaufnahme des scheuen Wildtiers. So einfach ist das gar nicht. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und braucht auch die passende Ausrüstung. Behilflich sind auch Daten zu Sichtungen von Expert:innen und die Fähigkeit, Spuren zu lesen. Die Autorin und begeisterte Tierfotografin erzählt im Verlauf des Buches vom schwierigen und auch aufregenden Wagnis „Operation Fotofalle“, das zu den schönen Fotoaufnahmen im Buch geführt hat.

„Spannend finde ich an der Wildkatze, dass es noch viel mehr zu entdecken gibt als man aktuell weiß.“

Christine Sonvilla mit Fotofallenaufbau für Wildkatzen. © Marc Graf

Die Wildkatze in Österreich

Die Spur der Europäischen Wildkatze führt Christine Sonvilla auch in ihre Heimat, nach Österreich. In der Roten Liste der gefährdeten Arten der Weltnaturschutzunion IUCN gilt die Europäische Wildkatze offiziell als „nicht gefährdet“. In Österreich ist die Situation eine andere. Denn hier ist sie in den 1950er Jahren aus den heimischen Wäldern verschwunden und gilt seither als ausgestorben. Beobachtungen der letzten Jahre geben hier erstmals Anlass für Hoffnung. Im Jahr 2020 konnten in der Wachau sechs Individuen der Europäischen Wildkatze identifiziert werden.

Man stellt sich nun vielleicht die Frage: Wie kann eine Art, die als ausgestorben gilt, in der Natur gefunden werden? Auch hierzu hat die Autorin eine Antwort und spannende Einblicke aus der Forschung bei der Hand. Hier ein kleiner Einblick: Tatsächlich werden durch die Lockstock-Methode, bei der Stöcke mit Baldrian in den Wäldern aufgestellt werden, Haarproben gesammelt. Die Wildkatzen reiben sich an den Stöcken und lassen so Haare zurück. Diese gehen dann etwa an das Naturhistorische Museum Wien zur Bestimmung, ob es sich um Haare der Europäischen Wildkatze oder etwa einer Hauskatze handelt. Haarproben von Wildkatzen werden zur DNA-Analyse an das Senckenberg Forschungsinstitut, Zentrum für Wildtiergenetik, überstellt. So konnte auch bestimmt werden, dass es sich bei den Haaren aus der Wachau um Wildkatzen und sechs unterschiedliche Individuen handelt.

Links: Katharina Stefke vom Naturhistorischen Museum Wien (NHM) begutachtet die von den Lockstöcken gesammelten Haare. © Christine Sonvilla
Rechts: Frank Zachos, Säugetierkurator am NHM, präsentiert Haus- und Wildkatzenschädel im Vergleich. Der Schädel der Wildkatze, rechts im Bild, ist etwas größer. © Christine Sonvilla

Der Mensch stellt dennoch weiterhin eine Gefahr für den Lebensraum und das Überleben der Europäischen Wildkatze dar. Christine Sonvilla findet hierzu klare Worte:

 „Während ihre Bestände in vielen Gegenden gerade Aufwind haben, sehen wir andernorts, dass ein Zuviel an menschengemachten Hindernissen und Bedrohungen das Blatt schnell wenden kann. Einmal in der Natur verloren, ist eine Tierart nur mit massivem Aufwand zurückzubringen.“

Ein Buch für Jung und Alt

Christine Sonvilla nimmt die Leser:innen auf eine Reise durch die Geschichte und Forschung mit. Und das, ohne jemanden am Weg zu verlieren. Die Verbindung von Fakten mit spannenden Hintergrundgeschichten und die anschauliche und verständliche Sprache ermöglichen es allen Altersgruppen, in die Welt der Europäischen Wildkatze einzutauchen. So bietet das Buch „Europas Kleine Tiger“ sowohl Biolog:innen als auch Lai:innen und Schüler:innen spannende Lesestunden.

Über die Autorin:

Christine Sonvilla, geboren 1981 in Klagenfurt, lebt in Mürzzuschlag. Nach Studien der Germanistik und Biologie machte sie sich als Fotografin, Filmerin und Autorin mit Fokus auf Naturthemen selbstständig. Sonvilla konzentriert sich in ihrer Arbeit auf Natur- und Artenschutz-Themen. Für jene zu sprechen, die es selber nicht können, das ist ihr ein Anliegen. Ihre Arbeiten wurden mehrfach international ausgezeichnet und erschienen u. a. im National Geographic Magazin. Zuletzt erschienen: „Europas kleine Tiger“ (2021).

Europas kleine Tiger – Das geheime Leben der Wildkatze

Christine Sonvilla

Residenz Verlag

256 Seiten

25 EUR

ISBN: 9783701735235

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