Titelfoto: Header der Webseite www.pollenservice.wien der MedUni Wien

Der Pollenservice Wien der MedUni Wien wird von Biolog:innen geführt. Das Kommunikationskonzept folgt wissenschaftlichen Erkenntnissen und umfasst neben reichlich Bild- und Videomaterial, verständliche Erklärungen und social media. Alles rund um den Pollen- und den Sporenflug findet man auf www.pollenservice.wien und beim „Pollenpaar“.

Die Biologie im Pollenservice Wien der MedUni Wien

Der Pollenservice Wien der Medizinischen Universität Wien (www.pollenservice.wien) versteht sich sowohl als Service für Betroffene von Pollenallergien als auch als Forschungseinrichtung auf dem Gebiet der Aerobiologie. Die Aerobiologie ist eine Richtung innerhalb der Biologie, die sich mit den lebenden Mikroorganismen in der Luft befasst. Darunter versteht man meistens den Pollenflug und den Sporenflug, aber auch andere schwebende Organismen wie Viren, Bakterien oder Insekten sind Teil der Aerobiologie. Außerdem spielen Aerosole, also unbelebte Materie, wie zum Beispiel freie Allergene eine Rolle.

Abb. 1 Blick durch das Lichtmikroskop in eine Probe aus dem Frühling 2024: verschiedene Pollentypen müssen bestimmt und gezählt werden. Das ist wichtiger Teil der Aerobiologie und der Vorhersageroutine. (Copyright: Katharina Bastl (Pollenservice Wien/MedUni Wien)

Die Biologie ist die maßgebliche Wissenschaft in diesem Feld. Für den Betrieb eines solchen Services sowie für die Erstellung von Pollenvorhersagen ist die Interdisziplinarität sowohl Herausforderung als auch spannendes Moment. Es hat seine Gründe, warum Pollenvorhersagen oftmals von oder in Kooperation mit meteorologischen Institutionen erstellt werden. Das Wetter ist einer der wichtigsten Einflussfaktoren für den Pollen- und Sporenflug sowie für die Entwicklung der Pflanzen über das gesamte Jahr gesehen.

Ein weiterer Eckpfeiler ist die Phänologie, die Wissenschaft von periodischen Entwicklungserscheinungen in der Natur (Tieren wie Pflanzen). In unserem Fall die Entwicklung von Blüten und Blühständen von allergenen Pflanzen. Biolog:innen sind hier sehr gefragt, da ohne die doch zeitaufwändige Dokumentation, die Expertise erfordert, viele Phänomene des Pollenfluges nicht kommuniziert und erfasst werden könnten: sei es die Blüte einer allergenen Pflanze, die nicht ausreichend für Pollenflug sorgt, sei es die Unmöglichkeit einer genaueren Bestimmung von Pollenkörnern im Lichtmikroskop (Abb. 1).

Info

Die genaue Arbeitsweise des Pollenservice Wien der MedUni Wien findet man ausführlich erklärt im Leitfaden.

Dienstleistungen und Informationsaufbereitung

Auf der Webseite erscheinen auf der Startseite die wichtigsten aktuellen Vorhersagen und Informationen. Darunter eine Ampelgraphik namens „aktueller Pollenflug“ (Abb. 2). Diese zeigt die erwartete Intensität des Pollenfluges der wichtigsten aktuellen Vertreter in der Luft für die nächsten drei Tage an.

Die Vorhersage für die nächsten drei Tage, der „aktuelle Pollenflug“ als Ampelsystem
Abb. 2 Die Vorhersage für die nächsten drei Tage, der „aktuelle Pollenflug“ als Ampelsystem. Alle Texte stehen wie hier exemplarisch gezeigt in englischer Sprache zur Verfügung.

Es folgt die Text-Pollenvorhersage, die alles Wissenswerte zur aktuellen Situation und die nahe Zukunft zusammenfasst. Es wird leicht verständlich und möglichst kurz erklärt. Dabei hilft auch der „Pollenflug Steckbrief“, der die wichtigsten Eckpunkte (Stand der Saison, Trend, Zeitpunkt des Startes der Saison im Vergleich zum Durchschnitt) zu einem wichtigen Allergen zusammenfasst.

Den Abschluss bildet das „derzeitige Hauptallergen“, das detaillierte Informationen zum aktuell wichtigsten Allergen präsentiert, darunter die übliche Pollenflugzeit, wo es vorkommt, welche Arten (oder Gattungen) von Bedeutung sind und welche Kreuzreaktivität vorliegt.

Die Webseite ist lebendig gestaltet, das bedeutet, dass sie sich innerhalb der Saison beständig ändert und neben den drei bereits beschriebenen Elementen weitere Elemente bietet, wenn sie gerade benötigt werden. Das ist zum einen eine Infobox namens „aus aktuellem Anlass“ und zum anderen „Video Highlights“. Das Erstere bietet Informationen und Bilder, wenn Besonderheiten auftreten, um diese zu erläutern und ihnen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Das Letztere bindet Videos in die Webseite ein, um auch hier besser Wissen zu vermitteln. Die Videos werden später im „Video Archiv“ gespeichert, wo sie jederzeit aufgerufen werden können.

Neben der Hauptseite existieren Unterseiten, die dann weitere Informationen bieten.

Info

Die Unterseite „Pollenflugkalender“ (Abb. 3) zeigt die üblichen Blühzeiten der wichtigsten Aeroallergene in Wien. Es wurde Bedacht daraufgelegt, dass neue Allergene (wie der Götterbaum) und auch Nebenallergene (Eiche und Buche beispielsweise) vertreten sind. Zudem gibt es einen eigenen Kalender ausschließlich für Süßgräser (Poaceae), der die phänologisch erhobenen Blühzeiten der wichtigsten Vertreter aufzeigt. Eine wichtige Besonderheit in einem Land wie Österreich, in dem die Graspollenallergie die häufigste Pollenallergie ist.

Abb. 3 Ausschnitt aus einem der Pollenflugkalender. (Copyright: MedUni Wien/Pollenservice Wien, www.pollenservice.wien)

Neue Aufbereitung und Kommunikationsweise

Es war uns wichtig ein neues Kommunikationskonzept zu entwickeln und Verbesserungen vorzunehmen, die für uns nach mehr als zehn Jahren Arbeit in diesem Feld, auf der Hand lagen. Ein zentraler Punkt in der Kommunikation ist die Verständlichkeit. Wir setzen daher auf kurze und klare Sprache und verzichten auf Formulierungen, die nicht klar definiert sind. Zudem ist Wissenschaftlichkeit unser Fundament. Daher schreiben wir vom „Pollenflug“ und nicht von „Belastung“. Eine Belastung kommt durch unterschiedlichste Faktoren zustande und ist höchst individuell ausgeprägt.

Inhalte auch optisch erfassen zu können war ein weiteres Ziel. Dementsprechend setzen wir auf gutes Bildmaterial in Form von Fotos und Videos. Für Pollenallergiker:innen ist ein kurze Video über ein stäubendes Birkenkätzchen (Abb. 4) meist vielsagender als ein ganzer Absatz zum Beginn der Birkenblüte.

Abb. 4 Ausschnitt aus einem der Videos aus der Pollensaison 2024. Eine Pollenwolke entweicht aus den blühenden Birkenkätzchen auf Berührung (Copyright: Maximilian Bastl (Pollenservice Wien/MedUni Wien)

Wir haben wissenschaftliche Erkenntnisse als Grundlage zur Kommunikation verwendet. Die Vorhersage „aktueller Pollenflug“ für die nächsten Tage nutzt drei Stufen („kein/kaum Pollenflug“ in Grün, „Pollenflug“ in Gelb und „hoher Pollenflug“ in Rot; Abb. 2). Zum einen ist die Umsetzung barrierefrei, weil die Anzahl der Punkte erkannt wird auch bei Farbblindheit. Zum anderen wurde eine Ampel (grün, gelb und rot) als Vorbild genommen, um die erwartete Intensität des Pollenfluges abzubilden. Dieses leicht verständliche Konzept wurde schon recht lange in der wissenschaftlichen Literatur vorgeschlagen (Kiotseridis et al. 2013. Grass pollen allergy in children and adolescents – symptoms, health related quality of life and the value of pollen prognosis. Clinical and Translational Allergy 22(3):19. Doi: 10.1186/2045-7022-3-19; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23799882/).

Spannenderweise wurde unser neues Kommunikationskonzept und die Vorhersagestufen indirekt kürzlich durch klinische Daten einer Schweizer Studie als vorteilhaft bestätigt, da es weder einen Schwellwert (ab dem Symptome einsetzen) zu geben scheint und die Dosis-Wirkungs-Kurve sehr abgeschwächt ist (Luyten et al. 2024. Ambient pollen exposure and pollen allergy symptom severity in the EPOCHAL study. Allergy doi: 10.1111/all.16130; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38659216). Damit erscheint eine Einteilung wie früher üblich in Belastungsklassen mit niedrigen, mäßigen, hohen und sehr hohen Werten hinfällig. Eine simple Einteilung nach Ampelsystem wurde schon länger gefordert und kann als überlegen angesehen werden. Die Rückmeldungen aus der Pollensaison 2024 waren einstimmig positiv, daher werden wir bei diesem Konzept bleiben.

Social media spielt nun auch eine große Rolle: Neben der Webseite informieren wir als „Pollenpaar“ auch auf X, Bluesky Instagram und TikTok. Folgt uns, wenn ihr alles rund um Pollen erfahren möchtet.

Foto: Elisabeth Zeppetzauer, Psitamex

Im Oktober 2023 haben uns Elisabeth Zeppetzauer und Sarai Anaya Valera, Gründerinnen der Organisation Psitamex, bereits von ihrer Arbeit bei einem JOBTalk erzählt. Seitdem ist vieles passiert, das die Ausdauer und Hoffnung auf die Probe stellt und neue große Herausforderungen mit sich bringt. Im Gespräch mit Elisabeth Zeppetzauer erhiet die ABA ein Update über die aktuelle Situation von Psitamex.

Psitamex, eine österreichisch-mexikanische Initiative, steht für „Psitácidos mexicanos“, oder übersetzt „mexikanische Papageien“. Dieser in Mexiko eingetragene Verein wurde von zwei Biologinnen in Mexiko City gegründet: Sarai Anaya Valera and Elisabeth Zeppetzauer. Bereits davor haben sie in einem mexikanischen Auswilderungsprojekt für Papageien mitgearbeitet und dieses koordiniert. Zwei Jahre nach der ersten begleiteten, erfolreichen Auswilderung wurde schließlich der Verein Psitamex gegründet, dessen Ziel es ist, Papageien in Mexiko aus Käfighaltung zu rehabilitieren und in die Freiheit zu entlassen. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit ist auch die Öffentlichkeitsarbeit, denn viele Papageienarten sind vom Aussterben bedroht.

Foto: Psitamex


Artenschutz und Biodiversität – eine enge Vernetzung

Papageien können einerseits als “flagship species”, Flagschiffarten, als auch als “umbrella species”, bzw. Schirmarten, bezeichnet werden. Sie ziehen nicht nur viel Aufmerksamkeit auf sich, sondern sind auch ein wesentlicher Bestandteil des Ökosystems ihrer Heimat. Sie verteilen die Samen verschiedener Pflanzenarten und arbeiten (sozusagen) auch als „Gärtner“ in ihrer Umwelt, da sie Äste von Bäumen stutzen und so zur Lichtverfügbarkeit für Pflanzen beitragen. Das fördert die Diversität und trägt zur Bewaldung bei. Artenschutz und Biodiversität sind somit sehr eng verknüpft.

Als flagship species (Flagschiffart) bezeichnet man eine charismatische, populäre Art, die als Stellvertretung für Naturschutz-Anliegen dienen kann. Umbrella species (Schirmarten) hingegen sind für einen Lebensraum typische Arten, die ebenso zum Erhalt weiterer Arten dieses Lebensraumes beitragen.
Quelle: Wörterbuch der Ökologie


Ein weiterer Bestandteil dieses eng verbundenen Netzwerks ist die Einbindung der lokalen Bevölkerung. Bei Monitoring-Projekten, dem Anbringen von Nistkästen und durch Tourenangebote kann die Selbstwirksamkeit der Bevölkerung gefördert werden.

„Papageien können so auch eine Ressource für die Bevölkerung sein. Die Bevölkerung soll ins Handeln miteingebunden werden, damit auch die Zukunft für die Tiere und Menschen stabiler werden kann. Der Zusammenhang zwischen verschiedenen Feldern rückt immer mehr in den Mittelpunkt: Die Kooperation mit anderen Initiativen, die Kindererziehung oder die Sicherheit der lokalen Bevölkerung spielen alle zusammen.“, betont Elisabeth Zeppetzauer.



Über Elisabeth Zeppetzauer

Elisabeth Zeppetzauer hat in Salzburg Zoologie und Verhaltensforschung studiert und hat sich durch ihre Diplomarbeit näher mit Papageien beschäftigt. Dadurch ist sie in Kontakt mit der ARGE Papageienschutz gekommen, die es in Österreich seit 25 Jahren gibt. Im Jahr 2008 hat Elisabeth die Leitung der Schutzstation der ARGE Papageienschutz übernommen, die sich damals noch in Vösendorf bei Wien befand. In diesem Umfeld hat Elisabeth gelernt, dass ein Papagei durch richtige Haltung, ausreichend Stimulierung und genügend Enrichment wieder zum Wildtier werden kann. Und wenige Monate später war sie bereits in der Koordination eines Auswilderungsprojekts tätig.

Enrichment bzw. Environmental Enrichment soll das Umfeld von Tieren, speziell in Gefangenschaft, stimulierend gestalten, um mehr Abwechslung oder eine naturähnlichere Umgebung zu schaffen. Beispielsweise kann die Futtersuche fordernd gestaltet oder Exploration und Kognition gefördert werden. Einige Möglichkeiten umfassen Spielzeuge, verstecktes Futter oder Pflanzen im Gehege oder der Voliere.
Quelle: Smithsonians National Zoo & Conservation Biology Institute

 „Während meiner Tätigkeit bei der ARGE Papageienschutz ist der Gedanke in mir gewachsen, dass ich die Papageien gerne frei lassen möchte.“

Foto: Psitamex


Entwicklung der Vision

Seit vielen Jahren lag der Fokus für Psitamex bereits darauf, einen geeigneten eigenen Standort für die eine Auswilderungsstation in Mexiko zu finden. Dabei gab es bestimmte Kriterien zu beachten: gute Erreichbarkeit, die Nähe zu einem Naturschutzgebiet und Gebäude mit einer ökologischen Bauweise. Nach Jahren der Suche wurde der perfekte Standort in Chiapas ausfindig gemacht. Dieser umfasst 500 Hektar und befindet sich nahe der Grenze zu Guatemala in der Pufferzone eines Biosphärenreservats. Am Standort hätten sieben bis zehn wildlebende Papageienarten vorkommen sollen, gesichtet wurde von Psitamex tatsächlich aber nur eine, was das Problem des Artensterbens deutlich widerspiegelt. Der Plan war, dass Psitamex auf diese Weise zu einer schon bestehenden Öko-Gemeinschaft dazustößt. Doch das letzte Jahr offenbarte neue Hürden.

Ein Biosphärenreservat ist ein geschütztes, repräsentatives Ökosystem, dessen genetische Vielfalt vom Menschen unbeeinflusst bleiben soll.
Quelle: Wörterbuch der Ökologie


Herausforderungen in der Umsetzung

Der vergangene Aufenthalt in Mexiko 2024 hat Psitamex vor neue und unerwartete Herausforderungen gestellt, die Elisabeth Zeppetzauer uns folglich darlegt.

1) Waldbrände

Als Folge des Klimawandels werden Waldbrände auch nahe dem Standort für die geplante Auffangstation häufiger. Im April 2024 war das Geländer über fünf Wochen von einem Waldbrand betroffen. Für Elisabeth Zeppetzauer war das die erste Erfahrung mit einem Waldbrand. Da erste Strukturen am Grundstück bereits standen, kehrte Psitamex nach der ersten Flucht in das nächste Dorf anschließend wieder zurück, um die Ausbreitung und Neuentfachung des Brands zu verhindern. Mit Metallrechen und Schaufel legten sie fünf Wochen lang Brandschneisen an und bedeckten Baumstümpfe mit Erde, um die Ausbreitung des Feuers einzubremsen. Durch diesen intensiven Einsatz konnte Schlimmeres verhindert werden.

Aus dieser katastrophalen Situation konnten schließlich aber lehrreiche Schlüsse gezogen werden, die nun auch in die zukünftige Planung einfließen. So soll etwa ein Evakuierungsplan ausgearbeitet werden und auch Wasserauffangmöglichkeiten haben neue Priorität erhalten. Ein weiterer wichtiger Schritt, der zukünftig vor dem Rauch eines Waldbrandes bewahren kann, ist die Wiederherstellung und Aufforstung, da Bäume die Ausbreitung von Rauch einschränken. Diese weiteren Planungspunkte sollen zukünftig berücksichtigt werden. Denn Feuer hinterlässt nicht nur Verwüstung, sondern ist auch ein natürlicher Prozess, der Furchbarkeit und Wachstum fördert.

Die Waldbrände waren jedoch nur eine von mehreren Herausforderungen.

2) Soziale Herausforderungen

Sozial sehr tiefgreifende Probleme haben sich zum selben Zeitpunkt zugespitzt. Die soziale Unsicherheit ist laut Elisabeth Zeppetzauer schon längst sehr hoch. Sie nennt Beispiele, wie Repression durch die Regierung, Waffenschmuggel, Drogenkartelle, organisierter Widerstand der indigenen Bevölkerung und Abwanderung vieler Menschen als Folge. Als Resultat gibt es weniger Struktur, oftmals keine ausreichende, medizinische Hilfe und mangelnde Bildungsmöglichkeiten. Viele der Problemstellen befinden sich direkt vor Ort, da es sehr nahe zur Grenze an Guatemala liegt. Elisabeth erzählt von Migrationsbewegungen, die teilweise von Afrika und Asien über Mittelamerika über die Grenze in die USA gelangen wollen, und die organisierte Kriminalität anziehen können. Diese Situation hat sich vor allem in den vergangenen zwei Jahren zugespitzt, davor waren es friedliche Gemeinden. „Inzwischen ist Gewalt zum Alltag geworden“, beschreibt Elisabeth Zeppetzauer die Situation.

Aktuelle Wahlen hatten diesen Prozess angeheizt, da neue Regierungsposten besetzt werden mussten, was Mord, Entführungen und Korruption mit sich brachte. Elisabeth beschreibt, wie fünf bewaffnete Männer, während Psitamex vor dem Rauch des Waldbrandes flüchten musste, begonnen hatten, Einwohner:innen zu bedrohen und Geldforderungen zu stellen.

Die sozialen Herausforderungen sind eine Hürde für Psitamex und können auch potentielle Folgen, wie illegale Abholzung, mit sich bringen. 

Im Moment gibt es nur Gerüchte darüber, was vor Ort geschieht und wann es endet, ist unvorhersehbar. Wann Psitamex den Aufbau der Auffangstation abschließen können ist somit auch nicht klar. Eine Hoffnung ist der bestehende Rechtsanspruch auf das Land, da ein kleiner Teil davon von Psitamex bereits offiziell über einen Notar erworben wurde. Da es ein Biosphärenreservat ist, kann es bei der UNESCO eingeklagt werden.

3) Hitzewelle

Eine weitere Herausforderung, die Elisabeth schildert, war eine von mehreren Hitzewellen im letzten Jahr, die Temperaturen bis über 45°C zur Folge hatte. Sie erzählt von Tieren, die kollabierten und von den Bäumen fielen. Nicht alle Tiere seien dabei sofort gestorben, aber die wenigsten Menschen wussten damit umzugehen. Die Ursache könne zwar nicht bekämpft werden, aber Schadensbegrenzung sei möglich, wenn Menschen informiert werden. Deshalb erstellt Psitamex Infografiken und teilt die Information in sozialen Netzwerken, wie man mit verletzten Tieren umgehen kann. Mit dem Aufstellen von Wassertränken kann zumindest vereinzelt Tieren geholfen werden.

Was bringt die Zukunft?

Der letzte Mexikoaufenthalt zeichnete ein ernüchterndes Bild. Dennoch denkt Elisabeth Zeppetzauer auch an die Zukunft und will versuchen, aus den Umständen lehrreiche Schlüsse zu ziehen. Mit Drohnen sei es etwa möglich, genau zu analysieren, welche Bereiche vom Feuer betroffen sind. Um mit potentiell auftretenden Waldbränden künftig besser umgehen zu können, will Elisabeth Pläne für Wasserrückhaltemöglichkeiten schaffen. 

Die Aktivitäten von Psitamex stehen keineswegs still. So wird durch Kooperationen mit anderen Vereinen weiter am Schutz der Papageien gearbeitet. Bis die eigenen Aktivitäten wieder fortgesetzt werden können, hat die Unterstützung durch mediale Aufmerksamkeit, Information der Öffentlichkeit und Spenden anderer Organisationen Priorität. Elisabeth will auch länderübergreifend arbeiten und steuert Kooperationen mit anderen Organisationen an. Ein grundlegender Ansatz, um eine stabile Basis für den Erhalt und Wiedereinführung heimischer Arten zu schaffen ist auch die Wiederherstellung von Ökosystemen.

„Mein Fokus liegt darauf, zurück zum Anfang zu gehen und möglichst viele Papageien freizulassen, weil es für die Vögel und das Ökosystem wichtig ist und in weiterer Folge auch für den Menschen. Es ist emotional befreiend und beglückend, diese Tiere durch den Prozess zu begleiten.“

Foto: Psitamex


Vernetzung schafft Hoffnung

Für Psitamex ist es wichtig, den Blick nach vorne nicht zu verlieren. Elisabeth Zeppetzauer will auch dazu ermutigen, die Aufmerksamkeit auch auf positive Veränderungen zu richten und diese auch zu feiern.

Vernetzung mit anderen Initiativen, Vereinen und Einzelpersonen ist für sie von großer Bedeutung. Allen, die sich gerne selbst engagieren wollen, empfiehlt sie ebenfalls, Kontakt zu Personen und Organisationen herzustellen, die sich für Umwelt-, Natur- und Artenschutz einsetzen. Nicht jeder müsse dabei den gleichen Anhaltspunkt haben -für Elisabeth Zeppetzauer sind es die Papageien.

Weitere Informationen

Die Organisation Psitamex finanziert sich unter anderem über Spenden. Wer weitere Informationen über Psitamex oder Unterstützungsmöglichkeiten erhalten möchte, kann sich auf ihrer Webseite informieren oder direkt mit Psitamex in Kontakt treten.Weitere Informationen: https://psitamex.org/

Foto: Psitamex

Klein, einflussreich und geprägt von unvorstellbarer Vielfalt in Artenzahl und Lebensweisen – das macht die oft unauffällig scheinenden Ameisen aus. In Magdalena Sorgers Buch bekommen wir einen Einblick in das Leben dieser oft unterschätzten Mitbewohner unseres Planeten. Sie erzählt von ihrem ursprünglich wirtschaftlichen Werdegang und teilt, wie ihre Leidenschaft für Ameisen entfacht wurde und seither gewachsen ist. Mithilfe unterschiedlichster Beispiele aus der Welt der Ameisen erzählt sie ihre Geschichte.

Begonnen hat Magdalena Sorger also Wirtschaftsstudentin in Wien, aber bei einem Biologiekurs während eines Auslandssemesters in Illinois hat sich alles geändert. Dort konnte sie die beeindruckende Fluchtstrategie der Baurs Schnappkieferameise beobachten, die sich mit einer blitzschnellen Mandibelbewegung rückwärts katapultieren kann. Mit einer Kamera tourte sie anschließend weiter durch die USA auf Insektenjagd. Zurück in Wien erweiterte sie ihre wissenschaftlichen Kenntnisse im Naturwissenschaftlichen Museum. Während einer Exkursion nach Guatemala entdeckte sie schließlich ihre erste Schnappkieferameise selbst. Von diesem Moment an kannte sie ihren weiteren Weg.

„Es war ein bisschen wie der Moment, in dem man sich verliebt.“

Die „normale“ Ameise gibt es nicht

Ameisen zählen zu den erfolgreichsten Organismen dieser Erde. Diese eusozialen Insekten werden auch mit einem Superorganismus verglichen, ähnlich dem menschlichen Körper. Unter den Insekten haben Ameisen das größte Gehirn. Sie leben in einem Matriarchat mit strukturierter Aufgabenverteilung.

Für die Kommunikation untereinander ist der Geruchsinn bei Ameisen sehr wichtig. Sie haben ihr eigenes Duftprofil und nutzen Gerüche um sich zu Orientieren und anderen den Weg zu Nahrungsquellen oder neuen Neststandorten zu weisen. Dabei gibt es sogar regelrechte demokratische Abstimmungen, wo ein neuer Bau entstehen sollen, wie beispielsweise bei der Bucklige-Querfleck-Schmalbrustameise.

Ihr Speiseplan ist ebenso vielseitig wie ihre morphologische Vielfalt und ihre Lebensweisen so unterschiedlich wie die Anzahl der Arten. Unter ihnen gibt es Jäger, Hobbygärtner und sogar Landwirte, die Pflanzenläuse halten oder wie die bekannte Blattschneiderameise ihren eigenen Pilz züchten. Koloniegrößen unterscheiden sich ebenso stark zwischen den Arten und können wie bei der Glänzendschwarzen Holzameise bis zu zwei Millionen Individuen umfassen. Ameisenbauten können wahre Kunstwerke sein und mehrere Meter in die Tiefe reichen.

Schon mal von Ameisenmimikry gehört? Der Begriff bezeichnet Ähnlichkeit von Insekten oder Spinnen mit den Ameisen. Die Springspinne etwa „ahmt“ die Ameisen täuschend echt nach. Erst bei genauerer Beobachtung fällt der Unterschied auf.

Sind Ameisen wichtig?

Ameisen sind fast überall auf unserem Planeten vertreten. Sogar für unwirtliche Lebensräume in höheren Lagen, bei kalten Temperaturen oder in sandigem Terrain gibt es Anpassungen. Bei dieser enormen Verbreitung und Vielfalt ist auch eine Auswirkung auf Ökosysteme zu erwarten. Einige Arten leben in Symbiose mit anderen Organismen, von der beide Parteien voneinander profitieren. Die Tauchameise zum Beispiel lebt in Symbiose mit einer fleischfressenden Kannenpflanze. Sie klaut sich einen Teil der Nahrung und hält dafür den Eingang sauber, damit die Falle effektiv bleibt.

Nicht umsonst wird die Ameise gerne als „Polizei des Waldes“ bezeichnet. Sie hilft einerseits beim Entfernen von Kadavern, bejagt aber auch aktiv Insekten, die für uns Menschen als Schädlinge gelten. Sie tragen zudem auch zur Bodenauflockerung bei und transportieren Nährstoffe an verschiedene Orte. Wohlgemerkt, nicht nur Bienen tragen zum Bestäuben von Pflanzen bei sondern auch eine Reihe anderer Insekten– wie etwa die Ameisen. Unter anderem gehören zu den auch durch Ameisen bestäubten Pflanzen auch die Kakaopflanze, deren Produkte wir so gerne naschen.

Und Ameisen produzieren auch Ölsäure, die in verschiedenen menschlichen Bereichen Anwendung findet: Beispielsweise in der chemischen Forschung, in der Medizin oder in der Erforschung von umweltfreundlichen Pestiziden.

Es kann aber auch zu negativen, ökologischen Auswirkungen kommen, wenn Arten invasiv werden. Die Argentinische Ameise und Rote Feuerameise verdrängen zum Beispiel andere Arten und heimische Arten, was zu unterschiedlichen Auswirkungen führt.

Zur Autorin

Die Evolutionsökologin und Ameisenforscherin Magdalena Sorger hat eigentlich BWL studiert, aber während eines Aufenthalts an der University of Illinois wurde ihre Begeisterung für Ameisen bei einem Biologiekurs entfacht. Zurück in Wien wurde sie Teil der Forschungsgemeinschaft des Naturhistorischen Museums und lernte dort das Sammeln, Präparieren und Bestimmen von Ameisen. Ihr Doktorat schloss sie im Bereich Zoologie an der North Carolina State University ab. Als Wissenschaftsvermittlerin bringt sie Menschen die Welt der Ameisen näher.

Wenn Leidenschaft abfärbt

Um über die Vielfalt an Ameisen, Lebensweisen und Strategien staunen zu können, sind keine entomologischen Vorkenntnisse notwendig. Auf verständliche und visuell ansprechende Weise wird den Leser:innen im Buch näher gebracht, was eine Ameise ausmacht und woran man sie bestimmen kann.

All jene, die sich, wie ich, bisher noch wenig mit dieser Insektengruppe befasst haben, können aus diesem ausgewählten Repertoire an Ameisenkenntnis viel Neues lernen. Bei zukünftigen Spaziergängen wird mein Blick viel öfter nach unten gerichtet sein, um zu sehen, welche kleinen Lebewesen sonst noch unterwegs sind.

Magdalena Sorgers Buch kann ich allen Menschen empfehlen, die Interesse an Diversität haben und ihren Blick in eine verborgene Welt erweitern wollen.


„Meine Ameisenliebe hat mich gelehrt, dass Dinge, die auch vollster Überzeugung und mit Leidenschaft getan werden, sich oft nicht wie Arbeit anfühlen. (…) Vielleicht wären wir ja produktiver und womöglich auch gesünder und glücklicher, wenn alle die Möglichkeit hätten, die Tätigkeit auszuüben, die sie mit Freude und Leidenschaft tun.“


Magdalena Sorger

Brandstätter Verlag

192 Seiten

25 EUR

>> Zum Buch


Für Interessierte:

Workshops & Fachvorträge

Foto: https://meeresschule-pula.com/#top

Unseren ersten JOBTalk im Wintersemester 2024 hat Mag. Gerwin Gretschel aus Graz eingeleitet. Im online Gespräch zeigte Gerwin den rund 20 Teilnehmer:innen seine Leidenschaft für Meeresbiologie und Naturpädagogik. Anschließend gab es wie immer die Gelegenheit, miteinander in Kontakt zu treten, was zu einem besonders interaktivem Zusammentreffen junger Biolog:innen und interessierten Menschen führte.

In den JOBTalks der Austrian Biologist Association geht es darum, vor allem Studierenden und jungen Biolog:innen zukünftige Karrieremöglichkeiten aufzuzeigen und Vernetzung zu ermöglichen. Dabei lernen sie Biolog:innen in verschiedenen Berufen und mit unterschiedlichsten Schwerpunkten während eines Interviews kennen und können auch selbst Fragen stellen.


Mag. Gerwin Gretschel gründete 2000 die Meeresschule in Pula, die sich besonders an Schulklassen wendet. Damit soll die Begeisterung für die Natur an andere geweckt und das Bewusstsein für die Umwelt, mit dem Meer als Schwerpunkt, langfristig gestärkt werden. Gerwin, der selbst seit seiner Kindheit diese Begeisterung in sich trägt, vermittelt mittels Naturpädagogik den ökologischen Wert dieser Ökosysteme.

Da er die Degradierung der Lebensräume selbst beobachten konnte, möchte er vor der Öffentlichkeit nicht schweigen. Er spricht in diesem Sinne auch die wissenschaftliche Arbeit an, deren Potential in diesem Bereich noch weitaus nicht ausgeschöpft ist.

Der Weg zum leidenschaftlichen Meeresbiologen war auch für Gerwin nicht linear, wie er uns im Dialog erklärt. In seinem Fall war es notwendig, sich einen eigenen Job zu gestalten. Der zeitliche Aufwand und auch der finanzieller Selbsterhalt stellen oft auch Hindernisse und Herausforderungen in den Weg. Sehr ausdrücklich ging Gerwin auch darauf ein, wie wichtig es ist, den Bereich zu finden, für den man Begeisterung aufbringen kann. Diese ist auch wichtig, um Hindernisse und Rückschläge zu überwinden.

Publikumsdialog:


Was hat dir geholfen, um eine Entscheidung für eine wissenschaftliche Karriere oder für eine biologische Karriere ohne Ph.D. zu treffen?

Gerwin: Das weiß man oft erst im Nachhinein. Für mich habe ich die passende Karriere ohne Ph.D. gefunden, da ich so die Nähe zur Natur viel mehr ausleben kann. Ich bereue es nicht!

Haben wir als Biologen den Bildungsauftrag an die Bevölkerung, um auf die Lebensraum Degradierung hinzuweisen?

Gerwin: Ja, wir haben die Ausbildung und das Wissen. Deshalb gehört es auch zu unseren Aufgaben, dieses zu vermitteln und die Begeisterung für Natur und Umwelt zu teilen. Jeder Schritt zur Verbesserung ist wichtig und wir spielen als Biolog:innen dabei eine wichtige Rolle.

Welche Möglichkeiten gibt es für Praktika bei Ihnen?

Gerwin: Wir bieten immer wieder Praktika an für junge, engagierte Leute, die selbst nach Erfahrung im Bereich Meeresbiologie suchen. Dabei können wir eine gratis Unterkunft anbieten und die Möglichkeit auf einen Tauchkurs. Bei Interesse ist es am besten, direkt den Kontakt aufzunehmen. Die Informationen dazu gibt es auch der Homepage der Meeresschule.


Foto: Gerwin Gretschel


Mit der Herausforderung, den passenden, beruflichen Weg zu wählen und die Begeisterung dafür zu behalten, können sich sicherlich viele identifizieren. Umso inspirierender ist die Tatsache, dass es mit Ausdauer und gelegentlichen Fehlschlägen möglich ist, die eigenen Ziele zu erreichen. Die Zeit, die es dafür braucht, unterscheidet sich dabei möglicher Weise individuell, aber die gewonnenen Erfahrungen sind umso wertvoller.

Wir freuen uns über das spannende Gespräch und die besonders interaktive Teilnahme am aktuellen Jobtalk. Im Namen der Austrian Biologist Association bedanken wir uns bei Mag. Gerwin Gretschel für seinen inspirierenden und zuversichtlichen Zugang zur Natur und Meeresbiologie!

Informationen über Praktika findest Du hier:

https://meeresschule-pula.com/aktivitaeten/praktikum-an-der-meeresschule/

Termine und Infos über zukünftige JOBTalks findest Du hier:

https://www.austrianbiologist.at/aba/jobtalk/

Foto: Stefan Schneeweihs; ein wieder angebundener Seitenarm der Donau mit natürlichen Strukturen wie Totholz, Kiesbänken uns steilen Uferanrissen

Im Nationalpark Donau-Auen treffen wir auf die charakteristische, dynamische Flusslandschaft, deren Erhaltungszustand dort noch natürlich bis naturnahe ist. In Österreich ist der natürliche Erhaltungszustand von Flussökosystemen aufgrund von intensiven Flussregulierungen in der Vergangenheit, selten geworden. In den vergangenen Jahrzehnten haben flussbauliche Maßnahmen zur Revitalisierung und Renaturierung zugenommen. Besonders in den Donau-Auen finden aktuelle Projekte zur Sohlstabilisierung, Gewässervernetzung und Uferrückbaumaßnahmen statt, die dem Verlust bestimmter Lebensräume und Lebensgemeinschaften entgegenwirken. Im Nationalpark kann man den Erfolg dieser Maßnahmen in natura beobachten.

Über Renaturierungsprojekte an der Donau hat das bioskop mit Mag. Stefan Schneeweihs, aus dem Team der Nationalpark Verwaltung, gesprochen. Mag. Schneeweihs gibt uns einen Einblick in aktuelle Projekte und die Auswirkungen, die flussbauliche Renaturierungsmaßnahmen haben können.

Im Nationalpark Donau-Auen ist unser Gesprächspartner in alle aktuellen, wasserbaulichen Projekte involviert. Die Projekte werden von verschiedenen Organisationen gemeinsam getragen. Allen voran die viadonau, aber auch der WWF und auch Universitäten können daran beteiligt sein. In jedem Fall gehört zur Planung und Ausführung ein ganzes Team.

Mag. Stefan Schneeweihs

Als Bestandteil des Teams der Nationalparkverwaltung des Nationalpark Donau-Auen, ist Mag. Stefan Schneeweihs sowohl ausgebildeter Park-Ranger, als auch für die wasserbaulichen Projekte des Nationalparks zuständig.

Gibt es ein Projekt, das dir persönlich am meisten am Herzen liegt?

Alles Projekte liegen mir sehr am Herzen, weil jedes für sich ein wichtiger Schritt ist, um das Ziel des Nationalparks zu erfüllen, das der Gesamtheit der Lebensraumtypen und Lebensgemeinschaften Platz bieten soll. Jedes der Projekte erfüllt mich mit Vorfreude auf die Umsetzung. Auch die Entwicklung währenddessen und die Erfolge zu sehen, bereitet mir Freude.

War das auch schon früher dein Ziel?

Das hat sich erst ergeben. Als Biologiestudent kam ich erst bei meiner Abschlussarbeit in Kontakt mit den Donauauen und habe meine Felderhebungen im Nationalpark getätigt. Diese standen auch thematisch im Zusammenhang mit den Flussrenaturierungen. Erst ein paar Jahre später wurde wieder für die Betreuung solcher Projekte jemand gesucht und dabei hat sich meine Beschäftigung im Nationalpark ergeben. Diese Gelegenheit hat damals meine Begeisterung entfacht.

Ziele des Nationalparks

Grundsätzliches Ziel des Nationalparks ist es, ausreichend Platz und Lebensräume für die typischen Vegetationsstadien und die damit zusammenhängende, typische Tierwelt bereitzustellen. Das gesamte Flusssystem hängt in seiner ursprünglichen Form von der hohen Flussdynamik ab. Ein unregulierter Fluss stellt immer wieder einen ursprünglichen Zustand her – das kann eine Schotterbank sein oder ein unbewachsener sandiger oder lehmiger Bereich. Auf diesen ursprünglichen Bereichen kann sich der neue Vegetationszyklus wieder entwickeln.

Im Zentrum steht also der wiederkehrende Neubeginn der Auenlandschaft und die natürlichen Prozesse, die wieder in Gang gebracht werden sollen. Prozessschutz ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Begriff.

Der Prozessschutz hat zum Ziel „Funktionen und Prozesse in Lebensgemeinschaften und Ökosystemen unter möglichst natürlichen Bedingungen sicherzustellen“ (Schaefer, 2012). Das beinhaltet auch die natürliche Sukzession von Lebensräumen.

Quelle: Wörterbuch der Ökologie

Zu diesen natürlichen und unvermeidbaren Prozessen gehören auch Hochwasserereignisse unterschiedlicher Stärke. Ein großer Retentionsraum kann die Folgen eines Hochwassers für den Menschen etwas eingrenzen, indem das Wasser dort zurückgehalten wird. Eine natürliche oder wiederhergestellte Auen Landschaft kann diesen Retentionsraum mit ihren unbesiedelten, weitläufigen Flächen bieten.

Als Retentionsraum oder auch Rückhalteraum wird ein Gebiet bezeichnet, „in dem zeitweilig ein Wasser- oder Stoffrückhalt durch natürliche Gegebenheiten oder künstliche Baumaßnahmen erfolgen kann.“

Quellen:
https://www.spektrum.de/lexikon/geographie/retentionsraum/6681
https://www.donauauen.at/wissen/natur-wissenschaft/die-donau/die-au-nach-dem-hochwasser

Für das Leben in der Au ist das Hochwasser sogar wichtig, da bestimmte Lebensraumtypen nur auf diese Weise wieder erneuert werden können. Viel Vielfalt in der Au ist so auch vom Hochwasser abhängig. Damit diesem Prozess auch der notwendige Raum geboten werden kann, hat die Renaturierung des Lebensraumes und seiner Strukturen große Bedeutung.

Phasen flussbaulicher Projekte

1) Finanzierung: Damit ein Gewässerabschnitt revitalisiert werden kann, ist Finanzierung eines Projekts notwendig, wofür ein Projektantrag verfasst werden muss.

2) Planung: Wenn die Finanzierung sichergestellt ist, findet die Planungsphase statt, in der sich das Team mit der technischen Planung befasst. Diese ist meist ein sehr intensiver Teil eines Projekts und beinhaltet auch die Einbeziehung von externen, technischen Büros. Regelmäßige Abstimmungssitzungen, um gemeinsam zu einem Konsens zu kommen, finden im Zuge dessen statt.

3) Bewilligung: Wenn die Abstimmungen zu einem Ende kommen, wird das Projekt in der nächsten Phase den zuständigen Behörden zur Bewilligung vorgelegt. Ist diese schließlich geregelt, beginnt die Bauphase.

4) Bau: Dazu sucht man eine passende Baufirma, worauf die Umsetzung folgt. Jede Phase bestellt demnach aus unterschiedlichen Aktivitäten.

Stefan Schneeweihs hält besonders die Planungsphase für sehr spannend, weil die Projekte dabei konkret Form annehmen. „Es sind grundsätzlich ökologische Projekte, die zur Verbesserung der naturräumlichen Situation beitragen sollen, müssen aber immer mit Kompromissen mit anderen Nutzungsformen und Gegebenheiten im Gebiet konstruiert werden.“ Kompromisse, die getroffen werden müssen, involvieren vor allem Schifffahrt und Hochwasserschutz.

Die größte, renaturierte Fläche im Bereich der Donau

Im Großraum Hainburg befindet sich der größte zusammenhängende Bereich, in dem Renaturierungsprojekte stattgefunden haben. Interessant ist das vor allem, weil genau dort ursprünglich das Kraftwerk geplant gewesen war. Anstelle des Kraftwerks gibt es dort einen längeren Flussabschnitt, an dem nun bereits das vierte Renaturierungsprojekt mit Uferrückbaumaßnahmen und Gewässervernetzungen stattfindet. Das umfasst auch die Anpassung der Niederwasserregulierung mit dem Umbau von Buhnen.

Die Dauer von flussbaulichen Projekten

Es dauert immer mehrere Jahre von der ersten Konzeptphase bis zum Ende der Umsetzung. Da die Nationalpark Verwaltung und die Partnerorganisationen schon viel Routine haben, dauert die Planungsphase meist um ein Jahr. Die anschließende Bewilligungsphase dauert meist um ein halbes Jahr. Die Bauphase hängt stark von der Projektgröße ab, oftmals sind das ein bis zwei Saisonen. Addiert kann ein solches Rückbauprojekt eine zeitliche Dimension von fünf Jahren haben.

Aktuelle Projekte im Nationalpark Donau-Auen befinden sich in ganz unterschiedlichen Phasen, wobei die technischen Planungen für einige Projekte weitgehend abgeschlossen sind. Beispielsweise betrifft das Uferrückbauprojekte an der Donau, an der das Ufer revitalisiert wird. Mit einem Gewässervernetzungsprojekt ist Stefan Schneeweihs zum Zeitpunkt des Gesprächs im April 2024 sehr beschäftigt. Ein weiteres Projekt, weiter stromabwärts von Hainburg, befindet sich bereits in der Bauumsetzungsphase.

Initiative und Partner

Bei den diversen Projekten ist es genauso unterschiedlich, wer den ersten Schritt für ein Renaturierungsprojekt setzt. Es sind in jedem Fall mehrere Institutionen beteiligt. Enge Zusammenarbeit gibt es allem voran mit der viadonau, die auch in vielen Fällen der Auftraggeber der Bauaufträge ist. Die viadonau besitzt viel Erfahrung und Know-how in der Abwicklung der Aufträge. Die Entwicklung von Projektideen und deren Entwicklung geschieht gemeinsam. Die viadonau ist eine größere Organisation und auch sogenannter Konsenswerber für ein Projekt, der bei den zuständigen Behörden um Bewilligung ansucht.

Im Nationalpark hat man im Gegenzug vertiefte Gebietskenntnis, was den Zustand von Uferstreifen und Gewässer betrifft, sowie die Zugänglichkeit eines bestimmten Gebiets. Es gibt noch Bereiche mit Infrastruktur und menschlicher Nutzung, an denen es nicht einfach ist, einen Uferabschnitt oder Seitenarm zur Verfügung zu stellen.  

Neben der viadonau ist aber auch der WWF ein regelmäßiger Partner, da dieser Grundeigentümer im Nationalpark ist. Sind Maßnahmen auf dessen Eigentum geplant, ist der WWF ein bedeutender Abstimmungspartner im Planungsprozess.

Ökologisches Gesamtbild und Wiederherstellung von Lebensräumen

Wie bereits erwähnt wurde, stellt ein natürlicher Fluss immer wieder einen ursprünglichen Zustand her. Die natürliche Sukzession beginnt in den neu geschaffenen offenen Bereichen bei den ersten krautigen Pionieren, über eine junge Weichholzau zur älteren Weichholzau, bis zur Entwicklung einer Hartholzau. Durch den Fluss kann diese Entwicklung immer wieder von verschiedenen Stadien aus zurückgesetzt werden auf ein jüngeres Stadium. Das geschieht durch Hochwasser, bei dem Kies, oder Feinsediment angelandet oder weggespült werden. Das ist auch notwendig, denn der Weichholzauwald kann sich nicht mehr selbst erhalten und verjüngen. Dank der Dynamik des Flusses kann dieser Lebensraumtyp wieder neu entstehen.

Die Sukzession beschreibt die zeitliche Veränderung von Artengemeinschaften, die einander ablösen. Im Sinne der Sukzession kann zwischen Weichholzau und Hartholzau als verschiedene Zonen in einer Au unterschieden werden. Vertreter einer Weichholzau, wie beispielsweise Weiden, besiedeln schnell tiefer gelegene, neu entstandene Standorte. Im Gegensatz dazu siedeln sich Gesellschaften einer Hartholzau in den stabieleren Bereichen an. Das sind meist sehr artenreiche Standorte, die weiter entfernt vom Fließgewässer liegen. Unterschiedliche Arten spiegeln dabei die Überschwemmungshäufigkeit wider.

Quellen:
Auen in Österreich (pp 31-34)
Wörterbuch der Ökologie

Dieser Prozess der Verjüngung wird durch die Flussregulierung unterbunden. Stattdessen wird der Wald immer älter und die Sukzession schreitet immer weiter voran. Als Folge verliert die Au ihren typischen Auencharakter. Genau dort setzen Renaturierungsprojekte an, die versuchen, künstliche Barrieren zu entfernen. Dadurch kann der Fluss wieder in das System eingreifen, kann diese charakteristische Störung einbringen, die für diesen Standort typisch ist.

Foto: Stefan Schneeweihs; zeigt ein revitalisiertes Ufer gegenüber von Hainburg

Arten im Fokus

Es geht bei der Renaturierung nicht um einzelnen Artenschutz, sondern viel mehr um die Gesamtheit an Lebensräumen in einem Gebiet. Besonders Pioniergesellschaften in der Pflanzenwelt spielen dabei eine Rolle. Auf die anfänglichen krautigen Pflanzen folgen, wie oben erwähnt, Strauchweiden und anschließend die Weichholzau. Dabei kann man bestimmte Arten hervorheben, die beispielsweise die Schwarzpappel (Populus nigra), die zu den bedrohten Bäumen in Europa gehört. Sie ist ein typischer Bewohner dynamischer Flusslandschaften und hat durch die Flussregulierung ihren Lebensraum verloren. In einem dichten, dunklen Wald kann sie nicht keimen und ist nicht überlebensfähig. Die Schwarzpappel braucht die störungsintensive Flusslandschaft, besonders die Schotterbänke, die durch Hochwasser oder Erosion entstehen können. In wiederhergestellten Bereichen findet eine Verjüngung der Schwarzpappel statt.

Pionier- oder auch Initialgesellschaften genannt, treten an dynamischen Standorten, die neu entstehen können, auf. Sie sind geprägt von Arten, die einen Lebensraum als erstes besiedeln. In einer Auenlandschaft ist es vom Fließgewässer abhängig, wo solche offenen Lebensräume entstehen können. Diese Standorte sind keineswegs stabil, da sie von der Fließgewässer Dynamik ständig gestört werden.

Quelle: Auen in Österreich (pp. 17-23)

„Dem Lebensraum folgen seine Bewohner,“ wie Stefan Schneeweihs erklärt, nicht nur Pflanzen, sondern auch Tiere. Typische Arten sind manchmal nicht plakativ und bekannt, aber dennoch wichtig. Das betrifft unter anderem viele wirbellose Tiere, wie Insekten und Spinnen. Wo wir es wenig erwarten, wie auf einer unbewachsenen Schotterbank, bevölkern diese Tiere ihren Lebensraum zahlreich. Wir sehen sie nicht oft, da sie in den Lücken zwischen Steinen leben. Oftmals sind sie so klein und versteckt, dass man sie selten zu Gesicht bekommt.

Am Ufer

Typisch sind bestimmte Laufkäfergemeinschaften oder Kurzflügelkäfer, deren Artenreichtum eine vielseitige Ernährung einnehmen kann. Manche leben räuberisch, andere wiederum ernähren sich von angeschwemmtem Material. Die Flussuferwolfspinne (Arctosa cinerea) jagt in diesen Lebensräumen. Diese Arten sind alle spezialisiert und typisch für offene Lebensräume, aber auch selten und gefährdet, da ihr natürlicher Lebensraum an unregulierten Flüssen ebenso selten geworden ist. Ersatzstandorte sind oft Schottergruben, wo sie ähnliche Bedingungen finden können. „Für solche Artengruppen wollen wir durch Renaturierungsprojekte Platz schaffen“, betont Schneeweihs.

Es gibt auch Vogelarten, die explizit auf bloßem Schotter brüten. Dazu zählt der Flussregenpfeifer (Charadrius dubius), der nicht einmal ein Nest baut, sondern seine Eier nur zwischen die Steine legt. Diese sind so gut auf die Umgebung abgestimmt, dass sie kaum zu erkennen sind. An renaturierten Uferabschnitten kommt der geeignete Lebensraum für diese Vogelart deutlich häufiger vor als in regulierten Abschnitten. Der Flussuferläufer (Actitis hypoleucos), bevorzugt bereits Standorte, an denen die erste krautige Vegetation und kleine holzige Büsche bereits aufkommen. Er hält sich also etwas weiter entfernt von den vollkommen dynamischen Standorten am Wasser auf, sondern braucht eine Übergangssituation. An befestigten Steilufern fühlen sich diese Arten nicht wohl. Flache Schotterbereiche sind nicht die einzigen Lebensräume, die in naturnahen und renaturierten Gebieten auftreten. Auch steile Sedimentufer, in die der Fluss sich hinein gräbt, können entstehen. Dort kann der Eisvogel (Alcedo atthis) und der Bienenfresser (Merops apiaster) ihre Bruthöhlen anlegen

Unter Wasser

In Uferbereichen, in der Flusssohle und im Kies gehören eine unvorstellbare Vielzahl an wirbellosen Tieren zu den Arten, die von Renaturierung profitieren. „Auch diese entziehen sich oft unserer Wahrnehmung, tragen aber wichtige Funktionen im Ökosystem und erbringen für uns auch wichtige Leistungen.“ Dazu gehören wichtige Reinigungsleistungen. Der Kies unter Wasser ist bewohnt von Lebewesen, die permanent das Wasser filtern und damit auch reinigen. Das ist eine wichtige Vorreinigung, da das Wasser später in das Grundwasser ausfiltriert und uns letztendlich auch als Trinkwasser zur Verfügung steht. All diese Funktionen sind in regulierten Flusssystemen eingeschränkt. Dort sind die Flüsse meist eingeengt, was weniger Lebensraum zur Folge hat, die Ufer sind außerdem mit Blocksteinen befestigt, an denen keine Bewegung mehr stattfindet. Das feine Material verklebt sogar die Poren und macht es Tierarten schwer, das Umfeld gleichermaßen zu besiedeln. Es geht sowohl Fläche als auch Volumen verloren und damit auch die für uns positive Wirkungen.

Bekanntere Arten, die durch Renaturierungsprojekte geschützt werden, umfassen unter anderem strömungsliebende Fischarten, die am Beginn der Fortpflanzung und in jungen Entwicklungsstadien auf seichte Schotterbänke angewiesen sind. Diese müssen auch ausreichend gut angeschwemmt sein, damit die Sauerstoffversorgung ausreicht. In Bereichen mit geringerer Strömung können diese Arten ablaichen. Auch die winzigen Larven können sich in starker Strömung nicht behaupten und sind damit auch abhängig von seichten Bereichen und geschützten Buchten, in denen sie von älteren Verwandten nicht gefressen werden können. Wenn sie größer werden, haben sie wiederum andere Ansprüche, was zeigt, dass eine Vielfalt an verschiedenen Lebensräumen für die Entwicklung dieser Arten notwendig ist. Das können nur natürliche Ufer mit ihrem Strukturreichtum bieten. Nur so können die Populationen langfristig stabil bleiben.

Als Beispiel fällt die Nase, Chondrostoma nasus, in diese Kategorie von Arten. Diese war zu früheren Zeiten ein Fisch, der in Massen auftrat. Mittlerweile kommt sie viel weniger zahlreich vor. Die Barbe, Barbus barbus, ist ein weiteres Beispiel für eine typische Fischart in gut durchströmten Kiesbereichen. Der Huchen, Hucho hucho, als bekannte Fischart, braucht ähnliche Verhältnisse. Das sind Zielarten, die in der Außenwahrnehmung erfolgreicher sind und die von solchen Renaturierungsprojekten profitieren können. Weiters gibt es noch eine Gruppe von Barschartigen, wie Schrätzer, Gymnocephalus schraetser, die eher bodengebunden sind, aber auch typisch für gut durchströmte Bereiche. Im Gegensatz dazu stehen Altarme, die weiter abseits der Donau liegen, an denen kaum Strömung vorhanden ist. So bleibt mehr feines Material am Boden liegen, wodurch es schlammiger wird. Dort fühlen sich wiederum andere Arten wohl.

Ökologische Bauaufsicht

Ein weiterer Zuständigkeitsbereich von Stefan Schneeweihs ist es, als ökologische Bauaufsicht bei anfallenden Bauarbeiten zu wirken. Im weiteren Verlauf geht er auch darauf ein, was die Aufgaben einer ökologischen Bauaufsicht sind. Nicht nur die Aufsicht vor Ort ist von Bedeutung, denn bestimmte Maßnahmen und Rücksichtnahmen sollten bereits im Vorfeld festgelegt werden, unter anderem können diese in der naturschutzfachlichen Bewilligung bereits als Auflage vorhanden sein. Als Beispiel zu nennen sind Brutzeiten von bestimmten Vogelarten. Somit kann es vorkommen, dass es bestimmte Zeiten gibt, zu denen die Bauaktivitäten angepasst werden müssen.

Ein weiteres Beispiel sind sensible Greifvögel, die sich auch erst in der Phase zwischen der Bewilligung und dem Baubeginn ansiedeln können. Umstände, wie diese muss man als ökologische Bauaufsicht im Auge behalten. Manche Schutzgüter sind bereits im Vorfeld vorhanden, andere kommen gegebenenfalls erst im Laufe des Projekts hinzu. Dementsprechend muss darauf reagiert werden.

Auch die Baustelle an sich ist eine Störung für einen eingeschränkten Zeitraum. Diese wird jedoch durch die entsprechend hohen und langfristigen Verbesserungen nach den Bauarbeiten ausgeglichen, die eine bessere Nutzung des Lebensraumes zur Folge haben.

Bei den Revitalisierungsprojekten geht es darum, Hindernisse zu entfernen. Damit der Fluss das Ufer wieder natürlich formen kann, müssen oft große Blocksteine entfernt werden. Auch hierbei muss auf Sorgfalt geachtet werden und überdies ist Gebietskenntnis der Nationalparkverwaltung von Vorteil. Die Bauaufsicht hat den Auftrag der Behörden, einzugreifen, sollte etwas nicht in Ordnung sein und darf dementsprechende Maßnahmen anordnen.

Schließlich soll das Geschehen auf der Baustelle auch dokumentiert werden, was anhand von Fotodokumentation und einem abschließenden Bericht zusammengefasst und an die zuständigen Behörden übermittelt wird.

Biberbau im Baugebiet

Bei Arbeiten am Ufer muss oftmals auf Biberbauten geachtet werden, die sich im Uferbereich befinden können. Auch diese sollten bereits im Vorfeld schon markiert und den Baufirmen mitgeteilt werden. Sobald sich die Bauarbeiten im Abschnitt eines Bibers befinden, bleibt die ökologische Bauaufsicht durchgehend vor Ort und leitet das Baugeschehen entsprechend an und achtet dabei auf ein sorgfältiges Vorgehen.

Die Dotation der Oberen Lobau

Als ein aktuelles Beispiel hat sich das Bioskop nach den Hintergründen der Dotation der Oberen Lobau erkundigt.

Dotation: In ein isoliertes Gewässersystem wird wieder Wasser eingebracht. Das beinhaltet technische Maßnahmen, bei denen die Wasserzugabe kontrolliert wird.

Die Lobau ist als ehemaliger Teil des Donausystems durch den Hochwasserschutz völlig abgetrennt vom Durchflussgeschehen der Donau. Der Hochwasserschutzdamm zieht sich zwischen Donau und Lobau entlang, wodurch auch kein Donauwasser in die Lobau gelangt. Ursprünglich war die Lobau eine der Hauptverzweigungen der Donau, bevor die systematische Donauregulierung in der zweiten Hälfte des 19. Jh. stattgefunden hat. Die Dotation der oberen Lobau erfolgt momentan über zwei Wege. Einer davon ist die seit mehreren Jahren bestehende Wasserzugabe aus der Alten Donau über das Obere Mühlwasser. Seit 2023 gibt es einen zusätzlichen Weg über die Panozzalacke, ein Projekt der Stadt Wien. Dabei wird Wasser aus der Neuen Donau über ein neu errichtetes Bauwerk in die Panozzalacke eingeleitet und gelangt von dort weiter durch das Gewässersystem der Oberen Lobau.

Nach der Renaturierung

Es gibt Bemühungen, den Erfolg der gesetzten Maßnahmen zu messen. Dabei gibt es unterschiedliche Monitoringansätze, die sich aus den verschiedenen Fördertöpfen ergeben. Wird etwas beispielsweise aus dem LIFE Programm gefördert, muss in Bezug auf gewisse Natura 2000 Güter ein Monitoring durchgeführt werden. Häufig findet eine Erhebung der Fischfauna vor und nach den Maßnahmen statt, weil es eine gute Kenntnis der Arten gibt und die Methodik für den Fang einfacher ist. Oft gibt es also praktische Gründe für die Wahl bestimmter Gruppen für ein Monitoring.

Es wird auch versucht, die Veränderung des Lebensraumtyps zu erfassen. Das betrifft die typischen Vegetationseinheiten für den Lebensraumtyp, die vor den Maßnahmen vorhanden sind im Vergleich dazu, welche einige Zeit nach den Maßnahmen vorhanden sind. Dieser Vergleich macht dann Sinn, wenn der Fluss schon die Zeit hatte, die Landschaft umzuformen durch seine natürliche Dynamik und Vegetation bereits darauf reagieren konnte. Das Gebiet wird daraufhin erneut abgegangen und die Daten entsprechend erhoben.

Bei manchen Förderschienen ist dies jedoch nicht vorgeschrieben, aber es liegt im Interesse und Aufgabenbereich der Nationalpark Verwaltung, die Wirkung von Renaturierungsmaßnahmen aufzunehmen und Monitorings durchzuführen.

Im Namen des bioskop Teams bedanken wir uns herzlichst für das informative und ausführliche Gespräch über die zahlreichen Renaturierungsmaßnahmen im Nationalpark Donau-Auen.

Weiterlesen:

https://www.donauauen.at/wissen/natur-wissenschaft/flussbau-an-der-donau
https://www.austrianbiologist.at/aba/magazin/blog/2023/12/08/renaturierung-wiener-gewasser-am-beispiel-der-liesing-ein-interview-mit-dr-thomas-ofenbock/

Foto: Anna Geisler

Von 24. bis 26. Mai 2024 machte die CRISPR-Whisper Roadshow in Wien halt. Eine Eventreihe organisiert von BioWissKomm gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Bei der Bewerbung hat sich auch die Austrian Biologist Association angeschlossen und konnte schließlich auch bei der Veranstaltung beim Science Café teilnehmen und spannende Einblicke gewinnen. 

Mit kreativen und lehrreichen Veranstaltungen, wie einer Theater Performance, einem DIY CRISPR Laborkurs, interessanten Vorträgen und Workshops, und dem abschließenden Science Café wurde der Öffentlichkeit – Biolog:-innen oder nicht – die Genschere CRISPR Cas interaktiv nähergebracht. 

2020 erhielten die zwei Molekularbiologinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna den Chemie Nobelpreis für das innovative Verfahren.

Was sich hinter CRISPR Cas9 verbirgt und genauere Infos über CRISPR-Whisper findet ihr hier:
https://www.crispr-whisper.de/
https://www.crispr-whisper.de/glossar/crispr-cas/

Ernst und Satire im Science Café:

Damit sich Besucher:-innen auch selbst Szenarien und potenzielle genetische Lösungen ausmalen können, lud das Science Café zu einigen hypothetischen, apokalyptischen Gedankenexperimenten ein. Diese durften wir uns selbst aussuchen. Mit allen Teilnehmenden kamen Szenarien, wie Überflutung, Hitze, wirkungslose Antibiotika, Überalterung und Demenz, bis hin zu ohrenbetäubend kreischenden, räuberischen Alienvögeln zusammen. 

Natürlich ist all dies als Satire mit einem Hauch von Realismus zu sehen. 

Aufgabe der Besucher:-innen, die alle aus unterschiedlichen Zweigen stammten, war es, sich genetische Möglichkeiten zu überlegen, mithilfe von CRISPR, Lösungen gegen diese Szenarien zu finden. Mal etwas mehr, mal weniger realistisch, wurden diese nachher gemeinsam besprochen und etwaige negative Auswirkungen und ethische Bedenken aufgedeckt. 

Anpassungen an ein Leben im Wasser oder die Entwicklung weiterer Gliedmaßen, die eventuell als Flügel zum Einsatz kommen, dienten als potentielle und nicht zu unrealistische Beispiele. Auch die Regenerationsfähigkeit von Axolotl ist in der Genforschung ein interessantes Thema. In unserem Gedankenexperiment der überalterten und an Demenz erkrankten Menschheit, wurden regenerative Neurone als Einfall eingebracht.

Auch Szenarien, die wesentlich unwahrscheinlicher erscheinen, wurden angesprochen und haben zu neuen Erkenntnissen geführt. Um uns zum Beispiel entweder an ein Leben unter Wasser anzupassen oder auch gegen eine ohrenbetäubend laute Alienrasse vorzugehen, wären induzierbare, verschließbare Ohren, wie etwa die von Bisamratten, nützlich.

Nimmt man sämtliche Fantasien beiseite, bleibt jedoch ein lehrreicher Kern der Realität. CRISPR bietet zahlreiche Möglichkeiten und wünschenswerte Verbesserungen (besonders medizinisch) für die Zukunft, jedoch gibt es auch Nebenwirkungen und ethische Aspekte zu beachten.

Foto: Austrian Biologist Association, Anna Feix

Weitere Informationen:

https://www.transgen.de/forschung/2564.crispr-genome-editing-pflanzen.html

Das Tierökologie-Zertifikat. Bisher (Februar 2024) ist Stufe 1 veröffentlicht, mit 250 Arten Tirols. Verfügbar unter https://doi.org/10.25651/1.2021.0001.

Das Tierökologie-Zertifikat präsentiert heimische Tiere mit Bestimmungshilfe, Fotos und spannenden Gschichtln. Stufe 1 mit 250 Arten ist bereits auf großes Interesse gestoßen. In den Stufen 2 und 3 kommen jeweils noch 250 Arten dazu. Also nichts wie los, wirf einen Blick auf die Steckbriefe und lass Dich von der Tierwelt vor der Haustür begeistern!

Am Anfang waren die Pflanzen: das Freilandbotanik-Zertifikat

Begonnen hat alles mit den Pflanzen. Also eigentlich nicht – Tiere haben uns schon immer um Schnauzenlänge mehr fasziniert. Aber als wir, alle am Institut für Ökologie der Universität Innsbruck, vor vier Jahren das Freilandbotanik-Zertifikat entdeckten, wussten wir sofort: Das wollen wir machen, das ist die Gelegenheit! Es war ein wunderbarer Sommer in den Tiroler Bergen, und bei den Wanderungen sahen und verinnerlichten wir vom Talboden bis zum Gipfel viele der 250 Arten der Stufe 1. Es ist einfach ein gutes Gefühl, wenn man für die Bestimmung nicht mehr bei jeder Pflanze die Exkursionsflora zücken, eine Bestimmungsapp verwenden oder gar verdrossen aufgeben muss.

Portrait von Birgit C. Schlick-Steiner, Florian M. Steiner, Iris S. und Julia S. Schlick-Steiner
Die Autor:innen: Birgit C. Schlick-Steiner (links) und Florian M. Steiner (rechts) sind Forschende und Lehrende, Iris S. (Mitte rechts) und Julia S. Schlick-Steiner (Mitte links) Master-Studierende am Institut für Ökologie, Universität Innsbruck. Gemeinsam (mit vielen anderen) realisieren sie ihren Traum von einem Tierökologie-Zertifikat, das die heimische Tierwelt ins Rampenlicht stellt.

Und Tiere? Die Geburtsstunde des TÖZ, des Tierökologie-Zertifikats

Jetzt konnten wir die Frage nicht mehr ignorieren: Warum gibt es sowas nicht für Tiere? Tatsächlich herrscht zumindest im deutschsprachigen Raum ein richtiges Tier-Zertifikat-Vakuum – das wollten wir ändern. An den langen Abenden des pandemischen Winters 2020/2021 entstand durch Debattieren, Recherchieren und Zoom-Konferieren mit den KollegInnen Timo Kopf und Barbara Thaler-Knoflach das Konzept für das Tierökologie-Zertifikat (TÖZ). Bald verstanden wir auch den Grund für das bisherige Vakuum: Es ist einfach schwierig! Denn in Österreich leben 54 000 Tierarten – und es gibt nicht das eine umfassende Bestimmungsbuch wie bei den heimischen Gefäßpflanzen, sondern die Information zu Bestimmung und Lebensweise ist über tausende Schriftstücke verstreut. So entschieden wir uns für eine pragmatische Lösung. Wir wollten aus jeder Tiergruppe markante Vertreter vorstellen und für jede Art einen Steckbrief basteln, damit die Interessierten Information zur Bestimmung, Bilder (interaktiv zu vergrößern) und gaaaanz viele Gschichtln (Abb. 1-4) erhielten. Im ganzen Arbeitsprozess (u.a. Artenauswahl, Schreiben der 250 Steckbriefe, Design und Produktion der pdf-Version) bekamen wir viel Mithilfe aus dem Institut für Ökologie, aber bald auch über die Universität Innsbruck hinaus, sodass schließlich 76 Personen mitwirkten (siehe Infokasten am Ende des Beitrages).

Abb. 1 Steckbrief zum Distelfalter – hast Du gewusst, dass der Distelfalter ein Wanderfalter ist und Tausende Kilometer aus dem Winterquartier in Afrika bis nach Österreich zurücklegt? Verfügbar unter https://doi.org/10.25651/1.2021.0001.

2021: Die Stufe 1 des TÖZ und eine schnell wachsende Community

Im Juli 2021 war es dann soweit: Die Stufe 1 des „Tierökologie-Zertifikat: Arten Tirols“ war fertig. Und zusätzlich zur pdf-Datei mit allen Steckbriefen (Infobox 1) entstanden ein Selbsttest auf der Lernplattform OpenOlat und ein Karteikartenset für die Lernsoftware Anki zur Überprüfung der Artenkenntnis. Außerdem wurde ein Projekt im sozialen Netzwerk iNaturalist eingerichtet (Infobox 1) mit dem Ziel möglichst viele zu motivieren, die im Zertifikat enthaltenen Arten zu suchen, zu fotografieren und die Beobachtung hochzuladen. So können diese Beobachtungen von ExpertInnen verifiziert werden und die ganze Tierökologie-Community kann gemeinsam dem „Viecherl-Jagdfieber“ frönen. All das kam richtig in Fahrt und hat schon sehr viele für die Tierwelt Tirols begeistert. Beispielsweise enthält das iNaturalist-Projekt des TÖZ aktuell rund 4000 Beobachtungen von 500 BeobachterInnen, von 1000 BestimmerInnen bearbeitet. Da darf natürlich auch ein zum Zertifikat passendes T-Shirt nicht fehlen ( siehe Infobox), welches es schon in entfernte Teile der Welt geschafft hat.

Das TÖZ – Was? Wie? Wo?


Abb. 2 Steckbrief zur Knautien-Sandbiene – eine von 700 Wildbienenarten in Österreich – und ein Beispiel für die vielen tagesaktuellen Interessenskonflikte, die mit den Steckbriefen aufgegriffen werden: Nektar ist ein kostbares Gut! Verfügbar unter https://doi.org/10.25651/1.2021.0001.

Abb. 3 Steckbrief zum Wolf – vielleicht das Tier, das momentan am stärksten polarisiert. Verfügbar unter https://doi.org/10.25651/1.2021.0001.

Bisher gab es acht Prüfungstermine. Nicht alle haben es beim ersten Anlauf geschafft, aber alle waren begeistert. Diese Begeisterung wollten viele der Zertifizierten teilen und so gibt es auf der Homepage mittlerweile mehr als 50 „Erfahrungsberichte“ (Infobox 2). Inzwischen kommen Prüflinge aus fast allen Bundesländern Österreichs und dem deutschsprachigen Ausland. An der Universität Innsbruck ist das TÖZ auch fixer Bestandteil von Lehrveranstaltungen im Bachelor Biologie, Bachelor Biologie und Umweltkunde und Master Ökologie & Biodiversität.

Warum Dich das TÖZ interessieren könnte?

Die aktuelle Version des TÖZ ist auf Tirol ausgelegt, aber der Großteil der Arten kommt im gesamten deutschsprachigen Raum vor. Ein Ziel des TÖZ ist Tiere (und Natur allgemein) „unters Volk“ zu bringen – egal, ob Du SchülerIn, LehrerIn, StudentIn, ForscherIn bist, ob Du einem der tausenden anderen Berufen nachgehst (oder auch nicht), oder ob Du bereits pensioniert bist, es ist nie zu früh und nie zu spät für ein Eintauchen in die heimische Tierwelt. Das TÖZ schafft dabei auch ein Bewusstsein für die weniger bekannten Tierarten und die Dringlichkeit des Arten- und Naturschutzes. Man liebt nur, was man kennt, und man schützt nur, was man liebt. Das TÖZ trägt somit zu biologischer Bildung und Wertschätzung unserer Natur bei. Beides benötigen wir dringend, um uns den Herausforderungen dieses Jahrhunderts zu stellen und richtige Entscheidungen zu treffen.

Abb. 4 Steckbrief zum Eisvogel – die hohe Schutzbedürftigkeit dieser Art ist eines der vielen Argumente für den Erhalt freifließender Flüsse. Verfügbar unter https://doi.org/10.25651/1.2021.0001.

Das sagen Zertifizierte

„Anfangs dachte ich noch, dass es schon recht lange dauern würde, bis ich mir 250 Arten merken kann. Das Lernen ging mit den Steckbriefen (v.a. den „Gschichtln“), der Online Überprüfung und nicht zuletzt den Anki Karteikarten (lassen sich super in den Alltag integrieren, z.B. perfekt für lange Zug- und Busfahrten) relativ schnell und ich war erstaunt, wie viele Arten ich letztendlich dann in freier Wildbahn finden und benennen konnte.“

Melanie Kobald

„Es ist wirklich beeindruckend, wenn man sagen kann, dass man 250 Tierarten erkennen und benennen kann. Ich konnte mein neu erlangtes Wissen auch schon bei diversen Wanderungen mit Freunden und Familie unter Beweis stellen, wobei alle stets begeistert waren und die Umgebung jetzt auch genauer wahrnehmen. Somit hat die Prüfung nicht nur mir geholfen, sondern auch das Interesse anderer geweckt.“

Johanna Lechleitner

“Ich finde es sehr wichtig, dass es diese Prüfung gibt – einerseits für BiologInnen wie mich, um ein Zertifikat zu haben, das die eigene Artenkenntnis bestätigt. Artenkenntnis ist vor allem bei vielen Naturschutzbelangen essenziell, wird aber an den Universitäten oft nicht ausreichend gelehrt; ein abgeschlossenes Biologiestudium bedeutet also nicht unbedingt gleich eine gute Artenkenntnis. […] Und andererseits auch für naturinteressierte Menschen, die keinen Beruf im biologischen Bereich haben. […] Ich hoffe, dass besonders diese Menschen das Zertifikat belegen – kennt man Arten, steigen die Wertschätzung der Natur und der Wille diese zu schützen.”

Elisabeth Glatzhofer

„Man hat wortwörtlich nichts zu verlieren (keine begrenzten Prüfungsantritte, keine Kosten) und es macht auch noch tierisch Spaß. P.S.: „Was ist das für ein …?“ Ist wahrscheinlich eine der häufigsten Fragen, die man als Biologe/in oder Biologiestudent/in gestellt bekommt. Das Zertifikat hilft einem dabei mindestens einige dieser Fragen besser beantworten zu können. ;)“

Anna Letrari

„Ich kann gar nicht sagen wie oft ich, seitdem ich mich mit den Steckbriefen befasse, einfach stehen bleibe und mir ansehe, was denn da gerade die nächste Blume anfliegt. Der ganze Prozess fühlt sich auch nicht wirklich nach lernen an, wie man es möglicherweise von den Klausuren gewohnt ist, vielmehr ist es eine Bereicherung des eigenen Wissensdursts und die Prüfung am Ende ist auch nicht mehr als eine Bestätigung des eigenen Könnens.“

Jakob Paal

„Wir haben bewiesen, dass es sich beim Tierökologie-Zertifikat um eine Prüfung für alle – jung bis alt und universitätsextern wie -intern – handelt. Ich, Jonathan, bin der bisher jüngste Teilnehmer mit 11 Jahren und habe die Prüfung mit ausgezeichnetem Erfolg bestanden. Es war ein Geschenk von meiner Schwester, die mich zu dieser Prüfung eingeladen hatte. Diese Herausforderung habe ich gerne angenommen. Es hat Spaß gemacht, gemeinsam zu lernen. Das schönste Tier für mich war die Bienenwolf-Goldwespe.“

Jonathan und Elena Steiner

„Immer wieder wurde ich als Biologiestudentin nach Tieren und Pflanzen am Wegesrand gefragt und viel zu oft musste ich mir selbst eingestehen, wie wenig Ahnung ich hatte. Ich wünschte, dieses Zertifikat hätte es damals schon gegeben =). Jetzt, während der Elternkarenz, bin ich viel in der Natur und der Wissensdrang der Kinder ist schier unendlich. Was liegt also näher, als die Chance zu nutzen und sich das super zusammengefasste Wissen in diesen Unterlagen anzueignen …“

Hannah Holzer

„Nach 40 Jahren als Biologielehrer in Innsbruck hatte ich in der Pension endlich viel Zeit, um mich meinem liebsten Hobby noch mehr zu widmen: Hinausgehen, beobachten, erkennen. […] Mein Dank gilt all jenen, die sich die sicherlich enorme Mühe angetan haben, dieses Zertifikat in die Tat umzusetzen: Ihr habt da etwas Großartiges geschaffen, dem ich möglichst weite Verbreitung, z.B. auch in Schulen, wünsche!“

Helmuth Bayer

„Ich habe es unerwarteterweise als besonders bereichernd empfunden mich gerade mit den Taxa intensiver zu beschäftigen, die ich aus mir heraus nicht so ansprechend finde. Meine Angst vor Spinnen hat sich beispielsweise durch die Teilnahme am Zertifikat wahnsinnig gebessert.“

Sarah Zimmermann

„Für mich als Botaniker war das Tierökologiezertifikat ein willkommener Anlass einmal meine Komfortzone zu verlassen und in neue Organismengruppen einzutauchen. Bei Tieren passiert es leicht, dass man vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht. Die Beschränkung auf 250 Arten hilft da sehr.“

Moritz Falch


„Doch auch für das Studium und die zukünftige Karriere ist eine solche Artenkenntnis durchaus von Nutzen und teilweise sicher auch notwendig. Umso wichtiger ist es, dass man seine Artenkenntnis steigert. Auch deshalb warte ich gespannt und motiviert auf die nächsten Stufen (500 & 750 Arten)!“

Tom Fischbach

Ausblick: Stufen 2 und 3 des TÖZ

Seit Ende 2023 laufen die Arbeiten an den von vielen Prüflingen schon heiß ersehnten Stufen 2 und 3 auf Hochtouren – es wird allerdings noch ein Zeitl brauchen, da das Ganze ja schon bei Stufe 1 nicht so einfach war. Jedenfalls darf schon Vorfreude aufgebaut werden auf insgesamt 500 weitere faszinierende Tierarten. Auch diesmal sind neben alten Bekannten auch seltener beobachtete Arten vertreten und es ist garantiert für jede/n etwas Neues dabei. Jetzt einmal ehrlich: (Er)kennst Du die Tiere in Abbildung 5?

Finanziell unterstützt werden die Stufen 2 und 3, wie bereits Stufe 1, von der Fakultät für Biologie und dem Institut für Ökologie, sowie diesmal auch vom Rektorat der Universität Innsbruck.

Und wer weiß, vielleicht folgen ja bald Initiativen zu Tierökologie-Zertifikaten in anderen Regionen – der Aufwand des Anpassens an die regionalen Gegebenheiten wäre überschaubar.

Abb. 5 Roter Kurzbein-Springschwanz (links) und Haselmaus (rechts). Bildrechte: © bugzone, CC BY-NC 4.0 (links); © tadkawecki, CC BY-NC 4.0 (rechts).

Institut für Ökologie der Universität Innsbruck 2021 Tierökologie-Zertifikat:

250 Arten Tirols (Version 5, 250 Arten, Juli 2021). Erstellt von (alphabetisch) Ernst Bauernfeind, Erhard Christian, Sylvia Flucher, Hans Frey, Leopold Füreder, Barbara-Amina Gereben-Krenn, Florian Glaser, Wolfram Graf, Marlene Haider, Helge Heimburg, Veronika Hierlmeier, Rudolf Hofer, Rüdiger Kaufmann, Gabriel Kirchmair, Philipp Kirschner, Yvonne Kiss, Elena Kmetova-Biro, Christian Komposch, Timo Kopf, Gernot Kunz, Alice Laciny, Armin Landmann, Patrick Leitner, Jan Martini, Georg Niedrist, Thomas Peham, Katharina L. Platzdasch, Hubert Rausch, Renate Rausch, Maria M. Reiter, Alexander Rief, Johannes Rüdisser, Birgit Sattler, Petra Schattanek, Heinrich Schatz, Irene Schatz, Martin Schebeck, Birgit C. Schlick-Steiner, Iris S. Schlick-Steiner, Julia S. Schlick-Steiner, Martin Schwarz, Julia Seeber, Gabriel Singer, Christian Stauffer, Florian M. Steiner, Michael Steinwandter, Carolin Strutzmann, Matthew Talluto, Barbara Tartarotti, Barbara Thaler-Knoflach, Anton Vorauer, Alexander Weigand, Werner Weißmair, Herbert Zettel, Richard Zink; unter Mitarbeit von (alphabetisch) Felix Berkmann, Fritz Gusenleitner, Peter Huemer, Martina Kinzl, Patrick Krapf, Florian Lehne, Reinhard Lentner, Markus H. Möst, Rainer Neumeyer, Alejandro Ostalé,Wolfgang Scherzinger, Andreas Schmidt-Rhaesa, Peter Sehnal, Bernhard Seifert, Magdalena Stiftinger, Iris Tichelmann, Stephanie Vallant, Elisabeth Weninger, Andreas Zahn, Elisabeth Zangerl, Thomas Zuna-Kratky
https://doi.org/10.25651/1.2021.0001 CC BY-NC-SA 4.0
https://www.uibk.ac.at/ecology/tieroekologie-zertifikat/

Titelbild: Europäische Wildkatze (Felis silvestris) in Slowenien. © Christine Sonvilla

Sie lebt versteckt und zurückgezogen, schleicht nachts auf der Jagd durch Wälder und Lichtungen: die Europäische Wildkatze (Felis silvestris). Christine Sonvilla begibt sich in ihrem Buch „Europas kleine Tiger – Das geheime Leben der Wildkatze“ (erschienen 2021) auf die Spuren des scheuen Wildtiers und holt die vermeintlich verborgene Wildkatze vor die Kamera. Gemeinsam mit Kolleg:innen aus Forschung und Naturschutz gibt sie vielschichtige Einblicke in die historische Verbreitung und Lebensweise der Wildkatze sowie in aktuelle Forschungs- und Schutzaktivitäten.

Vom Jäger zum Gejagten

Vor ungefähr 450.000 bis 200.000 Jahren ist die Europäische Wildkatze erstmals von Asien nach Europa eingewandert und hat sich über ganz Europa, abgesehen von Skandinavien, und Teile Vorderasiens ausgebreitet. Heute kommt die Europäische Wildkatze noch in 34 europäischen Ländern vor, jedoch mit großen Unterschieden zwischen den Ländern und Regionen. Sie gilt vor allem noch am Balkan und in Südeuropa als häufig. In anderen europäischen Ländern gibt es nur noch vereinzelte Restpopulationen oder sie gilt gar als ausgestorben. Doch wie ist es dazu gekommen?

Die Ursachen und Folgen des starken Populationsrückgangs ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch von Christine Sonvilla. Im Zentrum steht hierbei vor allem der Einfluss des Menschen: Als Jagender, der die Wildkatze für Fleisch, Fell und Fett verfolgte. Und später als Beschützer, der sich für die Erforschung und Wiederansiedelung einsetzt.

Auch Christine Sonvilla begibt sich im Buch auf die Jagd. Die gewünschte Beute ist jedoch nicht die Wildkatze selbst, sondern eine Fotoaufnahme des scheuen Wildtiers. So einfach ist das gar nicht. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und braucht auch die passende Ausrüstung. Behilflich sind auch Daten zu Sichtungen von Expert:innen und die Fähigkeit, Spuren zu lesen. Die Autorin und begeisterte Tierfotografin erzählt im Verlauf des Buches vom schwierigen und auch aufregenden Wagnis „Operation Fotofalle“, das zu den schönen Fotoaufnahmen im Buch geführt hat.

„Spannend finde ich an der Wildkatze, dass es noch viel mehr zu entdecken gibt als man aktuell weiß.“

Christine Sonvilla mit Fotofallenaufbau für Wildkatzen. © Marc Graf

Die Wildkatze in Österreich

Die Spur der Europäischen Wildkatze führt Christine Sonvilla auch in ihre Heimat, nach Österreich. In der Roten Liste der gefährdeten Arten der Weltnaturschutzunion IUCN gilt die Europäische Wildkatze offiziell als „nicht gefährdet“. In Österreich ist die Situation eine andere. Denn hier ist sie in den 1950er Jahren aus den heimischen Wäldern verschwunden und gilt seither als ausgestorben. Beobachtungen der letzten Jahre geben hier erstmals Anlass für Hoffnung. Im Jahr 2020 konnten in der Wachau sechs Individuen der Europäischen Wildkatze identifiziert werden.

Man stellt sich nun vielleicht die Frage: Wie kann eine Art, die als ausgestorben gilt, in der Natur gefunden werden? Auch hierzu hat die Autorin eine Antwort und spannende Einblicke aus der Forschung bei der Hand. Hier ein kleiner Einblick: Tatsächlich werden durch die Lockstock-Methode, bei der Stöcke mit Baldrian in den Wäldern aufgestellt werden, Haarproben gesammelt. Die Wildkatzen reiben sich an den Stöcken und lassen so Haare zurück. Diese gehen dann etwa an das Naturhistorische Museum Wien zur Bestimmung, ob es sich um Haare der Europäischen Wildkatze oder etwa einer Hauskatze handelt. Haarproben von Wildkatzen werden zur DNA-Analyse an das Senckenberg Forschungsinstitut, Zentrum für Wildtiergenetik, überstellt. So konnte auch bestimmt werden, dass es sich bei den Haaren aus der Wachau um Wildkatzen und sechs unterschiedliche Individuen handelt.

Links: Katharina Stefke vom Naturhistorischen Museum Wien (NHM) begutachtet die von den Lockstöcken gesammelten Haare. © Christine Sonvilla
Rechts: Frank Zachos, Säugetierkurator am NHM, präsentiert Haus- und Wildkatzenschädel im Vergleich. Der Schädel der Wildkatze, rechts im Bild, ist etwas größer. © Christine Sonvilla

Der Mensch stellt dennoch weiterhin eine Gefahr für den Lebensraum und das Überleben der Europäischen Wildkatze dar. Christine Sonvilla findet hierzu klare Worte:

 „Während ihre Bestände in vielen Gegenden gerade Aufwind haben, sehen wir andernorts, dass ein Zuviel an menschengemachten Hindernissen und Bedrohungen das Blatt schnell wenden kann. Einmal in der Natur verloren, ist eine Tierart nur mit massivem Aufwand zurückzubringen.“

Ein Buch für Jung und Alt

Christine Sonvilla nimmt die Leser:innen auf eine Reise durch die Geschichte und Forschung mit. Und das, ohne jemanden am Weg zu verlieren. Die Verbindung von Fakten mit spannenden Hintergrundgeschichten und die anschauliche und verständliche Sprache ermöglichen es allen Altersgruppen, in die Welt der Europäischen Wildkatze einzutauchen. So bietet das Buch „Europas Kleine Tiger“ sowohl Biolog:innen als auch Lai:innen und Schüler:innen spannende Lesestunden.

Über die Autorin:

Christine Sonvilla, geboren 1981 in Klagenfurt, lebt in Mürzzuschlag. Nach Studien der Germanistik und Biologie machte sie sich als Fotografin, Filmerin und Autorin mit Fokus auf Naturthemen selbstständig. Sonvilla konzentriert sich in ihrer Arbeit auf Natur- und Artenschutz-Themen. Für jene zu sprechen, die es selber nicht können, das ist ihr ein Anliegen. Ihre Arbeiten wurden mehrfach international ausgezeichnet und erschienen u. a. im National Geographic Magazin. Zuletzt erschienen: „Europas kleine Tiger“ (2021).

Europas kleine Tiger – Das geheime Leben der Wildkatze

Christine Sonvilla

Residenz Verlag

256 Seiten

25 EUR

ISBN: 9783701735235

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Foto: Anna Geisler

Neben der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzung ökologischer Lebensräume, steigt nun auch die Priorität derer Erhaltung und Wiederherstellung. In einem Interview mit Herrn Dr. Thomas Ofenböck befassen wir uns mit der Renaturierung von Fließgewässern in Wien am speziellen Beispiel der Liesing. Herr Dr. Ofenböck der MA45 stellte sich dankenswerter Weise für ein Interview über die bereits erfolgte und weiterhin geplante Renaturierung der Liesing bereit. Das in sechs Abschnitte geteilte Projekt wird zwischen Kaiser-Franz-Josefstraße und Großmarktstraße umgesetzt. Bis 2009 arbeitete Dr. Ofenböck am Institut für Hydrobiologie und ist nun seit September 2009 bei der Stadt Wien angestellt. Dort ist er insbesondere mit der Renaturierung Wiener Fließgewässer involviert.

Foto: Dr. Thomas Ofenböck

Wie werden Gewässerabschnitte, wie beispielsweise an der Liesing, für die Renaturierung ausgewählt?

Es gibt die europäische Wasserrahmenrichtlinie, die dazu verpflichtet, alle Gewässer in einen guten Zustand zu bringen. Dazu gibt es auch den nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan, bei dem alle sechs Jahre ein Plan erstellt wird, was in der kommenden Periode an Maßnahmen gesetzt werden. Berichtspflichtig sind Gewässer an über 10 km² Einzugsgebiet, die prinzipiell Priorität haben.

Guter Zustand:
Der gute Zustand eines Gewässers als Vorgabe der Wasserrahmenrichtlinie, setzt sich aus ökologischen, morphologischen, physikalischen und chemischen Komponenten zusammen. Sowohl Lebensgemeinschaften, als auch Aspekte wie Strömung, Flussbettbeschaffenheit und chemische Schadstoffe fallen unter diese Bewertung. Anhand dessen ist eine Bewertung durchzuführen, in wie weit ein Gewässer vom natürlichen Zustand abweicht. 
Quelle: Umweltbundesamt

Bei der Prioritätensetzung steht vor allem auch die Durchgängigkeit im Vordergrund. Deshalb werden prioritär auch Gewässerstrecken ausgewählt, die für Lang- und Mittelstreckenwanderer unter den Fischen von Bedeutung sind. Es gab in Wien schon vor der Wasserrahmenrichtlinie eine Prioritätenreihung für mögliche Renaturierungsmaßnahmen.

Aktuell ist die Liesing sehr im Fokus. Dort spielt in die Priorität hinein, dass auch Hochwasserschutzmaßnahmen erforderlich waren. Periodisch wird neu berechnet, ob der Hochwasserschutz noch gewährleistet ist. Wenn sich aufgrund der veränderten Niederschlagsverhältnisse, zunehmenden Starkregenereignisse und des zunehmenden Versiegelungsgrads, ergibt, dass Maßnahmen gesetzt werden sollten, werden solche Gewässer prioritär behandelt. Generell wird versucht Hochwasserschutz und Gewässerrenaturierung zu vereinen.

In Wien sind von den berichtspflichtigen Fließgewässern, die in der Zuständigkeit von Wien als Gemeinde liegen, nur Liesing, Mauerbach und Wienfluss betroffen. Donau und Donaukanal sind in Bundeszuständigkeit, da sie Bundesgewässer und Schifffahrtsstraßen sind. Wir sind zwar als Bundesland verantwortlich, dass Maßnahmen umgesetzt werden, aber die Maßnahmensetzung erfolgt in diesem Fall durch die Via Donau. Das Bundesland ist verantwortlich für die Prioritätensetzung.

Wo macht Gewässer Renaturierung in Wien keinen Sinn?

Prinzipiell ist das Ziel, irgendwann alle Gewässer in einen guten Zustand zu bringen. Dazu gibt es auch zusätzlich das gute ökologische Potential für erheblich veränderte Gewässer.

Gutes ökologisches Potential (GÖP):
Zunächst als Definition des „höchsten ökologischen Potentials“ (HÖP). Dabei handelt es sich um den bestmöglichen Zustand, den ein erheblich verändertes oder artifizielles Gewässer erreichen kann. Als GÖP versteht man eine nur geringe Abweichung des HÖP.
Quelle: Wörterbuch der Ökologie

Die Ausweisung als erheblich verändertes Gewässer erfolgt aufgrund der Hydromorphologie. Wenn es übergeordnete Nutzungen gibt, die den guten Zustand verhindern bzw. wenn man den guten Zustand nicht erreichen könnte, ohne diese übergeordnete Nutzung aufzugeben, hat diese Vorrang. Übergeordnete Nutzungen sind zum Beispiel Hochwasserschutz oder auch Energieerzeugung.

Wienfluss und Liesing sind über das ganze Stadtgebiet als erheblich veränderte Gewässer ausgewiesen. Das heißt, das Ziel ist da nicht der gute Zustand, sondern das gute ökologische Potential. Dieses ist etwas abgemindert, weil es heute im urbanen Raum sehr schwierig ist, Maßnahmen so umzusetzen, dass man wirklich einen guten Zustand erreicht, weil einfach in der Regel der Platz nicht vorhanden ist.

Vom personellen und finanziellen Aufwand ist jetzt die Liesing im Fokus. Dabei ist das Ziel, bis 2027 den gesamten Abschnitt soweit zu renaturieren, wie es im Rahmen der Gegebenheiten möglich ist und so, dass die Durchgängigkeit geschaffen wird.

Wer finanziert das Renaturierungsprojekt an der Liesing?

Der unterste Bereich der Liesing, der schon Anfang der 2000er Jahre renaturiert wurde, war ein LIFE Projekt. Der jetzige Abschnitt wird über das Wasserbautenförderungsgesetz gefördert, weil zu der Zeit keine Mittel aus dem Umweltförderungsgesetz zur Verfügung standen und weil es auch eine Hochwasserschutzmaßnahme ist. Für rein morphologischen Maßnahmen gibt’s einen eigenen Fördertopf über das Umweltförderungsgesetz. Dieser ist wurde mit 200 Millionen Euro dotiert. Und da ist die Bundesförderung 60% für kommunale Teilnehmer.

Was ist nach der Auswahl des Gewässerabschnitts der erste Schritt der Renaturierung?

Im Rahmen des nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans werden Grundlagen ja schon erhoben und es gibt auch eine Risikoanalyse. Dazu gibt es natürlich auch Monitoring. Die Biologie steht dabei im Vordergrund. Da werden die Abschnitte festgelegt, an denen Maßnahmen gesetzt werden sollen und auch festgelegt, welche das sind. Das sind morphologische Maßnahmen oder stoffliche, je nachdem, was das biologische Monitoring aussagt. Für das gute ökologische Potential muss man auf jeden Fall einen guten stofflichen Zustand erreichen.

Was sind stoffliche Belastungen?

An der Liesing haben wir eine stoffliche Belastung, allerdings auch schon aus Niederösterreich. Es kommt natürlich im Stadtgebiet noch einiges hinzu. Wir haben an der Liesing beim Kanalsystem ein Trennsystem, das für Wien einzigartig ist. Das Schmutzwasser wird zur Kläranlage geleitet, aber das Regenwasser geht direkt in die Liesing. Das hat Vor- und Nachteile. Der Nachteil ist, dass mit dem Regenwasser einiges an Einträgen mitkommt. Im Regenwasserfall gibt es dabei eine relativ große Verdünnung, das wirkt sich nicht so stark aus. Was wir festgestellt haben ist, dass es im Trockenwetterfall immer wieder zu Fehleinleitungen kommt. Was vielleicht im guten Glauben, dass der Kanal in die Kläranlage führe, in den Kanal geleert wird, gelangt in Wirklichkeit in die Liesing. Zum Teil werden auch ohne Bewilligung Bauwässer eingeleitet, aber es hat auch immer wieder größere Unfälle gegeben.

Die ganzen Wienerwaldbäche kommen aus dem Flysch-Einzugsgebiet. Diese haben bei Niederwasser sehr niedrigen Abfluss, bei Hochwasser dafür sehr schnell einen hohen Abfluss. Deshalb gibt es natürlich keine Verdünnung und ein Eintrag wirkt sich schon sehr stark aus und es kann zu Fischsterben kommen. Die größeren Ereignisse fallen natürlich eher auf, aber man kann davon ausgehen, dass immer eine kleine Belastung stattfindet. Auf den Straßen kommt es natürlich auch zu Staub- und Reifenabrieb und wenn es regnet, hat gelangen diese Verunreinigungen in den ersten Spülstoß.

Flysch:
Ein Schweizer Ausdruck. Eine regelmäßige Schichtung von hauptsächlich Sandsteinen und Mergeln. Der Aufbau ist sehr instabil und neigt zu Hangrutschungen. In Österreich reicht diese Zone vom Nordrand der Ostalpen bis Wien.
Quelle: https://www.gamssteig.de/lexikon/flysch

Welche Maßnahmen gegen solche stofflichen Belastungen gibt es?

Die Lösung dafür ist nicht, die ganzen Regenwässer in die Kläranlage ableiten – das ist seitens der Dimension schwierig – sondern, dass man Begleitkanäle baut, die kleinere Einträge im Trockenwetterfall abfangen können und in die Kläranlage leiten. Wenn es stark regnet, kann so der erste Spülstoß noch aufgefangen werden. Dabei gibt es einen Überlauf, bei dem das Regenwasser bei länger andauerndem Regen wieder in die Liesing führt. Prinzipiell ist es ja erwünscht, das Wasser wieder dem Fließgewässer zukommen zu lassen, weil wir ohnehin oft sehr niedrige Wasserstände haben, was sich durch den Klimawandel verschärft.

Das größere Problem sind die diffusen Belastungen, die über das Einzugsgebiet kommen. Im ländlichen Gebiet stammen diese von Ackerflächen, bei denen Nährstoffe in das Feld eingetragen werden, die dann wieder in die Gewässer gelangen. In intensiv genutzten Gebieten passiert das sehr häufig. Man kann als Maßnahme entweder Programme zur Reduktion der Düngung durchführen, was anschließend vom Land verordnet werden kann oder Pufferstreifen entlang von Gewässern anlegen, in denen man eine gewisse Vegetationszone zur Verfügung hat, durch die diese Nährstoffe zurückgehalten werden. Das Problem ist oft, dass bis zum Gewässerrand geackert wird.
Die Kläranlage in Breitenfurt ist zwar am neuesten Stand, aber von der Kapazität bei Starkregenereignissen dann auch nicht ganz ausreichend.

Kann es von der Bevölkerung bei solchen Projekten zu Widerständen kommen?

Das hatten wir in Wien selbst noch nie. Es ist in der Regel so, dass Renaturierungsmaßnahmen sehr befürwortet werden und dass die Rückmeldungen im Nachhinein sehr positiv sind. Während die Baustelle aktiv ist, hat man in der Regel eine gewisse Lärmbelästigung. Wir versuchen, das Material – die Pflasterung, die abgebaut wird, gleich vor Ort wiedereinzubauen. Es gibt Anlagen, die die Steine brechen und das bringt natürlich eine gewisse Lärmbelästigung. Wenn ein Baum gefällt werden musste, damit man etwas Platz schafft, gab es schon Proteste. Aber insgesamt gibt es keinen Widerstand gegen die Renaturierung und im Nachhinein waren die Reaktionen wirklich immer positiv.

Gibt es vor dem Setzen der Maßnahmen Informationen für die Bevölkerung?

Bei größeren Eingriffen, ja. Wir haben ja ein eigenes Infocenter an der Liesing. Es wird über den Bezirk natürlich kommuniziert. Vor Beginn hat es bereits die Möglichkeit gegeben, sich darüber zu informieren.

Wenn ein Abschnitt renaturiert wurde, welche Maßnahmen muss man weiterhin setzen?

Es braucht immer ein Pflegekonzept dazu, das in der Regel auch im Wasserrechtsverfahren vorgeschrieben wird. Dabei geht es vor allem darum, den Hochwasserschutz zu gewährleisten. Das Ziel ist zumindest, ein 100-jährliches Hochwasser, schadlos abzuführen. Wenn man begrünt und Bäume setzt, muss man darauf achten, dass man den Hochwasserabfluss nicht gefährdet. Die Bäume dürfen nicht zu groß werden. In den Pflegekonzepten wird abschnittsweise festgelegt, welche Bereiche kritisch sind – dort kann man sehr wenig Bepflanzung zulassen.

Ein großes Thema aktuell ist der Klimawandel. Böschungen sind sehr trockene Standorte. Das sollte in der Pflege schon entsprechend berücksichtigt werden. Wenn man die Bepflanzung durchführt, versuchen wir in letzter Zeit mehr Wildaufgeher zu fördern, weil die wesentlich widerstandsfähiger sind und sich besser entwickeln als Bäume in der Baumschule.
Die Böschungen müssen von Zeit zu Zeit auch gemäht werden. Wir versuchen, natürliche Wiesenbestände aufkommen zu lassen und keine Rasenpflege zu betreiben, um auch Blühpflanzen zu fördern.

Gibt es mit Neophyten Probleme bzw. kann man gegen diese vorgehen?

Fallopia japonica, der Japanische Staudenknöterich:
Eine schnellwüchsige, widerstandsfähige Pflanze, die in Japan, China und Korea beheimatet ist. Sie wurde als Futter- und Zierpflanze auch bei uns eingebracht und setzt sich leicht gegen einheimische Arten durch.
Quelle: Landwirtschaftskammer

Weniger bei der Liesing, aber mehr am Wienfluss haben wir große Probleme, gerade mit Fallopia. In den Wienflussbetten hat sich das sehr stark ausgebreitet und es gibt leider überhaupt kein Mittel dagegen, wie man die wirklich bekämpfen kann. Wenn es ganz kleinräumig ist und man sofort Maßnahmen ergreift, hat man eine Chance. Man muss die Pflanzen auch fachgerecht entsorgen. Man kann sie kompostieren in der Kompostieranlage in Wien. Angeblich sind die Temperaturen dort so hoch, dass sie nicht überleben können. Ansonsten muss man sie entweder komplett austrocknen lassen oder verbrennen. Wenn man die Pflanzenreste in den Wiener Restmüll gibt, werden sie mit Sicherheit verbrannt. Das Problem ist, dass Fallopia sehr tief wurzelt und sehr regenerationsstark ist. Es gibt sogar Berichte, bei denen sie bis fünf Meter wurzeln konnten. Man muss aber mindestens ein bis zwei Meter das Erdreich ausheben.

Ein weiteres Problem ist, dass sie echte Monokulturen schaffen und jeder Trieb, der abbricht, sofort wieder austreiben kann. Wenn bei Hochwasser an verschiedenen Stellen die Triebe anlanden, die durch das Hochwasser abgerissen wurden, fangen viele davon sofort an, auszutreiben und man hat wieder einen neuen Bestand.
Wir haben aktuell Versuche auf der Donauinsel laufen, bei denen man den Oberboden abgetragen hat, Unkrautvlies und wieder mit Erde bedeckt hat und diese Stellen anschließend mit Weiden bepflanzt. So wird das Wachstum möglichst unterdrückt. Sie kommen mit der Zeit zwar doch wieder durch, aber das Ziel ist, so viel Beschattung zu schaffen, dass sich der Staudenknöterich nicht durchsetzen kann. In Gewässernähe funktioniert es mit Weiden sehr gut, weil diese sehr schnellwüchsig und regenerationsfähig sind.
Das Ganze ist allerdings sehr aufwendig und deshalb auch nicht unbedingt die großflächige Lösung. Man kann Fallopia auch sehr intensiv mähen über viele Jahre. Aber an den Stellen, wo das gemacht wird, gibt es sogar einige, die nach 10 Jahren wieder zurückkommen. In gewissen Bereichen bekämpfen wir Fallopia regelmäßig. Auch beim Riesenbärenklau – wenn der auftaucht, wird sofort etwas gemacht. Bei Fallopia nur dort, wo einzelne, kleine Bestände sind und man eine realistische Chance hat.

Gibt es regelmäßiges Monitoring durch die Stadt Wien?

In Wien haben wir regelmäßiges Landesmonitoring, bei dem natürliche Qualitätselemente untersucht werden. Im Zusammenhang mit der Wasserrahmenrichtlinie sind das die Fische, das Makrozoobenthos und das Phytobenthos. Da gibt es ein Monitoring Programm, bei dem je nach Bedeutung und Größe des Gewässers, unterschiedlich häufig Untersuchungen durchgeführt werden. Das ist vor allem auch wichtig, um den Erfolg von solchen Maßnahmen zu belegen. Und einer der großen Vorteile in der Stadt ist, dass die Ausgangssituation in der Regel so schlecht ist, dass man immer einen Erfolg nachweisen kann. Bei anderen Flüssen ist das oft sehr schwierig: Es werden teure Maßnahmen umgesetzt, zum Beispiel eine große Aufweitung auf mehreren 100 Metern, und oft kann man nicht nachweisen, wenn man den ökologischen Zustand ermittelt, dass es wirklich Verbesserungen gibt, weil diese graduell stattfinden. Oft können Arten gar nicht zuwandern, weil sie durch Hürden gar nicht dorthin gelangen.

Phytobenthos und Makrozoobenthos:
Das Benthos beinhaltet alle bodenbewohnenden Organismen eines Gewässers. Daher bezieht sich das Makrozoobenthos auf alle wirbellosen Tiere der Gewässersohle mit über 1mm. Das Phytobenthos sind dementsprechend die Pflanzen, die den Gewässerboden bewachsen.
Quelle: Amt der oÖ Landesregierung

Bei der Renaturierung der Liesing im untersten Bereich, schon vor 20 Jahren, fand im Rahmen des LIFE Projekts ein intensives Monitoring statt. Dabei sind auch die Libellen, Uferkäfer und Makrozoobenthos betrachtet worden und man konnte zeigen, wie schnell der Bach wieder besiedelt wird. Dort hat sich aber die Problematik der Nährstoffeinträge gezeigt und zusätzlich die Schadstoffeinträge aus dem Regenwasserkanal. Wir haben danach auch noch längere Zeit Monitoring durchgeführt und konnten so feststellen, dass die Artenzahlen steigen. Wenn ein derartiger Schadstoffeintrag stattfand, wurde die Zönose wieder fünf Jahre zurückgeworfen. Sensible Arten fallen dann wieder aus und es dauert eine gewisse Zeit, bis sie sich wieder etablieren können. Das war der Grund, aus dem man wusste, dass man diese Einträge über das Regenwasser möglichst reduzieren muss.

Im Rahmen des Landesmonitorings haben wir in größeren Abständen auch chemisch-physikalische Untersuchungen. Dazu gibt es heuer wieder aktuell ein laufendes Programm, bei dem die wichtigsten Fließgewässer untersucht werden. Dabei gibt es monatliche Beprobungen über ein Jahr, woraufhin man z.B. vergleichen kann, wie sich die Parameter in den letzten 10 Jahren verändert haben. Maßgebend für die Bewertung des ökologischen Zustands sind aber die biologischen Parameter.

Warum ist Gewässer Renaturierung wichtig?

Eine sehr philosophische Frage. Weil man wieder ein bisschen gut machen kann, was in der Vergangenheit passiert ist – auch aus gutem Grund, das darf man auch nicht vergessen. Der Wienfluss ist nicht aus Spaß so verbaut worden. Das war ein sehr verzweigtes Gewässersystem, aber im Zuge der industriellen Revolution haben sich immer mehr Betriebe angesiedelt und es sind Abwässer direkt in das Gewässer geleitet worden. In dieser Zeit war das auch ein Abwasserkanal, der bei Hochwässern über die Ufer getreten ist. So sind die Giftstoffe und Keime auch in das Grundwasser gelangt und es gab immer wieder große Choleraepidemien. Deshalb hat man es damals auch so massiv verbaut. Das ist auch der Grund, warum so viele Bäche, die aus dem Wienerwald kommen, verrohrt wurden. Es war auch eine große Geruchsbelästigung und ein hygienisches Problem.

Heute wären wir froh, wenn wir diese Bäche im natürlichen Zustand wieder hätten. Jetzt ist es leider in der Regel zu spät.

Es ist unsere Verpflichtung, den nachfolgenden Generationen gegenüber, wieder etwas gut zu machen. Es ist auch für die Stadt besonders wichtig im Zuge des Klimawandels, weil solche Grünachsen wichtig sind für das Stadtklima. Es sind oft Frischluftschneisen und Wanderkorridore, nicht nur für aquatische Arten, sondern auch zur Orientierung für Vögel und terrestrische Insekten. Was in der Stadt auch eine besondere Rolle spielt, ist die Verbesserung der Naherholung. Dies ist auch wichtig dafür, damit man die Finanzierung politisch argumentieren kann, dass man Millionen investiert, weil so auch die Bevölkerung davon profitiert.
Den Menschen zieht es immer zum Wasser. Wohnen am Wasser erhöht die Lebensqualität sehr stark und es hat aus meiner Sicht einen Klimaschutzeffekt auch dahingehend, dass man nicht unbedingt darauf angewiesen ist, weit weg zu fahren, sondern man kann sich auch vor der Haustüre erholen. Wien hat dabei den Vorteil mit dem Donauraum. Hier hat man Naherholungsgebiete direkt vor der Haustüre.

Ich bedanke mich im Namen von bioskop für das informative Interview!

Weiterführende Links:

bioskop Beitrag:
Österreichs Fließgewässer: geprägt durch Regulierung und Renaturierung

Stadt Wien

Foto: Anna Geisler

Intakte Fließgewässer sind eine wichtige Lebensgrundlage für Pflanzen-, Tierarten und auch den Menschen, doch der Weg zurück zu einem natürlichen Zustand ist keine einfache Aufgabe. Das Europa des 20. Jahrhunderts war geprägt von einer radikalen Umgestaltung und Kultivierung natürlicher Landschaften, was den Verlust natürlicher Ökosysteme zur Folge hatte. Können wir aber die Schäden wieder ungeschehen machen? Restaurationsökologie befasst sich damit, Ökosysteme zu renaturieren. Derartige Bemühungen etablierten sich sukzessive und sind ein bedeutender Bestandteil nicht nur der Restaurationsökologie, sondern auch des gesellschaftlichen Bildes. Gewässer sind eine Lebensgrundlage für Mensch und Natur. Was Gewässerrenaturierung ist, was sie beinhaltet und welche Auswirkungen sie hat – damit befassen wir uns hier am konkreten Beispiel der Liesing.

Jahrzehnte der Veränderung

Gewässer sind ein essenzieller Bestandteil des Lebens und für viele Arten ein wichtiger Lebensraum. Sowohl die Schaffung von Ackerland, als auch die Fragmentierung der natürlichen Umgebung durch Infrastruktur veränderten unsere Ökosysteme teils drastisch. In Österreich führte nicht nur schädliche Einträge intensiver Landwirtschaft, sondern auch drastische Regulierungsmaßnahmen zu einer maßgeblichen Veränderung vieler Fließ- und Stillgewässer und deren Umgebung. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der einst fünf Kilometer breite Auengürtel der ursprünglichen Donau. Altarme wurden vom Hauptstrom getrennt und liefen als Folge Gefahr, zu eutrophieren oder ganz zu versiegen. Für Auen charakteristische Arten verloren ihren Lebensraum.

Begriffserklärung
In der Restaurationsökologie umfasst ähnlich klingende Begrifflichkeiten:
– Restauration sorgt für die Wiederherstellung des Originalzustandes eines Ökosystems.
– Regeneration ist die Reparatur im Hinblick auf einzelne Ökosystemfunktionen.
– Sanierung ist die “Reparatur unter gezieltem Einsatz von Maßnahmen”.
– Renaturierung bedeutet naturnahe Gestaltung, nicht der Originalzustand.
– Revitalisierung kann als Renaturierung oder Sanierung verstanden werden

Quelle: Schaefer, M. (2012). Wörterbuch der Ökologie. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg.

Rückblick auf die Donauregulierung

Während der 1. Donauregulierung in den 1870ern wurde die natürliche Dynamik der Donau gestoppt, ein neues Flussbett für die Donau angelegt und Seitenarme stillgelegt. Die zweite Regulierung erfolgte in den 1970er bis 1980ern, bei der als Hochwasserentlastungsgerinne die Neue Donau angelegt wurde. Seitenarme, wie das Heustadlwasser, wurden zu einem Altwasser, das einer natürlichen Verlandung und Eutrophierung unterworfen ist.

Eutrophierung
Darunter versteht man die Anreicherung von Nährstoffen in einem Ökosystem. Das führt zu einer erhöhten Produktion, d.h. dem Gewinn an Biomasse. Diese wird von Mikroorganismen nach dem Absterben unter Verbrauch von Sauerstoff zersetzt. Der Sauerstoffmangel, der dadurch entstehen kann, wird allgemein als „Umkippen“ eines Gewässers bezeichnet.

Quelle: Schaefer, M. (2012). Wörterbuch der Ökologie. Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg.


Die Liesing – Blick in die Vergangenheit

In Rodaun vereinigen sich Dürre und Reiche Liesing zu einem Fluss, dem Liesingbach, der den 23.Bezirk und das Wiener Becken durchfließt. Zwischen 1770 und 1825 kam es zu verstärkten Hochwasserereignissen von Wiener Gewässern, wodurch so auch zunehmend Regulierungsmaßnahmen, also Begradigungen unter anderem der Liesing vorgenommen wurden. Nachdem auch die Siedlungsfläche im 19. Jahrhundert deutlich zunahm, verstärkte auch die steigende Bodenversiegelung die Hochwassergefahr – weitere Regulierungsmaßnahmen waren die Folge. Da auch mehr Abwasser in die Liesing eingeleitet wurden, belastete auch das den Fischbestand.

Besonders intensiv reguliert wurde die Liesing ab 1939: Die Flusssohle wurde abgesenkt, Uferböschungsbefestigungen gebaut und Schottergruben mit Sohlpflasterungen ersetzt. In den 70er Jahren wurde zeitgleich mit Regulierungsmaßnahmen aber bereits mit vereinzelter Renaturierung begonnen. Um 1980 wurden nach vermehrten Hochwasserschäden Rückhaltebecken in Inzersdorf und Alterlaa gebaut. Obwohl die Kanalisation ausgebaut wurde, floss weiterhin verschmutztes Regenwasser in die Liesing. 

Auswirkungen der Regulierung

Eine direkte Folge von Regulierungsmaßnahmen eines Flusses nimmt die Fließgeschwindigkeit zu. Oftmals werden auch die Uferbereiche wesentlich steiler und verbaut. Somit ergeben sich teils unmögliche Lebensbedingungen für Arten, die langsam fließende Gewässer und Uferstrukturen benötigen. Da Seitenarme komplett durch Regulierungseingriffe versiegen können, wird nicht nur der Lebensraum eingeschränkt, sondern auch das natürliche Wasserrückhaltepotential. Bei Hochwasserereignissen steigt die Gefahr für den Menschen dadurch sogar noch. 

Nicht renaturierter Abschnitt der Liesing. Foto: Anna Geisler

Pläne bis 2027

Bereits über neun Kilometer der Liesing wurden revitalisiert – ein erster Abschnitt bereits 1997, jedoch fand der bisher längste Sanierungsabschnitt zwischen Großmarktstraße und Kledering statt. Die MA45 und Wien Kanal arbeiten in Zusammenarbeit an der Renaturierung der Liesing. 

Der Prozess wird in sechs Bauteile eingeteilt, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Bauplan vermerkt sind. Finanziert wurde der erste Abschnitt der Liesing durch ein EU-LIFE Projekt. Mit dem LIFE Projekt sollen auch vor allem die Auswirkungen des Klimawandels bearbeitet werden. Die Finanzierung weiterer Bauabschnitte erfolgt durch das Wasserbautenförderungsgesetz bzw. durch den Fördertopf des Umweltförderungsgesetzes. Fertiggestellt werden sollen die verschiedenen Bauteile voraussichtlich 2027.

Maßnahmen der Renaturierung

Wichtige Bestandteile einer Flussrenaturierung beginnen beim Entfernen der Pflasterung, die einst eine Regulierungsmaßnahme war, und können auch Verbreiterungen des Flussufers beinhalten. Sowohl in der Flusssohle, als auch im Uferbereich wurden verschiedene Strukturen eingebracht. Auch die Fließgeschwindigkeit und die Tiefe des Gewässers sollte heterogener werden, da Tiere, wie Fische oder Insekten, unterschiedliche Zonen bevorzugen. Jungfische beispielsweise brauchen Flachwasserbereiche und kleine Buchten mit ruhigem Wasser können essentiell für manche Insektenlarven sein. Barrieren und Verbauungen können Fische schwer oder gar nicht überwinden, weshalb auch hierbei ein Rückbau notwendig wird. Für große Fische sind Kolke oftmals ein geeigneter Lebensraum – das sind Eintiefungen, die in fließenden Gewässern durch Abrieb entstehen. 

Nachdem Schritte zur Renaturierung gesetzt werden, soll das Gewässer aber nicht vollkommen sich selbst überlassen sein. Ein regelmäßiges Monitoring und zum Teil auch Pflegemaßnahmen der renaturierten Abschnitte muss geschehen, um den Erfolg der Maßnahmen zu messen und diesen kontinuierlich zu stärken. Zudem zeigt es die Wirksamkeit auf und kann auf zusätzlich nötige Schritte hinweisen.

Strukturreicher Lebensraum für Artenvielfalt

Natürliche bzw. naturnahe Gewässer bieten eine Vielzahl an Strukturen, die von unterschiedlichen Pflanzen- und Tierarten genutzt werden, die wiederum verschiedene ökologische Funktionen haben. Um Beispiele zu nennen – die strukturelle Vielfalt von natürlichen oder naturnahen Gewässern kann durch unterschiedlich große Steine der Gewässersohle entstehen oder tote und lebende Gehölze an Ufern. Diese Elemente im Lebensraum bieten Organismen unterschiedliche Lebensbedingungen. Daher können diese Strukturelemente auch als Maßstab für Biodiversität und Ökosystem Funktion genutzt werden. Denn verschiedene Organismen und Lebensgemeinschaften gedeihen in unterschiedlichen Nischen. An regulierten Flussläufen wird diese Diversität stark eingeschränkt. 

Strukturreiche Uferbereiche und Gewässersohle im renaturierten Bereich der Liesing. Foto: Anna Geisler

Kulturelles Gut und Schutz

Nicht nur den verschiedenen Tier- und Pflanzenarten dienen Renaturierungsmaßnahmen, denn einige wichtige Funktionen dieser Ökosysteme kommen auch Mensch und Gesellschaft zugute. Grundsätzlich kann unterschieden werden zwischen unterstützenden, versorgenden, regulierenden und kulturellen Leistungen. Im Fall von Gewässern betrifft das vor allem kulturelle Leistungen, wie mentale Erholung und Entspannung und auch regulierende Leistungen, die das Wasserrückhaltepotential in Auengebieten. In gewisser Weise dienen natürliche und naturnahe Landschaften sowohl Tieren als auch Menschen auf unterschiedliche Art als Lebensraum. 

Strategie zur Renaturierung

Die Wiederherstellung von ökologisch wichtigen Lebensräumen stellt einen Pfeiler der von der Europäischen Kommission formulierten Biodiversitätsstrategie 2030 dar. Inbegriffen in dem 10-Punkte-System ist die “Wiederherstellung für Biodiversität und Klimaschutz besonders wichtiger Ökosysteme”. 

Die Renaturierung unterschiedlicher Ökosysteme, wie Wälder, Wiesen, Moore und Gewässer gehört dabei zu einer wesentlichen Aufgabe. Für die Umsetzung sind die jeweiligen Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten bzw. entsprechende Gebietskörperschaften verantwortlich. Aber auch NGOs, Initiativen und Unternehmen setzen sich in Kooperation mit den betroffenen Grundeigentümern für die Umsetzung der qualitativen und quantitativen Ziele ein. 

Zurück an den Ursprung?

Die sichtlichen Verbesserungen, die durch die Renaturierung von Lebensräumen erzielt werden, drücken auch die Notwendigkeit dazu aus. Oftmals spielt bei den Erfolgen aber auch der zeitliche Prozess eine Rolle. Morphologische Veränderungen können im Gegensatz zu den biologischen – je nach Zugänglichkeit zum renaturierten Gebiet – schneller beobachtet werden. Die anfängliche Frage danach, ob wir Schäden wieder gut machen können, lässt sich weder mit „ja“ noch „nein“ beantworten. Wir können Fließgewässer Ökosysteme aufgrund heute gegebener Infrastruktur und Besiedelung nicht mehr in ihren ursprünglichen Zustand zurückführen. Aber wir können sie in einen naturnahen Zustand bringen und mit regelmäßiger Pflege die gewünschte Artenvielfalt erhalten. 


Weitere Infos zur Liesingbach Renaturierung, findet ihr hier.