Dieser Beitrag erschien in etwas abgewandelter Form auf unhappyus.com, Titelbild: Biologin Anna Schöpfer am Fluss (Credit: Eveline Mader)

oder was man über Österreichs längsten freien Flussabschnitt noch wissen sollte

Vor kurzem hat der EU-weite Fitnesscheck der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) geendet: Bis März konnte online jeder seine Stimme abgeben und sich für den Fortbestand des Gewässerschutzes aussprechen. Das Ergebnis ist noch nicht bekannt. Sollte die Umfrage nicht zugunsten der WRRL ausfallen, könnte eine Aufweichung der Richtlinien die Folge sein. Um dem vorzubeugen, haben die Westösterreichischen Biologen beim Naturkino unlängst Hafner`s Inn-Doku im Haus der Begegnung in Innsbruck gezeigt. Anna Schöpfer hat den fachlichen Input dazu geliefert. Im Interview erzählt uns die Doktorandin, wie eine Reise nach Laos ihr Leben verändert hat, warum der Inn der Europäer mit der liberalsten Grenzeinstellung ist und wieso eine Wasserrahmenrichtlinie eigentlich einen Test bestehen muss, damit uns die Flüsse erhalten bleiben.

Anna, wenn du von deinen Projekten erzählst, ist das Thema Fluss omnipräsent. Woher kommt die Faszination dafür?

In Laos am Fluss. Quelle Anna Schöpfer

Nach der Schule war ich mit Freundinnen in Laos. Es ist ein irrsinnig schönes Land mit wenig Infrastruktur, deswegen sind wir nur an Flüssen entlang gereist. Es war das erste Mal, dass ich natürliche Flüsse gesehen hab. In Tirol wächst man ja neben dem total verbauten Inn auf. In Laos hab ich gemerkt: Der Fluss macht ja Biegungen, ist verzweigt, hat natürliche Ufervegetation. Er ist Trinkwasserquelle, Fischgrund, die Leute leben davon, aber das Land ist in starkem Wandel.

Inwiefern?

Es wird abgeholzt für Gummibaumplantagen. Zudem gibt es viel Müll durch den Tourismus und die Veränderung des Lebensstandards. Der Müll landet im Fluss. Außerdem sind viele Staudammprojekte in Entwicklung – da hab ich gemerkt, das hat doch gravierende Folgen für das Land, für die Menschen. Ich hab das Bedürfnis gehabt in einem Bereich zu arbeiten, der Relevanz hat, aktuelle Themen aufgreift und international eine Rolle spielt, wo es um Lebensgrundlagen geht. Ich hab dann auf der Boku Umwelt- und Bioressourcen Management studiert. Im Master bin ich wieder zu den Flüssen zurückgekehrt und hab mich für Gewässermanagement (Limnology and Wetland Mangement) entschieden.

Inn bei Innsbruck. Quelle: Anna Schöpfer

Du bist auch bei der Westösterreichischen Biologenvereinigung aktiv und gestaltest den monatlichen Filmabend „Welt der Wunder“ mit. Kürzlich habt ihr auch die ORF-Doku „Inn-Der grüne Fluss aus den Alpen“ von Franz Hafner gezeigt. Was macht den Inn so besonders, dass man gleich eine ganze Doku darüber macht?

Der Inn ist ein sehr interessanter Fluss. Er beginnt in der Schweiz, im Engadin, fließt dann durch Tirol, Bayern und Oberösterreich und mündet schließlich in Passau in die Donau. Er fließt also durch 3 Länder. Das ist das Tolle an Flüssen: Sie haben keine nationalen Grenzen, sind verbindendes Element zwischen den Ländern. Der Inn in Tirol hat zudem die längste durchgehende freie Fließstrecke Österreichs. Allerdings ist er an vielen Stellen eingeengt worden, z.B. durch Wasserkraftwerke. Am Inn gibt es jedoch großes Potential für eine Renaturierung, also für einen Rückbau zur natürlichen Flusslandschaft.

Wie stellt man sich das vor?

In einer Zusammenarbeit zwischen den drei Länderpartnern soll nun gemeinsam überlegt werden: Was ist der aktuelle Zustand des Inns, wo gibt es Defizite, was wär der Zielzustand und wo gibt es Möglichkeiten, das zu erreichen.

Das könnte im Inntal schwierig werden, oder?

Ja, im Inntal stoßen besonders viele Interessen aufeinander: Es ist ein verdichteter Siedlungsraum, dann gibt`s Landwirtschaft dort und auch der Hochwasserschutz muss gewährleistet werden. Trotzdem gilt es Räume zu finden, wo man wieder für die Natur Platz machen kann, wo man den Fluss aufweiten und Synergien finden kann. Ein Beispiel: Wenn man den Fluss aufweitet und die Au an den Fluss anbindet, hat man auch wieder einen Hochwasserschutzeffekt. Filme wie die Inn-Doku sind ein guter Anfangspunkt, den Inn wieder mehr ins Bewusstsein der Leute zu rücken.

Anlass für die Doku beim Naturkino war ja auch die Abstimmung zur Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), eine Art Fitnesscheck. Kannst du uns mehr dazu erzählen?

Die WRRL ist seit 2000 eine der stärksten Umweltgesetzgebungen der europäischen Union und wird in ganz Europa umgesetzt. Ziel ist es, den Zustand aller Gewässer in Europa zu verbessern. In den letzten Jahren sind viele Flüsse renaturiert worden, aber man ist noch weit von den Zielen entfernt. Der von dir erwähnte Fitnesscheck wurde im Herbst 2018 gestartet. Dazu gehört auch die von den Umweltorganisationen organisierte Public Consultation. Bis März konnte da jeder online seine Meinung zur WRRL kundtun. Aus dem Grund hatten wir uns auch für die Inn-Doku entschieden, um deutlich zu machen, warum es wichtig ist, dass die WRRL erhalten bleibt und warum man bei der Consultation mitmachen sollte.

Die Abstimmung ist zwar offiziell schon vorbei, aber vielleicht kannst du trotzdem nochmal erklären: Was wären denn nun konkrete Gründe, die für eine starke WRRL sprechen?

Unsere Süßwasserräume gehören zu den gefährdetsten Lebensräumen der Erde, was den Artenschwund betrifft. 83 Prozent der Tier- und Pflanzenarten sind seit 1970 aus unseren Flüssen, Seen und Feuchtgebieten verschwunden. Grad in Europa sind viele Flüsse verbaut oder Feuchtgebiete trockengelegt worden. Da wäre es wichtig Tier- und Pflanzenarten wieder Raum zu geben. Außerdem sind Flüsse kreative Elemente in unserer Landschaft und seit Jahrtausenden eine Inspiration für die Menschen und ihre Entwicklung. Interessensverbänden der Industrie und Landwirtschaft käme eine Schwächung der WRRL allerdings gelegen.

Was würde denn eine Abschwächung des Gesetzes bewirken?

Wenn das Ergebnis der Consultation negativ ausfällt, das heißt viele Leute die WRRL abgelehnt haben, kann es sein, dass nach den EU Wahlen die Rahmenrichtlinie umgebaut bzw. aufgeweicht wird. Das wäre ein enormer Rückschlag, weil die WRRL große Wirkung hat und viel verhindert z.B. Kraftwerke an bestimmten Orten. Sie besagt auch, dass Fischtreppen gebaut werden müssen. Zudem sieht die WRRL vor, dass es für jedes Flusseinzugsgebiet einen Management-Plan gibt – im besten Fall grenzüberschreitend. Am Inn gibt es das noch nicht, aber der WWF ist dran. Wenn die WRRL in Takt bleibt und in der Praxis Fahrt aufnimmt, könnte ein echtes Leuchtturmprojekt am Inn entstehen. Idealerweise würde die drei Länder kooperieren und einen innovativen Management-Plan aufstellen.

Was wünscht du dir für den Inn?

Ich wünsch mir, dass es Stellen gibt, wo man natürliche Flusslandschaft erleben kann und dass Tier- und Pflanzenarten einen Platz haben. Am lässigsten wär, wenn man ein Stadtviertel machen könnte, wo man besser zum Fluss hinkommt, wo uns der Fluss wieder näher wäre …

…also nach Baumbart bei Herr der Ringe: „Brecht den Damm, befreit den Fluss“?

[lacht] Alle Mauern niederreisen geht nicht, natürlich muss man in Tirol auch den Hochwasserschutz gewährleisten. Aber der Inn sollte mehr Freiheit haben, dann würden wir auch mehr davon haben. Die Leute sollten sich Zeit nehmen ans Flussufer zu gehen und zu beobachten. Das tut uns gut.

Am Lech. Quelle: Anna Schöpfer

Anna Schöpfer ist PhD Studentin am Institut für Ökologie an der Universität Innsbruck und hat Heraklits Ausspruch Panta rhei praktisch zur Lebensphilosophie gemacht. Für ihre Dissertation untersucht sie im Augenblick, wie sich die Flusslandschaft im Tiroler Lech durch die Verbauungen und Renaturierungen verändert hat und ob sich der natürliche Zustand nach der Renaturierung wiedereinstellt. Nebenbei engagiert sie sich für die Westösterreichische Biologenvereinigung und plant derzeit ein größere Flussaktion – Stichwort „Science Rafting“, mehr sei dazu aber noch nicht verraten.

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