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Foto: Anna Geisler

Neben der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzung ökologischer Lebensräume, steigt nun auch die Priorität derer Erhaltung und Wiederherstellung. In einem Interview mit Herrn Dr. Thomas Ofenböck befassen wir uns mit der Renaturierung von Fließgewässern in Wien am speziellen Beispiel der Liesing. Herr Dr. Ofenböck der MA45 stellte sich dankenswerter Weise für ein Interview über die bereits erfolgte und weiterhin geplante Renaturierung der Liesing bereit. Das in sechs Abschnitte geteilte Projekt wird zwischen Kaiser-Franz-Josefstraße und Großmarktstraße umgesetzt. Bis 2009 arbeitete Dr. Ofenböck am Institut für Hydrobiologie und ist nun seit September 2009 bei der Stadt Wien angestellt. Dort ist er insbesondere mit der Renaturierung Wiener Fließgewässer involviert.

Foto: Dr. Thomas Ofenböck

Wie werden Gewässerabschnitte, wie beispielsweise an der Liesing, für die Renaturierung ausgewählt?

Es gibt die europäische Wasserrahmenrichtlinie, die dazu verpflichtet, alle Gewässer in einen guten Zustand zu bringen. Dazu gibt es auch den nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan, bei dem alle sechs Jahre ein Plan erstellt wird, was in der kommenden Periode an Maßnahmen gesetzt werden. Berichtspflichtig sind Gewässer an über 10 km² Einzugsgebiet, die prinzipiell Priorität haben.

Guter Zustand:
Der gute Zustand eines Gewässers als Vorgabe der Wasserrahmenrichtlinie, setzt sich aus ökologischen, morphologischen, physikalischen und chemischen Komponenten zusammen. Sowohl Lebensgemeinschaften, als auch Aspekte wie Strömung, Flussbettbeschaffenheit und chemische Schadstoffe fallen unter diese Bewertung. Anhand dessen ist eine Bewertung durchzuführen, in wie weit ein Gewässer vom natürlichen Zustand abweicht. 
Quelle: Umweltbundesamt

Bei der Prioritätensetzung steht vor allem auch die Durchgängigkeit im Vordergrund. Deshalb werden prioritär auch Gewässerstrecken ausgewählt, die für Lang- und Mittelstreckenwanderer unter den Fischen von Bedeutung sind. Es gab in Wien schon vor der Wasserrahmenrichtlinie eine Prioritätenreihung für mögliche Renaturierungsmaßnahmen.

Aktuell ist die Liesing sehr im Fokus. Dort spielt in die Priorität hinein, dass auch Hochwasserschutzmaßnahmen erforderlich waren. Periodisch wird neu berechnet, ob der Hochwasserschutz noch gewährleistet ist. Wenn sich aufgrund der veränderten Niederschlagsverhältnisse, zunehmenden Starkregenereignisse und des zunehmenden Versiegelungsgrads, ergibt, dass Maßnahmen gesetzt werden sollten, werden solche Gewässer prioritär behandelt. Generell wird versucht Hochwasserschutz und Gewässerrenaturierung zu vereinen.

In Wien sind von den berichtspflichtigen Fließgewässern, die in der Zuständigkeit von Wien als Gemeinde liegen, nur Liesing, Mauerbach und Wienfluss betroffen. Donau und Donaukanal sind in Bundeszuständigkeit, da sie Bundesgewässer und Schifffahrtsstraßen sind. Wir sind zwar als Bundesland verantwortlich, dass Maßnahmen umgesetzt werden, aber die Maßnahmensetzung erfolgt in diesem Fall durch die Via Donau. Das Bundesland ist verantwortlich für die Prioritätensetzung.

Wo macht Gewässer Renaturierung in Wien keinen Sinn?

Prinzipiell ist das Ziel, irgendwann alle Gewässer in einen guten Zustand zu bringen. Dazu gibt es auch zusätzlich das gute ökologische Potential für erheblich veränderte Gewässer.

Gutes ökologisches Potential (GÖP):
Zunächst als Definition des „höchsten ökologischen Potentials“ (HÖP). Dabei handelt es sich um den bestmöglichen Zustand, den ein erheblich verändertes oder artifizielles Gewässer erreichen kann. Als GÖP versteht man eine nur geringe Abweichung des HÖP.
Quelle: Wörterbuch der Ökologie

Die Ausweisung als erheblich verändertes Gewässer erfolgt aufgrund der Hydromorphologie. Wenn es übergeordnete Nutzungen gibt, die den guten Zustand verhindern bzw. wenn man den guten Zustand nicht erreichen könnte, ohne diese übergeordnete Nutzung aufzugeben, hat diese Vorrang. Übergeordnete Nutzungen sind zum Beispiel Hochwasserschutz oder auch Energieerzeugung.

Wienfluss und Liesing sind über das ganze Stadtgebiet als erheblich veränderte Gewässer ausgewiesen. Das heißt, das Ziel ist da nicht der gute Zustand, sondern das gute ökologische Potential. Dieses ist etwas abgemindert, weil es heute im urbanen Raum sehr schwierig ist, Maßnahmen so umzusetzen, dass man wirklich einen guten Zustand erreicht, weil einfach in der Regel der Platz nicht vorhanden ist.

Vom personellen und finanziellen Aufwand ist jetzt die Liesing im Fokus. Dabei ist das Ziel, bis 2027 den gesamten Abschnitt soweit zu renaturieren, wie es im Rahmen der Gegebenheiten möglich ist und so, dass die Durchgängigkeit geschaffen wird.

Wer finanziert das Renaturierungsprojekt an der Liesing?

Der unterste Bereich der Liesing, der schon Anfang der 2000er Jahre renaturiert wurde, war ein LIFE Projekt. Der jetzige Abschnitt wird über das Wasserbautenförderungsgesetz gefördert, weil zu der Zeit keine Mittel aus dem Umweltförderungsgesetz zur Verfügung standen und weil es auch eine Hochwasserschutzmaßnahme ist. Für rein morphologischen Maßnahmen gibt’s einen eigenen Fördertopf über das Umweltförderungsgesetz. Dieser ist wurde mit 200 Millionen Euro dotiert. Und da ist die Bundesförderung 60% für kommunale Teilnehmer.

Was ist nach der Auswahl des Gewässerabschnitts der erste Schritt der Renaturierung?

Im Rahmen des nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans werden Grundlagen ja schon erhoben und es gibt auch eine Risikoanalyse. Dazu gibt es natürlich auch Monitoring. Die Biologie steht dabei im Vordergrund. Da werden die Abschnitte festgelegt, an denen Maßnahmen gesetzt werden sollen und auch festgelegt, welche das sind. Das sind morphologische Maßnahmen oder stoffliche, je nachdem, was das biologische Monitoring aussagt. Für das gute ökologische Potential muss man auf jeden Fall einen guten stofflichen Zustand erreichen.

Was sind stoffliche Belastungen?

An der Liesing haben wir eine stoffliche Belastung, allerdings auch schon aus Niederösterreich. Es kommt natürlich im Stadtgebiet noch einiges hinzu. Wir haben an der Liesing beim Kanalsystem ein Trennsystem, das für Wien einzigartig ist. Das Schmutzwasser wird zur Kläranlage geleitet, aber das Regenwasser geht direkt in die Liesing. Das hat Vor- und Nachteile. Der Nachteil ist, dass mit dem Regenwasser einiges an Einträgen mitkommt. Im Regenwasserfall gibt es dabei eine relativ große Verdünnung, das wirkt sich nicht so stark aus. Was wir festgestellt haben ist, dass es im Trockenwetterfall immer wieder zu Fehleinleitungen kommt. Was vielleicht im guten Glauben, dass der Kanal in die Kläranlage führe, in den Kanal geleert wird, gelangt in Wirklichkeit in die Liesing. Zum Teil werden auch ohne Bewilligung Bauwässer eingeleitet, aber es hat auch immer wieder größere Unfälle gegeben.

Die ganzen Wienerwaldbäche kommen aus dem Flysch-Einzugsgebiet. Diese haben bei Niederwasser sehr niedrigen Abfluss, bei Hochwasser dafür sehr schnell einen hohen Abfluss. Deshalb gibt es natürlich keine Verdünnung und ein Eintrag wirkt sich schon sehr stark aus und es kann zu Fischsterben kommen. Die größeren Ereignisse fallen natürlich eher auf, aber man kann davon ausgehen, dass immer eine kleine Belastung stattfindet. Auf den Straßen kommt es natürlich auch zu Staub- und Reifenabrieb und wenn es regnet, hat gelangen diese Verunreinigungen in den ersten Spülstoß.

Flysch:
Ein Schweizer Ausdruck. Eine regelmäßige Schichtung von hauptsächlich Sandsteinen und Mergeln. Der Aufbau ist sehr instabil und neigt zu Hangrutschungen. In Österreich reicht diese Zone vom Nordrand der Ostalpen bis Wien.
Quelle: https://www.gamssteig.de/lexikon/flysch

Welche Maßnahmen gegen solche stofflichen Belastungen gibt es?

Die Lösung dafür ist nicht, die ganzen Regenwässer in die Kläranlage ableiten – das ist seitens der Dimension schwierig – sondern, dass man Begleitkanäle baut, die kleinere Einträge im Trockenwetterfall abfangen können und in die Kläranlage leiten. Wenn es stark regnet, kann so der erste Spülstoß noch aufgefangen werden. Dabei gibt es einen Überlauf, bei dem das Regenwasser bei länger andauerndem Regen wieder in die Liesing führt. Prinzipiell ist es ja erwünscht, das Wasser wieder dem Fließgewässer zukommen zu lassen, weil wir ohnehin oft sehr niedrige Wasserstände haben, was sich durch den Klimawandel verschärft.

Das größere Problem sind die diffusen Belastungen, die über das Einzugsgebiet kommen. Im ländlichen Gebiet stammen diese von Ackerflächen, bei denen Nährstoffe in das Feld eingetragen werden, die dann wieder in die Gewässer gelangen. In intensiv genutzten Gebieten passiert das sehr häufig. Man kann als Maßnahme entweder Programme zur Reduktion der Düngung durchführen, was anschließend vom Land verordnet werden kann oder Pufferstreifen entlang von Gewässern anlegen, in denen man eine gewisse Vegetationszone zur Verfügung hat, durch die diese Nährstoffe zurückgehalten werden. Das Problem ist oft, dass bis zum Gewässerrand geackert wird.
Die Kläranlage in Breitenfurt ist zwar am neuesten Stand, aber von der Kapazität bei Starkregenereignissen dann auch nicht ganz ausreichend.

Kann es von der Bevölkerung bei solchen Projekten zu Widerständen kommen?

Das hatten wir in Wien selbst noch nie. Es ist in der Regel so, dass Renaturierungsmaßnahmen sehr befürwortet werden und dass die Rückmeldungen im Nachhinein sehr positiv sind. Während die Baustelle aktiv ist, hat man in der Regel eine gewisse Lärmbelästigung. Wir versuchen, das Material – die Pflasterung, die abgebaut wird, gleich vor Ort wiedereinzubauen. Es gibt Anlagen, die die Steine brechen und das bringt natürlich eine gewisse Lärmbelästigung. Wenn ein Baum gefällt werden musste, damit man etwas Platz schafft, gab es schon Proteste. Aber insgesamt gibt es keinen Widerstand gegen die Renaturierung und im Nachhinein waren die Reaktionen wirklich immer positiv.

Gibt es vor dem Setzen der Maßnahmen Informationen für die Bevölkerung?

Bei größeren Eingriffen, ja. Wir haben ja ein eigenes Infocenter an der Liesing. Es wird über den Bezirk natürlich kommuniziert. Vor Beginn hat es bereits die Möglichkeit gegeben, sich darüber zu informieren.

Wenn ein Abschnitt renaturiert wurde, welche Maßnahmen muss man weiterhin setzen?

Es braucht immer ein Pflegekonzept dazu, das in der Regel auch im Wasserrechtsverfahren vorgeschrieben wird. Dabei geht es vor allem darum, den Hochwasserschutz zu gewährleisten. Das Ziel ist zumindest, ein 100-jährliches Hochwasser, schadlos abzuführen. Wenn man begrünt und Bäume setzt, muss man darauf achten, dass man den Hochwasserabfluss nicht gefährdet. Die Bäume dürfen nicht zu groß werden. In den Pflegekonzepten wird abschnittsweise festgelegt, welche Bereiche kritisch sind – dort kann man sehr wenig Bepflanzung zulassen.

Ein großes Thema aktuell ist der Klimawandel. Böschungen sind sehr trockene Standorte. Das sollte in der Pflege schon entsprechend berücksichtigt werden. Wenn man die Bepflanzung durchführt, versuchen wir in letzter Zeit mehr Wildaufgeher zu fördern, weil die wesentlich widerstandsfähiger sind und sich besser entwickeln als Bäume in der Baumschule.
Die Böschungen müssen von Zeit zu Zeit auch gemäht werden. Wir versuchen, natürliche Wiesenbestände aufkommen zu lassen und keine Rasenpflege zu betreiben, um auch Blühpflanzen zu fördern.

Gibt es mit Neophyten Probleme bzw. kann man gegen diese vorgehen?

Fallopia japonica, der Japanische Staudenknöterich:
Eine schnellwüchsige, widerstandsfähige Pflanze, die in Japan, China und Korea beheimatet ist. Sie wurde als Futter- und Zierpflanze auch bei uns eingebracht und setzt sich leicht gegen einheimische Arten durch.
Quelle: Landwirtschaftskammer

Weniger bei der Liesing, aber mehr am Wienfluss haben wir große Probleme, gerade mit Fallopia. In den Wienflussbetten hat sich das sehr stark ausgebreitet und es gibt leider überhaupt kein Mittel dagegen, wie man die wirklich bekämpfen kann. Wenn es ganz kleinräumig ist und man sofort Maßnahmen ergreift, hat man eine Chance. Man muss die Pflanzen auch fachgerecht entsorgen. Man kann sie kompostieren in der Kompostieranlage in Wien. Angeblich sind die Temperaturen dort so hoch, dass sie nicht überleben können. Ansonsten muss man sie entweder komplett austrocknen lassen oder verbrennen. Wenn man die Pflanzenreste in den Wiener Restmüll gibt, werden sie mit Sicherheit verbrannt. Das Problem ist, dass Fallopia sehr tief wurzelt und sehr regenerationsstark ist. Es gibt sogar Berichte, bei denen sie bis fünf Meter wurzeln konnten. Man muss aber mindestens ein bis zwei Meter das Erdreich ausheben.

Ein weiteres Problem ist, dass sie echte Monokulturen schaffen und jeder Trieb, der abbricht, sofort wieder austreiben kann. Wenn bei Hochwasser an verschiedenen Stellen die Triebe anlanden, die durch das Hochwasser abgerissen wurden, fangen viele davon sofort an, auszutreiben und man hat wieder einen neuen Bestand.
Wir haben aktuell Versuche auf der Donauinsel laufen, bei denen man den Oberboden abgetragen hat, Unkrautvlies und wieder mit Erde bedeckt hat und diese Stellen anschließend mit Weiden bepflanzt. So wird das Wachstum möglichst unterdrückt. Sie kommen mit der Zeit zwar doch wieder durch, aber das Ziel ist, so viel Beschattung zu schaffen, dass sich der Staudenknöterich nicht durchsetzen kann. In Gewässernähe funktioniert es mit Weiden sehr gut, weil diese sehr schnellwüchsig und regenerationsfähig sind.
Das Ganze ist allerdings sehr aufwendig und deshalb auch nicht unbedingt die großflächige Lösung. Man kann Fallopia auch sehr intensiv mähen über viele Jahre. Aber an den Stellen, wo das gemacht wird, gibt es sogar einige, die nach 10 Jahren wieder zurückkommen. In gewissen Bereichen bekämpfen wir Fallopia regelmäßig. Auch beim Riesenbärenklau – wenn der auftaucht, wird sofort etwas gemacht. Bei Fallopia nur dort, wo einzelne, kleine Bestände sind und man eine realistische Chance hat.

Gibt es regelmäßiges Monitoring durch die Stadt Wien?

In Wien haben wir regelmäßiges Landesmonitoring, bei dem natürliche Qualitätselemente untersucht werden. Im Zusammenhang mit der Wasserrahmenrichtlinie sind das die Fische, das Makrozoobenthos und das Phytobenthos. Da gibt es ein Monitoring Programm, bei dem je nach Bedeutung und Größe des Gewässers, unterschiedlich häufig Untersuchungen durchgeführt werden. Das ist vor allem auch wichtig, um den Erfolg von solchen Maßnahmen zu belegen. Und einer der großen Vorteile in der Stadt ist, dass die Ausgangssituation in der Regel so schlecht ist, dass man immer einen Erfolg nachweisen kann. Bei anderen Flüssen ist das oft sehr schwierig: Es werden teure Maßnahmen umgesetzt, zum Beispiel eine große Aufweitung auf mehreren 100 Metern, und oft kann man nicht nachweisen, wenn man den ökologischen Zustand ermittelt, dass es wirklich Verbesserungen gibt, weil diese graduell stattfinden. Oft können Arten gar nicht zuwandern, weil sie durch Hürden gar nicht dorthin gelangen.

Phytobenthos und Makrozoobenthos:
Das Benthos beinhaltet alle bodenbewohnenden Organismen eines Gewässers. Daher bezieht sich das Makrozoobenthos auf alle wirbellosen Tiere der Gewässersohle mit über 1mm. Das Phytobenthos sind dementsprechend die Pflanzen, die den Gewässerboden bewachsen.
Quelle: Amt der oÖ Landesregierung

Bei der Renaturierung der Liesing im untersten Bereich, schon vor 20 Jahren, fand im Rahmen des LIFE Projekts ein intensives Monitoring statt. Dabei sind auch die Libellen, Uferkäfer und Makrozoobenthos betrachtet worden und man konnte zeigen, wie schnell der Bach wieder besiedelt wird. Dort hat sich aber die Problematik der Nährstoffeinträge gezeigt und zusätzlich die Schadstoffeinträge aus dem Regenwasserkanal. Wir haben danach auch noch längere Zeit Monitoring durchgeführt und konnten so feststellen, dass die Artenzahlen steigen. Wenn ein derartiger Schadstoffeintrag stattfand, wurde die Zönose wieder fünf Jahre zurückgeworfen. Sensible Arten fallen dann wieder aus und es dauert eine gewisse Zeit, bis sie sich wieder etablieren können. Das war der Grund, aus dem man wusste, dass man diese Einträge über das Regenwasser möglichst reduzieren muss.

Im Rahmen des Landesmonitorings haben wir in größeren Abständen auch chemisch-physikalische Untersuchungen. Dazu gibt es heuer wieder aktuell ein laufendes Programm, bei dem die wichtigsten Fließgewässer untersucht werden. Dabei gibt es monatliche Beprobungen über ein Jahr, woraufhin man z.B. vergleichen kann, wie sich die Parameter in den letzten 10 Jahren verändert haben. Maßgebend für die Bewertung des ökologischen Zustands sind aber die biologischen Parameter.

Warum ist Gewässer Renaturierung wichtig?

Eine sehr philosophische Frage. Weil man wieder ein bisschen gut machen kann, was in der Vergangenheit passiert ist – auch aus gutem Grund, das darf man auch nicht vergessen. Der Wienfluss ist nicht aus Spaß so verbaut worden. Das war ein sehr verzweigtes Gewässersystem, aber im Zuge der industriellen Revolution haben sich immer mehr Betriebe angesiedelt und es sind Abwässer direkt in das Gewässer geleitet worden. In dieser Zeit war das auch ein Abwasserkanal, der bei Hochwässern über die Ufer getreten ist. So sind die Giftstoffe und Keime auch in das Grundwasser gelangt und es gab immer wieder große Choleraepidemien. Deshalb hat man es damals auch so massiv verbaut. Das ist auch der Grund, warum so viele Bäche, die aus dem Wienerwald kommen, verrohrt wurden. Es war auch eine große Geruchsbelästigung und ein hygienisches Problem.

Heute wären wir froh, wenn wir diese Bäche im natürlichen Zustand wieder hätten. Jetzt ist es leider in der Regel zu spät.

Es ist unsere Verpflichtung, den nachfolgenden Generationen gegenüber, wieder etwas gut zu machen. Es ist auch für die Stadt besonders wichtig im Zuge des Klimawandels, weil solche Grünachsen wichtig sind für das Stadtklima. Es sind oft Frischluftschneisen und Wanderkorridore, nicht nur für aquatische Arten, sondern auch zur Orientierung für Vögel und terrestrische Insekten. Was in der Stadt auch eine besondere Rolle spielt, ist die Verbesserung der Naherholung. Dies ist auch wichtig dafür, damit man die Finanzierung politisch argumentieren kann, dass man Millionen investiert, weil so auch die Bevölkerung davon profitiert.
Den Menschen zieht es immer zum Wasser. Wohnen am Wasser erhöht die Lebensqualität sehr stark und es hat aus meiner Sicht einen Klimaschutzeffekt auch dahingehend, dass man nicht unbedingt darauf angewiesen ist, weit weg zu fahren, sondern man kann sich auch vor der Haustüre erholen. Wien hat dabei den Vorteil mit dem Donauraum. Hier hat man Naherholungsgebiete direkt vor der Haustüre.

Ich bedanke mich im Namen von bioskop für das informative Interview!

Weiterführende Links:

bioskop Beitrag:
Österreichs Fließgewässer: geprägt durch Regulierung und Renaturierung

Stadt Wien

Titelbild: Platzertal (Foto: Christoph Praxmarer)

40 Umweltvereine und Wissenschafter:innen fordern Ausbau-Stopp für Kraftwerk Kaunertal – Tiroler Landesregierung muss die letzten intakten Alpenflüsse schützen und naturverträgliche Energiewende umsetzen.

Insgesamt 40 Umweltvereine und Stimmen aus der Wissenschaft fordern in einer gemeinsamen Erklärung den Stopp des Ausbaukraftwerks Kaunertal. Stattdessen müsse die Tiroler Landesregierung die letzten intakten Alpenflüsse schützen und eine konsequent naturverträgliche Energiewende umsetzen. „Dieses Großprojekt steht wie kein anderes für die völlig überzogene Ausbaupolitik der TIWAG. Wir brauchen eine naturverträgliche Energiewende statt weiterer Verbauung alpiner Naturräume“, mahnt Bettina Urbanek, Gewässerschutzexpertin des WWF Österreich. Für das Projekt plant die TIWAG bis zu 80 Prozent des Wassers aus dem Ötztal, einem der niederschlagsärmsten Täler Tirols, auszuleiten und im ökologisch einzigartigen Platzertal einen 120 Meter hohen Staudamm zu errichten und dahinter neun Fußballfelder Moorflächen zu fluten. „Das hätte verheerende Folgen für die hochsensible Naturlandschaft, würde wichtige Lebensräume zerstören und die Biodiversitätskrise befeuern.“

Frei fließende Bäche und Flüsse zählen zu den wertvollsten Lebensräumen weltweit – auch in den Alpen. Dennoch werden diese letzten Wildflüsse verbaut und somit zu den Verlierern einer verfehlten Energiepolitik“

Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

„Frei fließende Bäche und Flüsse zählen zu den wertvollsten Lebensräumen weltweit – auch in den Alpen. Dennoch werden diese letzten Wildflüsse verbaut und somit zu den Verlierern einer verfehlten Energiepolitik“, kritisiert Prof. Dr. Klement Tockner, Generaldirektor der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und fährt fort: „Wasserkraft ist zwar eine erneuerbare aber keinesfalls eine umweltfreundliche oder klimaneutrale Energiequelle. Durch den geplanten Ausbau des Kraftwerks Kaunertal würden vier bisher noch weitgehend intakte Alpenflüsse zu Rinnsalen degradiert.“ Das verändere den Wasserhaushalt einer ganzen Region – mit gravierenden Folgen für Natur und Mensch.

GLOBAL 2000 Geschäftsführerin Agnes Zauner fordert anstelle des Ausbaus eine naturverträgliche Energiewende: „Der jüngste Bericht des Weltklimarates hat eindrücklich gezeigt, dass wir die Klima- und Biodiversitätskrise nur mit Hilfe der Natur bewältigen können. Es geht jetzt darum, wertvolle Naturräume zu schützen und die Energiewende naturverträglich voranzutreiben.“ Dazu gehöre in Tirol ein Schwerpunkt auf Einsparung von Energie, den Photovoltaik-Ausbau und den Austausch von Öl- und Gas-Heizungen gegen Fernwärme, Wärmepumpen und Solarenergie. „Nur so kann Tirol unabhängig von Öl, Gas und Kohle werden.“

„Zusätzliche Speicher müssen unbedingt naturverträglich realisiert werden. Dass das möglich ist, zeigen andere Projekte. Sie funktionieren als geschlossene Systeme, benötigen keine neuen Naturflächen und verursachen keine zusätzliche Schwallbelastung in Flüssen“, ergänzt Bettina Urbanek vom WWF.

Ausbaupläne für das Kraftwerk Kaunertal (Bild: WWF)

Das Kaunertal war früher das Tal der Wasserfälle.

Anita Hofmann, Verein Lebenswertes Kaunertal

Naturgefahren durch Naturzerstörung

Das Kraftwerk Kaunertal zeige bereits in seiner derzeitigen Form das Ausmaß der Naturzerstörung und der Beeinflussung der Menschen im Kaunertal, schildert Anita Hofmann vom Verein Lebenswertes Kaunertal: „Das Kaunertal war früher das Tal der Wasserfälle. Doch seit dem Bau des Kraftwerks liegen unsere ehemaligen Almböden unter Wasser und die sprudelnden Seitenbäche sind versiegt. Wir können und wollen keine weitere Naturzerstörung zulassen.” Besorgt zeigte sich Hofmann auch beim Thema Naturgefahren: „Wir leben seit Jahren mit der Sorge vor einer Hangrutschung beim bereits bestehenden Gepatschstausee. Der Ausbau des Kraftwerks mit Pumpspeicherbetrieb würde dieses Risiko noch weiter erhöhen, da die Gefahr besteht, dass die umliegenden Hänge durch das ständige Fluten und Leeren stärker in Bewegung kommen.” Darüber hinaus drohe der Bau auch den für das Kaunertal so wichtigen, nachhaltigen Tourismus zu gefährden. „Der Ausbau bedeutet für uns massive Großbaustellen mit enormen Deponieflächen, die Naturräume zerstören. Hinzu kommen jahrelange Lärm- und Verkehrsbelastungen mit zahllosen LKW-Fahrten, die jeden Tag das Tal hinaufkeuchen sowie eine signifikante Verschlechterung der Luftqualität.”

Über die Kaunertal-Erklärung 2022

Die vom WWF Österreich initiierte Kaunertal Erklärung wird unterstützt von 30 Organisationen aus den Bereichen Umwelt-, Natur- und Klimaschutz, Fischerei und Wildwassersport. Darunter sind der Verein Lebenswertes Kaunertal, GLOBAL 2000, der Naturschutzbund, der Alpenverein, Fridays for Future Innsbruck, WET Tirol, das Österreichische Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz, die Austrian Biologist Association (ABA) und zahlreiche weitere. Dazu kommen 10 Stimmen aus der Wissenschaft.

Mehr Informationen:
www.fluessevollerleben.at/kaunertal

Vollständige Auflistung der unterstützenden Organisationen (alphabetisch):

Organisationen

  • ABA Austrian Biologist Association
  • Alpenverein Österreich
  • Austrian Youth Biodiversity Network
  • Bayerische Einzelpaddler-Vereinigung e.V.
  • Bayerischer Kanu Verband e.V.
  • Birdlife Österreich
  • BUND Naturschutz in Bayern e.V.
  • EuroNatur Stiftung
  • Forum Wissenschaft & Umwelt
  • Free Rivers Fund
  • Fridays for Future Innsbruck
  • Generation Earth
  • GLOBAL 2000
  • LBV Landesbund für Vogelschutz Bayern
  • Living European Rivers Initiative
  • Naturfreunde Österreich
  • Naturschutzbund Österreich
  • ÖKF FishLife Österreichisches Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz
  • Ökobüro – Allianz der Umweltbewegung
  • Patagonia
  • Riverwalk
  • Riverwatch
  • Save our Rivers
  • The River Collective
  • Umweltdachverband
  • Verein Lebenswertes Kaunertal
  • VÖAFV Verband der Österreichischen Arbeiter-Fischerei-Vereine
  • WET – Wildwasser erhalten Tirol
  • WWF European Policy Office, Brüssel
  • WWF Österreich

Wissenschafter:innen

  • Franz Essl; Ao.Univ-Prof. Mag. Dr., Department für Botanik und Biodiversitätsforschung – Universität Wien
  • Leopold Füreder; Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr., Institut für Ökologie – Universität Innsbruck
  • Armin Landmann; Univ.-Doz. Mag. Dr., Institut für Zoologie – Universität Innsbruck
  • Susanne Muhar; Ao.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr., Inst. für Hydrobiologie und Gewässermanagement – Universität für Bodenkultur
  • Birgit Sattler, Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr., Institut für Ökologie – Universität Innsbruck
  • Gabriel Singer; Univ.-Prof. Mag. Dr., Institut für Ökologie – Universität Innsbruck
  • Klement Tockner; Prof. Dr., Goethe-Universität Frankfurt; Generaldirektor Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
  • Roman Türk; Univ.-Prof. i.R. Dr., – Präsident Naturschutzbund Österreich
  • Peter Weish; Univ.Doz. Dr., Institut für Zoologie – Universität für Bodenkultur
  • Steven Weiss; Ao.Univ.-Prof. Dr., Institut für Biologie – Karl-Franzens Universität Graz

Titelbild: Große Weidetiere übernehmen wichtige Funktionen innerhalb eines Ökosystems. Sie werden oft als eine der ersten Tierarten wiedereingeführt. © Arend de Haas – True Nature Foundation

Rewilding: The radical new science of ecological recovery”. So lautet der Titel des neuen Buches von Paul Jepson und Cain Blythe. Aber was ist Rewilding? Und ist der Ansatz wirklich so radikal?

Hört man Rewilding, denkt man schnell an wilde Tiere, ungezähmte Natur und Wildnis. Da ist die Frage naheliegend, ob so etwas im dichtbesiedelten Mitteleuropa überhaupt möglich ist.

Doch hinter Rewilding steckt mehr als eine idealisierte Vorstellung von wilder Natur. Dass Rewilding auch in Europa möglich ist, zeigen zahlreiche Rewilding-Projekte. True Nature Foundation, Rewilding Europe, Rewilding Britain, Scotland: The big picture sind nur ein paar Beispiele für Organisationen, die Rewilding bereits erfolgreich in die Tat umsetzten.

Zusammenleben von Mensch und Tier: Warnschild im Rewilding Europe-Gebiet im zentralen Apennin © Lina Dilly

Was genau ist Rewilding?

Eine klare Definition gibt es nicht und es gibt verschiedene Rewilding-Ansätze mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Doch im Grunde geht es beim Rewilding darum, der Natur wieder mehr Raum zu geben und natürliche Prozesse und die Funktionalität geschädigter Ökosysteme wiederherzustellen.

Zu Beginn muss der Mensch da häufig eingreifen und der Natur sozusagen einen Anstoß in die richtige Richtung geben. Ein typischer Eingriff ist die Wiederansiedlung wichtiger verlorengegangener Tierarten. Funktionieren die natürlichen Prozesse wieder, kann die Natur dann weitestgehend sich selbst überlassen werden. Intakte Natur reguliert sich selbst. Sie ist dynamisch und verändert sich und daher geht es bei Rewilding auch nicht darum, einen bestimmten Zustand oder Endpunkt zu erreichen und zu erhalten.

Häufig werden vier Formen des Rewildings unterschieden:

  1. Trophisches Rewilding
  2. Pleistozän-Rewilding
  3. Translokation-Rewilding
  4. Passives Rewilding

Eine fünfte Form von Rewilding, die in diesem Artikel ebenfalls kurz angesprochen wird, ist urbanes Rewilding.

Trophisches Rewilding

Beim trophischen Rewilding geht es darum, die Verbindung zwischen Beutegreifern und ihrer Beute wiederherzustellen. Große Beutegreifer haben im Ökosystem eine regulierende Funktion. Ihre Abwesenheit wirkt sich auf verschiedenen Ebenen des Nahrungsnetzes aus und kann das gesamte Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen.

Das wohl berühmteste Beispiel für trophisches Rewilding und gleichzeitig auch der Ursprung von Rewilding ist der Yellowstone Nationalpark in den USA. In den 1990er Jahren hat die Wiederansiedlung von Wölfen dazu geführt, dass wichtige natürliche Prozesse in den aus dem Gleichgewicht geratenen Ökosystem wiederhergestellt wurden. Der Einfluss war so groß, dass selbst Flussläufe sich veränderten.

Wolfsrudel ©unsplash

Pleistozän-Rewilding

Gegen Ende des Pleistozäns vor ca. 12000 Jahren ist ein Großteil der Megafauna wahrscheinlich als Folge der Jagd ausgestorben. In der Arktis führte der Verlust der Megafauna zu einem Ökosystemwandel. Ohne Mammuts, Bisons, Löwen und andere große Tiere, die die Gegend durchstreiften, verwandelten sich die einst offenen Landschaften in die riesigen Tundra- und Taiga-Ökosysteme, die wir heute kennen.

Es gibt Theorien, dass Megafauna und offene Landschaften sich positiv auf die Erhaltung des Permafrosts auswirken können. Doch ausgestorbene Arten lassen sich nicht zurückbringen. Beim Pleistozän-Rewilding werden daher verwandte Arten der Eiszeit-Bewohner, oder Arten mit ähnlicher Funktion im Ökosystem, wiederangesiedelt. Das könnte sich in Zukunft jedoch ändern, denn es wird auch an der „Wiedererschaffung“ ausgestorbener Arten wie dem Mammut geforscht.

Das bislang einzige Beispiel für Pleistozän-Rewilding ist der Pleistozän-Park in Sibirien, wo Permafrost-Wissenschaftler Sergey Zimov gemeinsam mit seinem Sohn Nikita mit der Wiedereinführung von großen Tieren experimentieren.

Translokation-Rewilding

Translokation-Rewilding hat entweder die Verstärkung einer bestehenden Population oder die Wiederansiedlung einer lokal ausgestorbenen Art zum Ziel.

Ist die Zielart bereits ausgestorben, kommen heutige Nachkommen der ausgestorbenen Art, oder funktional ähnlichen Arten in Betracht. In diesem Fall ähnelt Translokation-Rewilding dem Pleistozän-Rewilding. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf Arten der jüngeren Vergangenheit.

Ein gutes Beispiel ist das Iberá-Projekt im Nordosten Argentiniens. Tiere wie Jaguar, Riesenflussotter, Halsbandpekari, Ozelot und viele mehr waren in dem Gebiet entweder komplett ausgestorben oder in ihrer Population stark dezimiert. Seit 2007 wurden ausgestorbene Arten wieder angesiedelt und geschwächte Populationen gestärkt. Heute ist der Iberá Park Argentiniens größtes Naturgebiet und 2018 wurden seit 70 Jahren das erste mal wieder Jaguar-Babys im Park geboren. 

Jaguar-Babys im Iberá Park © Rewilding Argentina
Freilassung von Halsbandpekari im Iberá Park © Rafael Abuin Aido – Rewilding Argentina
Riesenflussotter im Iberá Park © Rafael Abuin Aido – Rewilding Argentina

Passives Rewilding

Wie der Name vermuten lässt, geht es beim passiven Rewilding darum, die menschliche Kontrolle über Landschaften zu reduzieren und der Natur mehr Raum zu geben, um sich selbst zu regulieren. Auch der strengere Artenschutz hat in den letzten Jahrzehnten dazu geführt, dass Tiere und Pflanzen von ganz alleine zurückkommen.

Biberdamm in Tirol in der Nähe von Biberwier. Biber kehren langsam in viele Gebiete Europas zurück, wo sie für viele Jahre abwesend waren © Lina Dilly

Im Idealfall gelangen die oben beschriebenen Formen des Rewildings nach einem anfänglichen Push des Menschen alle in diesen Zustand der Selbstregulation.

Typische Gebiete für passives Rewilding sind von der Landwirtschaft aufgegebene Flächen. Diese Flächen werden nicht mehr aktiv durch den Menschen genutzt und nach und nach erobert sich die Natur diese Flächen zurück.

Urbanes Rewilding

Mit dem Trend der Urbanisierung wird auch urbanes Rewilding immer wichtiger. Urbanes Rewilding findet zwar in einem relativ kleinen Maßstab statt, ist aber dennoch eine wichtige Form des Rewildings. Im städtischen Raum konzentriert sich Rewilding oft auf das Potenzial von Gründächern und der Vergrößerung anderer städtischer Naturflächen. So werden attraktivere Lebensräume für Mensch und Tier geschaffen.

Koexistenz von Mensch und Tier

Bei Rewilding geht es darum, Situationen zu schaffen, bei denen alle Lebewesen gleichermaßen profitieren. Es ist ein innovativer Ansatz im Naturschutz. Doch in gewisser Hinsicht könnte man Rewilding auch als eine Art Philosophie betrachten. Denn Rewilding zielt nicht nur darauf ab, die Funktionalität geschädigter Ökosysteme wiederherzustellen, sondern auch die Beziehung zwischen Mensch und Natur.

Wir Menschen sind Teil der Natur und in einem gesunden Ökosystem ist daher auch Platz für uns Menschen. Zivilisation, Kultur und Natur müssen einander nicht ausschließen.

Ist Rewilding also wirklich ein so radikaler Ansatz? Auf den ersten Blick mag es vielleicht so aussehen. Doch schaut man genauer hin, könnte Rewilding die Lösung für ein harmonisches Miteinander von Mensch, Tier und Natur sein.

Möchtest du selbst aktiv werden, dich engagieren oder einfach mehr zum Thema Rewilding erfahren? Werde Mitglied der GLFx Rewilding Community of Practice oder folge uns auf Facebook und Instagram. Die Rewilding Academy bietet außerdem spannende Rewilding-Kurse.

Quellen
Jepson, P., & Blythe, C. (2020). Rewilding: The radical new science of ecological recovery. London: Icon.
True Nature Foundation: https://truenaturefoundation.org/
Rewilding Europe: https://rewildingeurope.com/

Titelbild: Glühwürmchen. Foto: Stefan Ineichen, www.gluehwuermchen.ch

Glühwürmchen sind ein gutes Zeichen für natürliche Lebensräume; sie sind Nützlinge, die vor allem unliebsame Schnecken vom Garten fernhalten und erfreuen viele Menschen mit ihrem Leuchten. Die Umweltberatung hat ein Beobachtungsprojekt gestartet. Mitarbeiten kann jede und jeder: Jede Sichtung von Glühwürmchen im Großraum Wien kann einfach per Mail oder telefonisch gemeldet werden.

Glühwürmchen sind Indikatoren für gut strukturierte, naturnahe Lebensräume. Eine Voraussetzung dafür, dass die Lebensräume der Glühwürmchen erhalten bleiben, ist naturnahes Gärtnern – also keine Pestizide einzusetzen, bei der Pflanzenauswahl auf die Vielfalt zu achten und auch Wildpflanzen wachsen zu lassen. Wenn dann noch die künstliche Gartenbeleuchtung auf ein Minimum reduziert wird, umso besser!

Romantisch und nützlich

In Österreich gibt es drei Arten von Glühwürmchen (siehe Infobox). Eines haben sie alle gemeinsam: Sie erzeugen in ihrem Körper durch Biolumineszenz kaltes Licht in den Leuchtzellen an ihrem hinteren Bauchende. Romantisch finden das Glühen der Glühwürmchen, die eigentlich zur Ordnung der Coleoptera, also zu den Käfern gehören, nicht nur Menschen: Das Leuchten dient dazu, dass Männchen und Weibchen in der Paarungszeit zueinanderfinden. Glühwürmchen erfreuen nicht nur unser Gemüt, sie sind auch nützlich: Glühwürmchenlarven vertilgen alle Arten von Schnecken. Die Opfer werden mit mehreren Giftbissen überwältigt, oft meterweit bis zu einem geschützten Fressplatz geschleppt und dort in Ruhe verspeist.

Glühwürmchen-Hotspots vom Prater bis zum Maurer Berg

DIE UMWELTBERATUNG erhebt Glühwürmchenvorkommen in Wien. BeobachterInnen können unter der Hotline 01 803 32 32 anrufen und den UmweltberaterInnen mitteilen, wo sie Glühwürmchen entdeckt haben. Viele Glühwürmchen leuchten an bekannten Ausflugszielen. Romantische Plätze an lauen Sommerabenden sind zum Beispiel Prater, Dehnepark, Gspöttgraben und Maurer Berg.

Glühwürmchenstandorte

Eine Liste sämtlicher Glühwürmchenstandorte, die bei DIE UMWELTBERATUNG gemeldet wurden, ist auf www.umweltberatung.at/gluehwuermchen zu finden. Meldungen von Glühwürmchenstandorten nimmt DIE UMWELTBERATUNG an ihrer Hotline entgegen: Tel. 01 803 32 32, service@umweltberatung.at

Infoblatt „Glühwürmchen“

Informationen über die Lebensweise der Glühwürmchen, welche Arten in Österreich vorkommen und wodurch sie im Garten gefördert werden, bietet DIE UMWELTBERATUNG im Infoblatt „Glühwürmchen“, das kostenlos heruntergeladen werden kann: www.umweltberatung.at/gluehwuermchen-das-zauberhafte-funkeln-im-dunkeln

In Österreich findet man vorwiegend drei Arten von Glühwürmchen vor:

Lampyris noctiluca – der Große Leuchtkäfer: Hier leuchten nur die Weibchen, die auf Halmen sitzend auf die Männchen warten. Die Larven ernähren sich unter anderem von Nacktschnecken. Lamprohiza splendidula – der Kleine Leuchtkäfer: Die Männchen fliegen leuchtend durch die Nacht; die Weibchen sitzen – ebenfalls leuchtend – an Pflanzen. Phosphaenus hemipterus – der Kurzflügel-Leuchtkäfer: Leuchtet relativ wenig und bleibt in Bodennähe.Weltweit gehören zur Familie der Leuchtkäfer (Lampyridae) rund 2.000 Arten. Wer mehr über die Klassifikation der Lampyridae erfahren möchte, findet auf Fauna-EU mehr Infos.

Links

https://fauna-eu.org/cdm_dataportal/taxon/613a87e4-253a-4834-bf5e-1f07d7dae694
www.umweltberatung.at/gluehwuermchen

Dieser Beitrag erschien in etwas abgewandelter Form auf unhappyus.com, Titelbild: Biologin Anna Schöpfer am Fluss (Credit: Eveline Mader)

oder was man über Österreichs längsten freien Flussabschnitt noch wissen sollte

Vor kurzem hat der EU-weite Fitnesscheck der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) geendet: Bis März konnte online jeder seine Stimme abgeben und sich für den Fortbestand des Gewässerschutzes aussprechen. Das Ergebnis ist noch nicht bekannt. Sollte die Umfrage nicht zugunsten der WRRL ausfallen, könnte eine Aufweichung der Richtlinien die Folge sein. Um dem vorzubeugen, haben die Westösterreichischen Biologen beim Naturkino unlängst Hafner`s Inn-Doku im Haus der Begegnung in Innsbruck gezeigt. Anna Schöpfer hat den fachlichen Input dazu geliefert. Im Interview erzählt uns die Doktorandin, wie eine Reise nach Laos ihr Leben verändert hat, warum der Inn der Europäer mit der liberalsten Grenzeinstellung ist und wieso eine Wasserrahmenrichtlinie eigentlich einen Test bestehen muss, damit uns die Flüsse erhalten bleiben.

Anna, wenn du von deinen Projekten erzählst, ist das Thema Fluss omnipräsent. Woher kommt die Faszination dafür?

In Laos am Fluss. Quelle Anna Schöpfer

Nach der Schule war ich mit Freundinnen in Laos. Es ist ein irrsinnig schönes Land mit wenig Infrastruktur, deswegen sind wir nur an Flüssen entlang gereist. Es war das erste Mal, dass ich natürliche Flüsse gesehen hab. In Tirol wächst man ja neben dem total verbauten Inn auf. In Laos hab ich gemerkt: Der Fluss macht ja Biegungen, ist verzweigt, hat natürliche Ufervegetation. Er ist Trinkwasserquelle, Fischgrund, die Leute leben davon, aber das Land ist in starkem Wandel.

Inwiefern?

Es wird abgeholzt für Gummibaumplantagen. Zudem gibt es viel Müll durch den Tourismus und die Veränderung des Lebensstandards. Der Müll landet im Fluss. Außerdem sind viele Staudammprojekte in Entwicklung – da hab ich gemerkt, das hat doch gravierende Folgen für das Land, für die Menschen. Ich hab das Bedürfnis gehabt in einem Bereich zu arbeiten, der Relevanz hat, aktuelle Themen aufgreift und international eine Rolle spielt, wo es um Lebensgrundlagen geht. Ich hab dann auf der Boku Umwelt- und Bioressourcen Management studiert. Im Master bin ich wieder zu den Flüssen zurückgekehrt und hab mich für Gewässermanagement (Limnology and Wetland Mangement) entschieden.

Inn bei Innsbruck. Quelle: Anna Schöpfer

Du bist auch bei der Westösterreichischen Biologenvereinigung aktiv und gestaltest den monatlichen Filmabend „Welt der Wunder“ mit. Kürzlich habt ihr auch die ORF-Doku „Inn-Der grüne Fluss aus den Alpen“ von Franz Hafner gezeigt. Was macht den Inn so besonders, dass man gleich eine ganze Doku darüber macht?

Der Inn ist ein sehr interessanter Fluss. Er beginnt in der Schweiz, im Engadin, fließt dann durch Tirol, Bayern und Oberösterreich und mündet schließlich in Passau in die Donau. Er fließt also durch 3 Länder. Das ist das Tolle an Flüssen: Sie haben keine nationalen Grenzen, sind verbindendes Element zwischen den Ländern. Der Inn in Tirol hat zudem die längste durchgehende freie Fließstrecke Österreichs. Allerdings ist er an vielen Stellen eingeengt worden, z.B. durch Wasserkraftwerke. Am Inn gibt es jedoch großes Potential für eine Renaturierung, also für einen Rückbau zur natürlichen Flusslandschaft.

Wie stellt man sich das vor?

In einer Zusammenarbeit zwischen den drei Länderpartnern soll nun gemeinsam überlegt werden: Was ist der aktuelle Zustand des Inns, wo gibt es Defizite, was wär der Zielzustand und wo gibt es Möglichkeiten, das zu erreichen.

Das könnte im Inntal schwierig werden, oder?

Ja, im Inntal stoßen besonders viele Interessen aufeinander: Es ist ein verdichteter Siedlungsraum, dann gibt`s Landwirtschaft dort und auch der Hochwasserschutz muss gewährleistet werden. Trotzdem gilt es Räume zu finden, wo man wieder für die Natur Platz machen kann, wo man den Fluss aufweiten und Synergien finden kann. Ein Beispiel: Wenn man den Fluss aufweitet und die Au an den Fluss anbindet, hat man auch wieder einen Hochwasserschutzeffekt. Filme wie die Inn-Doku sind ein guter Anfangspunkt, den Inn wieder mehr ins Bewusstsein der Leute zu rücken.

Anlass für die Doku beim Naturkino war ja auch die Abstimmung zur Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), eine Art Fitnesscheck. Kannst du uns mehr dazu erzählen?

Die WRRL ist seit 2000 eine der stärksten Umweltgesetzgebungen der europäischen Union und wird in ganz Europa umgesetzt. Ziel ist es, den Zustand aller Gewässer in Europa zu verbessern. In den letzten Jahren sind viele Flüsse renaturiert worden, aber man ist noch weit von den Zielen entfernt. Der von dir erwähnte Fitnesscheck wurde im Herbst 2018 gestartet. Dazu gehört auch die von den Umweltorganisationen organisierte Public Consultation. Bis März konnte da jeder online seine Meinung zur WRRL kundtun. Aus dem Grund hatten wir uns auch für die Inn-Doku entschieden, um deutlich zu machen, warum es wichtig ist, dass die WRRL erhalten bleibt und warum man bei der Consultation mitmachen sollte.

Die Abstimmung ist zwar offiziell schon vorbei, aber vielleicht kannst du trotzdem nochmal erklären: Was wären denn nun konkrete Gründe, die für eine starke WRRL sprechen?

Unsere Süßwasserräume gehören zu den gefährdetsten Lebensräumen der Erde, was den Artenschwund betrifft. 83 Prozent der Tier- und Pflanzenarten sind seit 1970 aus unseren Flüssen, Seen und Feuchtgebieten verschwunden. Grad in Europa sind viele Flüsse verbaut oder Feuchtgebiete trockengelegt worden. Da wäre es wichtig Tier- und Pflanzenarten wieder Raum zu geben. Außerdem sind Flüsse kreative Elemente in unserer Landschaft und seit Jahrtausenden eine Inspiration für die Menschen und ihre Entwicklung. Interessensverbänden der Industrie und Landwirtschaft käme eine Schwächung der WRRL allerdings gelegen.

Was würde denn eine Abschwächung des Gesetzes bewirken?

Wenn das Ergebnis der Consultation negativ ausfällt, das heißt viele Leute die WRRL abgelehnt haben, kann es sein, dass nach den EU Wahlen die Rahmenrichtlinie umgebaut bzw. aufgeweicht wird. Das wäre ein enormer Rückschlag, weil die WRRL große Wirkung hat und viel verhindert z.B. Kraftwerke an bestimmten Orten. Sie besagt auch, dass Fischtreppen gebaut werden müssen. Zudem sieht die WRRL vor, dass es für jedes Flusseinzugsgebiet einen Management-Plan gibt – im besten Fall grenzüberschreitend. Am Inn gibt es das noch nicht, aber der WWF ist dran. Wenn die WRRL in Takt bleibt und in der Praxis Fahrt aufnimmt, könnte ein echtes Leuchtturmprojekt am Inn entstehen. Idealerweise würde die drei Länder kooperieren und einen innovativen Management-Plan aufstellen.

Was wünscht du dir für den Inn?

Ich wünsch mir, dass es Stellen gibt, wo man natürliche Flusslandschaft erleben kann und dass Tier- und Pflanzenarten einen Platz haben. Am lässigsten wär, wenn man ein Stadtviertel machen könnte, wo man besser zum Fluss hinkommt, wo uns der Fluss wieder näher wäre …

…also nach Baumbart bei Herr der Ringe: „Brecht den Damm, befreit den Fluss“?

[lacht] Alle Mauern niederreisen geht nicht, natürlich muss man in Tirol auch den Hochwasserschutz gewährleisten. Aber der Inn sollte mehr Freiheit haben, dann würden wir auch mehr davon haben. Die Leute sollten sich Zeit nehmen ans Flussufer zu gehen und zu beobachten. Das tut uns gut.

Am Lech. Quelle: Anna Schöpfer

Anna Schöpfer ist PhD Studentin am Institut für Ökologie an der Universität Innsbruck und hat Heraklits Ausspruch Panta rhei praktisch zur Lebensphilosophie gemacht. Für ihre Dissertation untersucht sie im Augenblick, wie sich die Flusslandschaft im Tiroler Lech durch die Verbauungen und Renaturierungen verändert hat und ob sich der natürliche Zustand nach der Renaturierung wiedereinstellt. Nebenbei engagiert sie sich für die Westösterreichische Biologenvereinigung und plant derzeit ein größere Flussaktion – Stichwort „Science Rafting“, mehr sei dazu aber noch nicht verraten.

Links

Abb. 1: Ulrike Mittermüller, BSc.

Titelbild: © Ulrike Mittermüller

Ulrike Mittermüller, BSc., hat Biologie mit dem Schwerpunkt Natur- und Umweltschutz an der Universität Wien studiert und arbeitet als selbstständige Waldpädagogin und Naturvermittlerin in Niederösterreich.

1) Beschreibe bitte kurz Deinen Arbeitsalltag. Was sind Deine Hauptaufgaben?

Zu meinen Aufgaben zählen die Organisation, Koordination und Durchführung von Exkursionen und Workshops.
Als Naturvermittlerin und Waldpädagogin ist es mir ein Anliegen, die Teilnehmer meiner Veranstaltungen mit dem Wald bzw. der Natur vertraut zu machen.
Während unserer Führungen verbringen wir unsere gemeinsame Zeit mit jeder Menge Spaß in der Natur, hier wird das Wissen spielerisch vermittelt und nachhaltig gefestigt.

2) Was gefällt Dir an Deinem Job am meisten?

Am meisten gefällt mir, dass ich den Teilnehmern – Kindern und Erwachsenen – das vermitteln kann, von dem ich selbst sehr begeistert bin: die Natur.
Ich habe eine sehr abwechslungsreiche und kreative Arbeit, bei der ich meine Kurse so gestalten kann, wie ich das möchte. Besonders schön ist es, wenn ich die selbst gestalteten Konzepte dann durchführen kann und diese gut angenommen werden.

3) Was gehört zu den schwierigsten Dingen in Deinem Beruf? Was sind für Dich die größten Herausforderungen?

Eine der größten Herausforderungen ist sicherlich, sich auf verschiedenste Gruppen einzulassen und das Wissen an die jeweilige Gruppe, zum Beispiel Kindergartenkinder, Erwachsene, Senioren oder auch Personen mit besonderen Bedürfnissen anzupassen.

Abb. 2: Kindern die Umwelt näher bringen – für Ulrike Mittermüller der Traumjob und Berufsalltag in einem. © Ulrike Mittermüller

4) Wie bist Du auf diesen Job aufmerksam geworden?

Vor einigen Jahren bin ich zufällig auf die Ausbildung zur zertifizierten Waldpädagogin gestoßen und informierte mich darüber. Für mich war die Kombination von Forstwirtschaft und Naturschutz sehr spannend.
Nach dem Abschluss der Ausbildung führte ich zuerst Gruppen in den Wienerwald Naturparken. Dann machte ich mich selbstständig, da ich die Organisation der Führungen auch sehr spannend finde.
Da es immer wieder Veränderungen gibt, habe ich mich mit meinen KollegInnen zu der Kooperationsplattform „Natur plus – mehr erleben“ zusammengeschlossen. Dies erleichtert die Organisation und außerdem können wir unseren Kunden ein breiter gefächertes Angebot bieten.

5) Welche Qualifikationen waren besonders entscheidend, dass Du diesen Job bekommen hast?

Einerseits natürlich die Ausbildung zur zertifizierten Waldpädagogin, bei der ich lernte, Wissen spielerisch zu vermitteln. Andererseits aber auch diverse Übungen beziehungsweise Exkursionen an der Uni Wien, bei denen ein guter Grundstock der Artenkenntnis für die Arbeit in der Natur gelegt wurde.

6) War es schon immer Dein Wunsch eine Arbeit dieser Art auszuüben oder hattest Du früher andere Berufswünsche?

Schon früh war es mein Wunsch, später einmal als Biologin tätig zu sein. Die Idee, dies mit Vermittlungsarbeit zu kombinieren kam allerdings erst später.

Abb. 3: Das das wohl für ein Tier ist? Ulrike Mittermüller bringt Kinder und Tiere auf Tuchfühlung, um Ängste abzubauen und Interesse an der Natur zu wecken. © Ulrike Mittermüller
Abb. 4: So bunt ist die Natur – Kinder lernen über die Farben und Farbstoffe von Pflanzen. © Ulrike Mittermüller

7) Wie siehst Du die Arbeitsmarktsituation in Deinem Umfeld? Wie stehen die Jobaussichten für BiologInnen?

Sicherlich ist die Arbeitsmarktsituation für BiologInnen schwierig. Man muss sein Feld finden und überlegen, wie man dieses am Besten für sich nutzen kann. Allerdings muss man auch mutig genug sein, einfach ins kalte Wasser zu springen. Wenn man diesen Mut aufbringen kann, wird man auch seinen Weg machen.

8) Ist ein Biologiestudium für Deine Position notwendig, welche anderen Ausbildungen wären hilfreich?

Notwendig ist es nicht, allerdings ist es sehr hilfreich. Die Artenkenntnis, die mir im Studium vermittelt wurde, erleichtert mir die Arbeit ungemein. Außerdem lernt man im Studium die ökologischen Kreisläufe sehr gut kennen. Das Studium hilft mir also sicherlich auch dabei, auf die Fragen der Besucher meiner Führungen besser eingehen zu können.

Abb. 5: Teil der Workshops: Holz als Naturwerkstoff erleben und im wahrsten Sinne beGREIFEN. © Ulrike Mittermüller

9) Welche Inhalte des Biologiestudiums benötigst Du in Deinem Berufsalltag am häufigsten?

Besonders häufig brauche ich botanische und zoologische sowie auch naturschutzrelevante Inhalte.

10) Was würdest Du Biologiestudierenden raten, die sich für einen ähnlichen Job interessieren?

Sich die Arbeit bei der einen oder anderen Führung einmal anzuschauen. Man sollte für diese Tätigkeit auch motiviert sein, seine botanische und zoologische Artenkenntnis stetig auszubauen um für Fragen von TeilnehmerInnen gut gewappnet zu sein.

Vielen Dank!

Weblink: Natur plus – mehr erleben

Titelbild: Schulexkursion Gymnasium Admont. © C. Mairhuber

Mag. Dr. Christian Mairhuber ist seit 2010 Vertragsbediensteter beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung: sog. “Naturschutzbeauftragter” an der Baubezirksleitung des (österreichweit größten) Bezirkes Liezen. Zuvor (2004-2010) war er Biologe bei dem Technischen Büro für Biologie Ökoteam (www.oekoteam.at) in Graz.
Parallel dazu ist er seit 2002 Lehrbeauftragter der Uni Graz.

Christian Mairhuber

1) Christian, beschreibe bitte kurz Deinen Arbeitsalltag. Was sind Deine Hauptaufgaben?

Den überwiegenden Teil (~80-90%) meiner Arbeitszeit beanspruchen Amtssachverständigendienste für diverse Behörden (zB für Bezirkshauptmannschaft/Polit. Expositur, Landesregierung (zB UVP-Verfahren), Agrarbezirksbehörde).
Daneben bleibt aber noch ein wenig Zeit für zB Vertragsnaturschutz, Öffentlichkeitsarbeit (Exkursionen & Vorträge mit/bei Schulen, Kindergärten,verschiedenen Naturschutzorganisationen uvm.), für Projektbegleitung bei Naturschutzprojekten (zB life+) und weiteren landeseigenen Vorhaben (v.a. Wasser- und Straßenbauprojekte).

2) Was gefällt Dir an Deinem Job am meisten?

Das Spannendste an meinem Beruf ist sicher das sehr breite, äußerst diverse Aufgabenspektrum (von zB Kleintieren wie Insekten über Amphiben, Reptilien, Vögeln bis zu großen Säugetieren; von der Gewässerökologie über Offenland bis zu Wald) bei den verschiedenen Vorhabensbereichen (und somit auch diversen Rechtsgrundlagen) in den unterschiedlichsten Größenausprägungen. So landen bei mir Anfragen zur Entfernung von einzelnen Bäumen oder zu kleinsten Grabenräumungen, über Haus- , Wege- und Straßen- und Kraftwerksbauvorhaben ebenso am Tisch, wie große, UVP-pflichtige Projekte!

Spannend an meinem Beruf ist weiters, täglich mit den unterschiedlichsten Personen (-gruppen) tun zu haben und – trotz teilweise auf beiden Seiten vorhandenen Vorbehalten – immer wieder gute Lösungswege bzw. Kompromisse zu finden.

Schön ist es weiters, bei der täglichen Arbeit durch die Einbindung in die Planungsphase oder spätestens im Verwaltungsverfahren selbst, aktiv Naturschutzbelange einbringen zu können, gegebenenfalls weitere Maßnahmen einzufordern und zu entwickeln und die Ergebnisse einige Zeit später im Zuge der obligaten Überprüfungen zu evaluieren!

Darüber hinaus ist es ein sehr großer Vorteil in einer derart großen Organisation tätig sein zu dürfen, da zu nahezu jedem Rechts- und Fachbereich erfahrene Kollegen existieren, die man jederzeit um Auskunft bitten kann.

Nicht ganz unwesentlich für unsere Berufssparte sind aber vor allem auch der sichere Job samt adäquater Bezahlung bei trotzdem flexiblen/familientauglichen Arbeitszeiten, die Möglichkeit im Zuge von Aussendiensten in der Natur des traumhaften Bezirkes unterwegs sein zu können und – wie in meinem Falle glücklicherweise – wunderbare Arbeitskollegen!

LIFE+ Projekt in Admont: Enns Renaturierung (© C. Mairhuber)

3) Was gehört zu den schwierigsten Dingen in Deinem Beruf? Was sind für Dich die größten Herausforderungen?

Aufgrund zeitlicher und finanzieller Ressourcen ist es nicht immer möglich, Grundlageninformationen entsprechender Genauigkeit selbst zu erheben bzw. einzuholen , demnach sind Entscheidungen de facto oftmals bei pessimaler Datenlage zu treffen, was einem – wie man später meist merkt – manchmal besser, manchmal auch schlechter gelingt!

Weiters sind wir in unserem Tun strikt an rechtliche Vorgaben (zB Gesetze, Verordnungen,…) gebunden, deren Inhalt, sowie juristische Auslegung man sich durchaus das ein oder andere mal anders wünschen würde, aber beim Erlassen derartiger Rechtsgrundlagen werden/sind eben nicht ausschließlich “Naturschutz-Belange” heranzuziehen!

4) Wie bist Du auf diesen Job aufmerksam geworden?

Im Gespräch mit Biologen-Kollegen wurde ich auf dieses Stellenangebot aufmerksam gemacht.

5) Welche Qualifikationen waren besonders entscheidend, um zu diesem Job zu kommen?

Grundsätzliche Voraussetzung für diese Stelle ist ein Studium der Biologie (“Freiland-/Feldbiologe”; kein “Laborbiologe”).

Ausschlaggebend für die Vergabe sind aber die Zusatzqualifikationen (technische Ausbildungen, ua. CAD & GIS-Kentnisse; rechtliche Grundkenntnisse; breites naturschutzfachliches Wissen), ausreichend Praxis, sowie entsprechende soziale Kompetenz und Auftreten.

Amphibienschutz an Landesstraßen (© C. Mairhuber)

6) War es schon immer Dein Wunsch eine Arbeit dieser Art auszuüben oder hattest Du früher andere Berufswünsche?

Einen Beruf inmitten der Natur (zB als Gärtner, Jäger, Fischer, Förster) auszuüben war schon immer mein Herzenswunsch. Dass ich mich genau in diese Richtung entwickelt habe, ist eigentlich mehr oder weniger nur Zufall.

7) Wie siehst Du die Arbeitsmarktsituation in Deinem Umfeld? Gibt es für BiologInnen Arbeitsmöglichkeiten?

Grundsätzlich erscheint mir die Arbeitsmarktsituation für “Freilandbiologen” immerwährend schwierig zu sein, da beständig zahlreiche Studenten diese Richtung wählen und der Bedarf in der Privatwirtschaft, sowie im öffentlichen Dienst (Verwaltung, Museen, Universität,..) jedoch enden wollend ist.

Ich möchte aber keinesfalls jemanden entmutigen, dieses Studium bzw. diese “Fachrichtung” zu wählen, da das Studium selbst höchst spannend ist und sich – nicht zufällig – die begeistertsten, innovativsten und einsatzbereitesten Studenten (die sich zB bei Exkursionen oder auch anderen Lehrveranstaltungen bereits nach wenigen Minuten hervorheben/herauskristallisieren) auch später beruflich fix verankert wieder finden, da genau diese Personen während deren Ausbildung zahlreiche Praktika machen, somit zu vielen Zusatzqualifikationen kommen und im Laufe der Zeit ein breites Netzwerk an Personen aufgebaut haben und dadurch von ua. auch nicht öffentlich ausgeschrieben, internen Stellenangeboten erfahren bzw. sich aufgrund deren besseren Qualifikationen bei Hearings durchsetzen!

Demnach lautet mein Motto für Interessierte “Gas geben und das zu machen bzw. weiter zu verfolgen , was euch Spaß macht, selbst wenn zahlreiche Zurufer von Außen euch dies nicht wirklich empfehlen”!

8) Ist ein Biologiestudium für Deine Position notwendig, welche anderen Ausbildungen wären hilfreich?

Biologiestudium ist obligat, daneben sind sämtliche, der ua. Fähigkeiten von Vorteil (s. Frage 5)

  • Technische Kenntnisse (Pläne lesen, Karten interpretieren, v.a. GIS/CAD, PC-Kenntnisse, Bauaufsichten…)
  • Grundlagenwissen Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei
  • Breites fachliches Wissen ist bevorzugt (Artenkenntnisse bei Tier- und Pflanzenarten, Lebensräume, Gewässerökologie)
  • Rechtliche Grundkenntnisse (EU-Vorgaben, Bundes- & Landesgesetze, weitere Gesetze, Normen, Vorgaben …)
  • Umwelt-/Ökopädagogik
  • Erfahrungen im Formulieren von Gutachten

Außendienste samt Erfahrungen mit Dritten (Landwirten, Projektplanern, Baufirmen usw.)

9) Welche Inhalte des Biologiestudiums benötigst Du in Deinem Berufsalltag am häufigsten?

Die Erkenntnisse der Verhaltensforschung, darüber hinaus v.a. die Artenkenntnis und die Fähigkeiten, Ergebnisse samt Schlussfolgerungen zu Papier zu bringen.

10) Was würdest Du Biologiestudierenden raten, die sich für einen ähnlichen Job interessieren?

… sich früh genug um ausreichend Praxis zu kümmern, nach dem Studium erst daran zu denken, ist ein bisschen spät!

… auch über den Tellerrand zu schauen, welche relevanten – v.a. fachlich nahen – Belange außer dem Naturschutz auch noch existieren!

… gutes Durchhaltevermögen!

… & zu guter Letzt: ”reich heiraten”!

Vielen Dank für das Interview!

Kontakt und Links zum Thema:
Christian Mairhuber – Verwaltung Land Steiermark
Life+ Projekt: „Flusslandschaft Enns“

Tobias Friedel hat, nach dem Besuch der Land- und Forstwirtschaftlichen Schule in Wieselburg, begonnen Biologie in Wien zu studieren. 2008 hat er das Studium mit der Spezialisierung Anthropologie/ Humanökologie abgeschlossen. Seit 2009 arbeitet er bei dem technischen Büro für erneuerbare Energie „ImWind Operations GmbH“. Er betreut dort die Naturschutzbelange im Zusammenhang mit Windkraftprojekten.

1) Tobias, beschreibe bitte kurz Deinen Arbeitsalltag. Was sind Deine Hauptaufgaben?

Tobias Friedel

Genehmigungsverfahren, UVP Verfahren, Technische Planung von Windparks, Betreuung von Ausgleichsflächen, Konzeption von Vorhaben und Ausgleichsmaßnahmen.

2) Was gefällt Dir an Deinem Job am meisten?

Abwechslungsreich, Beschäftigung mit Naturschutz- und Wildökologiebelangen.

3) Was gehört zu den schwierigsten Dingen in Deinem Beruf? Was sind für Dich die größten Herausforderungen?

Viele Dinge im Kopf behalten und vorantreiben.

4) Wie bist Du auf diesen Job aufmerksam geworden?

Durch Kontakte.

5) Welche Qualifikationen waren besonders entscheidend, um zu diesem Job zu kommen?

Individuelle Zusatzqualifikationen, in meinem Fall war das Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Jagd.

6) War es schon immer Dein Wunsch eine Arbeit dieser Art auszuüben oder hattest Du früher andere Berufswünsche?

Ich habe mich immer eher treiben lassen und bin dort geblieben, wo es mir gefallen hat.

7) Wie siehst Du die Arbeitsmarktsituation in Deinem Umfeld? Gibt es für BiologInnen Arbeitsmöglichkeiten?

Immer mehr Betreiber erkennen die Bedeutung des Naturschutzes, damit verbunden ist eine fachlich profunde Auseinandersetzung damit, ich denke Biologen sind da immer noch gefragt.

8) Ist ein Biologiestudium für Deine Position notwendig, welche anderen Ausbildungen wären hilfreich?

Alles andere als Biologie ist gefragt. Um als Biologe in diesem Bereich Erfolg zu haben muss man die Leute überzeugen, dass man den Unternehmen einen Mehrwert bringt. Das ist oft nicht leicht.

9) Welche Inhalte des Biologiestudiums benötigst Du in Deinem Berufsalltag am häufigsten?

Ich brauche letztlich mein biologisches Verständnis. Ich habe ständig mit anderen Fragestellungen zu tun und muss dafür Einschätzungen oder Lösungen finden. Ich weiß, wo ich nachlesen oder nachfragen kann.

10) Was würdest Du Biologiestudierenden raten, die sich für einen ähnlichen Job interessieren?

Zusatzqualifikationen sind entscheidend, zb. ACAD oder GIS, Projektmanagement, Recht (Naturschutzrelevant), Raumplanung, Land- und Forstwirtschaft …

Vielen Dank für das Interview!

Tobias Friedel
Visitenkarte bei ImWind

Fotos des Monats (ABA Kalender)

Foto: Isabella Busch; Text: Lena Fehlinger

Feldhamster in Wien sind leider selten geworden. Auf Friedhöfen kann man den einen oder anderen noch entdecken. Foto: Isabella Busch

Zum Bild:

Schon einmal so eine Hamsterbacke in natura entdeckt? In Wien kann man durchaus das Glück haben, einen Feldhamster (Cricetus cricetus) live zu sehen. Vor allem auf diversen naturnahen Friedhöfen stehen die Chancen gut. Feldhamster können bis zu 34 Zentimeter groß werden, exklusive Schwanz, was wesentlich größer ist als die Zwerghamster, die gerne als Haustierchen gehalten werden. Außerdem sind sie recht „bunt“ mit variabler Fellfärbung, von gelbbraun über schwarz bis weiß.

Sie buddeln sich Erdbaue, was mit ihren beeindruckenden Krallen problemlos geht, vor allem in den Löss- oder Lehmböden, in denen sie zumeist leben. Die Baue sind schön unterteilt. Es gibt separate Wohn- und Vorratskammern (Luxus!) sowie eigene designierte Blindgänge zum Verrichten der Notdurft. Als sogenannte Nahrungsopportunisten fressen Hamster so ziemlich alles was ihnen vor die Backen kommt. Sie futtern sich durch das ganze Spektrum von Klee und Wildkräutern bis zu Wirbellosen. Hiermit decken sie den Bedarf an Spurenelementen. Wenn aber die Nahrung für ein gesundes Überleben nicht reicht, kann es auch zu Infantizid der Mütter an ihrem Nachwuchs kommen (dies betrifft vor allem Hamster in Monokultur-Gebieten). An die 2 Kilogramm Nahrung brauchen sie, um über den Winter zu kommen, teilweise hamstern sie aber wesentlich mehr… wer hat, der hat. Die Hamster haben eine innere Uhr, die ihnen den Jahresrhythmus vorgibt. Sie sind nicht auf das Verändern der äußeren Parameter angewiesen, um zu spüren, wann es Zeit ist aus dem Winterschlaf aufzuwachen. In der aktiven Zeit zwischen Mai und Juli wird die Uhr „eingestellt“. Hamster nehmen die Verkürzung der Sommertage wahr, selbst wenn es nur Minuten sind, um die die Tage kürzer werden und bereiten sich auf den herannahenden Winter vor.

Im Winterschlaf können sie ihre Temperatur in den Ruhephasen auf bis zu knapp 2 Grad herunterfahren, dann wachen sie auf, fressen ein bisschen, schlafen, verrichten ihr Geschäft und fallen wieder in die Ruhephase.

Feldhamster sind polygam, die Weibchen gebären nicht mehr so viele Jungtiere wie einst, wodurch es nicht mehr zu Massenvermehrungen kommt. Einst wurden die Hamster als Schädlinge auf den Feldern bejagt, mit grausamen Methoden wie Begasung ihrer Baue. Seit  2020 sind sie auf der IUCN Liste als „stark gefährdet“ klassifiziert. Gründe für das langsame Aussterben der Feldhamster sind die intensiv bewirtschafteten Ackermonokulturen (einseitige Nahrung; wenn gemäht wird, ist alles auf einmal weg; durch den Klimawandel verschieben sich die Ernteregime früher ins Jahr) und die sich ausbreitende Verbauung der Landschaft und Zerteilung der Gebiete, sodass isolierte, genetisch verarmte Populationen entstehen, die vulnerabler sind. Natürliche Feinde des Feldhamsters wären beispielweise Füchse oder Turmfalken. Früher war der Feldhamster bei vielen Bauern unbeliebt, heute kann man sich glücklich schätzen, wenn man Feldhamster bei sich in der Nähe wohnen hat. Man kann sich auch ehrenamtlich bei Vereinen engagieren, die sich zu ihrem Schutz und ihrer Erforschung einsetzen.





Foto und Text: Kenneth Kuba

Malven-Langhornbiene in Söchau, Steiermark. Foto: Kenneth Kuba

Zum Bild:

Ein seltener, aber wunderschöner Anblick ist die MalvenLanghornbiene (Eucera macroglossa), bei der die Weibchen mit den wunderschönen Augen besonders hervorstechen. Wie der deutsche Name schon verrät, ist diese Bienenart auf Malvengewächse spezialisiert, wie z. B. auf den Echten Eibisch (Althaea officinalis) oder die Wilde Malve (Malva sylvestris). So sammelt sie fast ausschließlich Pollen von Malven für die Verproviantierung ihres Nachwuchses. Die MalvenLanghornbiene gehört zu der Gattung der Langhornbienen (Eucera), wobei nur die Männchen die namensgebenden langen Antennen tragen, die bis über körperlang werden können.

Gegenwärtig gibt es keine zuverlässige Schätzung zu der Situation der heimischen Wildbienenbestände, doch Daten aus dem umliegenden Ausland lassen nichts Gutes vermuten. So sind in Bayern derzeit 46 % und in der Schweiz 45 % (Amiet, 1994) als ausgestorben oder gefährdet beschrieben (Voit et al., 2021). Die Malven-Langhornbiene ist in Bayern als vom Ausstreben bedroht und extrem selten gelistet. Als Ursache muss vor allem die intensive Landwirtschaft angenommen werden, die das Blühangebot und damit die Nahrungsgrundlage von Bienen stark reduziert. Neben dem Nahrungsangebot benötigen Bienen ein entsprechendes Nisthabitat, das in Nähe zu den Nahrungsressourcen vorhanden sein muss. Diese Nisthabitate reichen z.B. von offenen über leicht komprimierte Böden, sandigen Stellen, Lößhängen, bis zu Hohlräumen und werden immer seltener in dem ausgeräumten modernen landwirtschaftlich genutzten Raum gefunden (Sedy & Götzl, 2015).

Diese MalvenLanghornbiene wurde Anfang Juli 2019 in einem Garten in Söchau, Steiermark, fotografiert. Die abgebildete Eibischblüte diente der Biene an diesem Tag nicht nur als Nahrungsquelle, sondern auch als Schlafquartier. Es war ein eher kühler und leicht verregneter Tag. An solchen trüben Tagen kann man oft beobachten, dass Bienen sich in größeren Blüten zurückziehen oder an Grasstängel verbeißen, um zu schlafen. An diesem Ort war wohl das Wechselspiel aus Nahrungsangebot und Nistplatz für die Malven-Langhornbiene passend und hoffentlich fliegen auch dieses Jahr dort wieder einige Individuen.




Foto: Andreas Pospisil, Text: Christian Kantner

Lycaena helle; Foto: Andreas Pospisil
Foto: Andreas Pospisil

Zum Bild:

Systematisch gehört diese mit 25 mm Flügelspannweite recht kleine Art zur Familie der Bläulinge (Lycaenidae). Namensgebend ist der blauviolette Schimmer der bei den Männchen auf der gesamten Oberseite der Flügel vorhanden ist, beim Weibchen zum Teil nur auf den Flügelrändern angeordnet in einer Fleckenreihe. Die Flugzeit ist von Mai-Juli. Die Art ist auf eine einzige Raupenfutterpflanze dem Schlangen-Knöterich spezialisiert. Der Falter benötigt strukturreiche, mikroklimatisch feuchte und kühle mit Gehölzen durchsetzte Flächen zwischen lockeren Waldflächen oder Feuchtwiesen sowie einen bestimmten Anteil an Gehölzen. Die Lebensräume sind alle nährstoffarm.

Als Eiszeitrelikt ist diese Art in Österreich nur mehr isoliert an wenigen Stellen in Niederösterreich, Steiermark und Salzburg zu finden. Auf den roten Listen ist der Blauschillernde Feuerfalter vom Aussterben bedroht (Critically Endangered, CR). Als FFH Art (Flora Fauna Habitatrichtlinie) ist die Art im Anhang II und IV gelistet. Wichtig für den Erhalt der Art ist, dass die Habitate nicht zuwachsen oder trockengelegt werden. Aufforstung, Entwässerung und intensive Mahd sind die größten Gefährdungsursachen. Mit geeigneten Managementmaßnahmen, wie extensiven Bewirtschaftungs-/Landnutzungsformen oder Renaturierung von Feuchtwiesen mit ausreichend Futterpflanzen, versucht man die Populationen zu erhalten.

Interessante Links:
https://www.monitoringprojekte.at/?site=projekt&id=blauschillernder-feuerfalter
https://www.natura2000.steiermark.at/cms/beitrag/12596999/138816549/
https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:31992L0043:DE:HTML
https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/themen/naturschutz/arten_der_anhaenge_ii_iv_v_oesterreich.pdf




Foto: Monika Wimmer, Text: Lena Fehlinger

Feuersalamander im Wienerwald bei Purkersdorf. Vielleicht während einer Feuersalamandergeburt? Foto: Monika Wimmer

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Feuersalamander sind außergewöhnliche Amphibien, die sich an Land paaren. Die Embryonen entwickeln sich acht bis neun Monate im Mutterleib. Dann sucht das Weibchen ein geeignetes Gewässer auf, um darin die Larven abzusetzen. Diese haben von Anfang an vier Beine und zunächst noch äußere Kiemenbüschel, welche sich im Lauf der Entwicklung zurückbilden. Nach drei bis sechs Monaten verlassen die Jungtiere das Wasser als lungenatmende Landbewohner. Leider gilt der Feuersalamander österreichweit als gefährdet. Er ist wie viele andere Tier- und Pflanzenarten auf den Schutz und Erhalt ökologisch intakter Wälder und Gewässer angewiesen.

Laubmischwälder und viel Feuchtigkeit, das sind die Bedingungen die die Feuersalamander besonders gern haben – besonders reines und kaltes Wasser ist für sie wichtig, in der Nähe von Quellen kann man immer nach ihnen Ausschau halten.

Besonders durch die Verbauung und Verschmutzung von Bächen und den Straßenverkehr sind die hübschen Schwanzlurche bedroht. Da sie über ihre Ohrdrüsen am Hinterkopf ein starkes Gift absondern können, wenn sie sich bedroht fühlen, haben die adulten Feuersalamander weniger natürliche Feinde – die Salamanderlarven jedoch sind wesentlich wehrloser. So ist es beispielsweise wichtig, dass die Laichgewässer fischfrei sind, wobei auch ältere Larven jüngere Larvenstadien fressen. So wie die Larven sind auch die Adulten karnivor, vor allem Wirbellose wie Nacktschnecken oder Regenwürmer fallen ihnen zum Opfer.

Wichtig zum Schutz dieser Amphibien wäre es, naturbelassene Bachläufe sowie Versteckmöglichkeiten (z.B. Totholz, Holzhaufen, Mauerspalten) zu erhalten und die Laubmischwälder nicht mit Nadelbäumen aufzuforsten. Wer nachts im Wald unterwegs ist, sei es zu Fuß oder mit dem Rad, Augen auf! Vielleicht krabbelt ja gerade ein Feuersalamander vor euch über den Weg.

Interessante Links:
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/amphibien-und-reptilien/amphibien/artenportraets/10599.html
https://www.dght.de/feuersalamander



Episode

Der Sommer 2021 brachte vielerorts Verwüstung und doch scheint die Natur solche Katastrophen besser wegzustecken als der Mensch. Könnte Wildnis angesichts des Klimawandels die „Rettung“ für unsere Zivilisation sein? Julia Ecker, Lina Dilly und Stefanie Pontasch beleuchten das Rewilding-Konzept genauer – vom wiederbelebten Mammut bis zum wilden Garteneck.

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Im Frühling erobern die ersten Wildbienen, wie beispielsweise Hummeln die üppigen Wiesen und Gärten. Welche Rolle Wildbienen in der Natur spielen und wie man sie im eigenen Garten oder Balkon fördern und unterstützen kann, erfahrt ihr im Interview mit dem Wildbienenexperten Sebastian Hopfenmüller. Durch die Sendung führt Deniz Scheerer.

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