Auch 2020 besteht – trotz Corona – noch Hoffnung auf einen Meeresurlaub. Die folgenden Beobachtungen von Gerhard Medicus mögen den meeresbiologischen Forschungsgeist der Leserinnen und Leser wecken! Leider werden nicht alle heuer die Möglichkeit haben, ans Meer zu fahren. Vielleicht dient dieser Beitrag auch als Inspiration, um eigene Beobachtungen als Bericht festzuhalten? Wir danken Gerhard Medicus für die Zusendung!

Naturbeobachtung fasziniert mich seit meiner Kindheit und Jugend und so habe ich diese Leidenschaft auch mit meinen Kindern ausgelebt. Besonders anziehend war die für mich fremde marine Welt. Einige Beobachtungen waren so eindrucksvoll, dass ich mich entschlossen habe, sie zu veröffentlichen – als Anregung für den Sommerurlaub von Leserinnen und Lesern des bioskop. Möglicherweise handelt es sich bei den an erster, dritter und vierter Stelle platzierten Berichten um Erstbeschreibungen. Die dritte und vierte Beobachtung verdanke ich der vorbehaltlosen Neugier meines Sohnes Thomas. Ein Teil der Beobachtungen erfolgten in einem Feldaquarium, das ich für die Kinder auch auf Fernreisen mitgenommen habe. Es ließ sich, in einer Kühlbox geschützt, bequem transportieren. Schnell schwimmende kleine Tiere habe ich mit einem Kescher gefangen (im Mittelmeer z.B. Rochen, Muränen, Schollen, Knurrhahn, Tintenfische usw.) und nach der Beobachtung wieder freigelassen.

1. Alonissos 1993: Tintenmimikry bei einem Cephalopoden

Als Schnorchler im Mittelmeer kann man frei schwimmenden Tintenfischen der Art Sepia officinalis immer wieder relativ gut folgen, bis sie sich im Sand eingraben und dann mit dem Kescher leicht zu fangen sind. Trotzdem verschwinden einige Individuen selbst bei guter Sicht schon vorher auf scheinbar unerklärliche Weise, und zwar stets nach dem Ausstoßen einiger Tintenwolken, auch dann, wenn der Meeresgrund mit seinen Versteckmöglichkeiten immer noch einige Meter weit entfernt ist.

Eine Hypothese dafür, wie die Tintenfische den Verfolger abschütteln, erhielt ich durch eine Aquarienbeobachtung: Ein Tintenfisch, der sich ruhig am Sandboden aufhielt, hat sich durch eine Bewegung von mir plötzlich bedroht gefühlt: während er mit  maximaler Geschwindigkeit gegen die Scheibe angeschwommen ist, hat er drei bis vier Tintenwolken ausgestoßen und sich dann plötzlich, wie auf Knopfdruck, für etwa eine halbe Sekunde selbst schwarz wie Tinte verfärbt, dann aber schlagartig wieder die hellere Umgebungsfärbung angenommen. Diese kurze Dunkelfärbung des Tintenfisches folgte dem drei- bis vierfachen „Tintenstakkato“ so, als handele es sich um eine letzte Tintenwolke.

Wenn man im Meer diesen letzten vermeintlichen Tintenausstoß nicht bewusst fixiert und zwischen echten und unechten Tintenwolken auch nur kurz vergleichend hin- und herschaut, hat man den fliehenden Tintenfisch schon aus den Augen verloren und sieht nur mehr die auffälligen echten Tintenwölkchen. Ich hatte den Eindruck, dass die Tintenfische unmittelbar nach dem Täuschungsmanöver nach Zufallsprinzip die Richtung ändern. Damit hat der Tintenfisch das Wahrnehmungsvermögen seines Verfolgers überlistet. Dieses Fluchtverhalten ist wohl als ein instinktives Programm angeboren, auch wenn die Tiere nicht immer dieses Täuschungsmanöver ausführen.

Sepia officinalis. Bild: Gerhard Medicus

Anm.: Diese Beobachtung wurde auch in der Zeitschrift DATZ beschrieben: Medicus, G. (1995). Tintenmimikry bei einem Cephalopoden. DATZ, 48(3), 140.

2. Tauwema / Kaileuna / Trobriand Inseln / Papua Neuguinea 1996: Delfinpirsch in der Südsee

Während meiner drei mehrwöchigen Aufenthalte in Tauwema konnte ich als Schnorchler einmal in relativ großer Entfernung Delfine sehen, die ich wegen der Distanz nur auf Grund der Schwimmbewegungen von Haien unterscheiden konnte. Ich ging an die Grenze dessen, was Lunge und Kreislauf hergaben, um mich ihnen anzunähern, was mir aber zunächst nicht gelungen ist. Die Tiere hielten stets Abstand zu mir. Weil sie nicht einfach wieder verschwunden sind, waren auch sie höchst wahrscheinlich auf mich neugierig. Meine Annäherungsversuche als Schnorchler waren erst erfolgreich, als ich die Idee hatte, mit beiden Füßen parallel zu schlagen, wie mit einer Monoflosse. So kam ich bis auf zwei Delfinlängen an die Grazien des Meeres heran. Einzelne von ihnen „begutachteten“ mich einäugig indem sie sich zur Seite drehten. Mein damals achtjähriger Sohn, der das Schauspiel von der Wasseroberfläche aus verfolgt hat, meinte danach, dass sich die Delfine wohl spaßhalber so benommen hätten, wozu sie aber aus ethologischer Sicht mangels Theory of Mind nicht fähig sind.

3. Kreta, Süd-Küste 2001: Tritonshorn-Angriff auf Seestern

Mein Sohn hat beim Schnorcheln den Zusammenhang zwischen “invaliden” roten Seesternen (Echinaster sepositus) und einem Tritonshorn (Charonia tritonis) erkannt und nicht nur das Tritonshorn mitgenommen, sondern auch einen intakten Seestern. Zurück an der Oberfläche ruft er mir am Strand zu: „Aquarium“. Ich komme ihm mit dem Aquarium entgegen, er legt beide Tiere hinein und wir stellten es auf einem Felsen ab. Nach weniger als einer Minute greift das Tritonshorn den Seestern an, der in etwa innerhalb einer halben Minute proximal von dem Biss den Arm abgeschnürt und abgeworfen hat.

4. Azoren 2001: Delfinbeobachtung

 Delfine findet man in den Weiten des Meeres relativ leicht dort, wo sich viele Möwen über der Wasseroberfläche sammeln und sich ins Wasser stürzen, um Fische zu fangen. So weisen die Möwen den Weg zu einem Fischschwarm, der von Delfinen auf engsten Raum unter der Wasseroberfläche zusammengetrieben worden ist. Hat man den Ort mit einem Motorboot erreicht, kann man diese eleganten und faszinierenden Tiere (Stenella coeruleoalba) bequem aus nächster Nähe beobachten. Mein damals 12-jähriger Sohn machte dann auf Grund seiner Unbefangenheit etwas, worauf ich auf Grund meiner Erwachsenen-Vorurteile nicht gekommen wäre: er versuchte, nach einzelnen Fischen im Makrelenschwarm (Trachurus picturatus) zu greifen, was zunächst ihm und dann auch mir wegen der Erschöpfung und Panik der (unverletzten) Tiere tatsächlich gelang. Die Fische werden praktisch ausweglos, gleichzeitig aus Wasser und Luft gejagt. Um der Gefahr zu entkommen fliehen sie ins Zentrum des Schwarms, wodurch der Schwarm zu einer sich verausgabenden, sich ständig selbst neu formenden kompakten Futterkugel für die Beutegreifer wird. Die sättigende Endhandlung ist also für die Delfine (anthropomorph ausgedrückt) ein entspanntes gemütliches Ereignis und auch für die Möwen ein „leichtes Spiel“. Viele Fische trugen von den Schnabelhieben der Möwen Verletzungen davon, möglicherweise auch deshalb, weil einzelne Fische den Möwen zu groß gewesen sind.

5. Hurghada 2006: “Einladung” zur Koprophagie im Roten Meer

Ein Seekuhbulle, den ich beim Abweiden von Seegras stundenlang beobachten konnte, stellte sich plötzlich im ca. 7 m tiefen Wasser 30-40 Grad schräg zwischen Boden und Oberfläche und verharrte in der Position. Nach wenigen Sekunden schießen zwei Schiffshalter (Echeneis naucrates) zum Anus des Bullen, der in dem Moment mit der Defäkation beginnt und so den Schiffshaltern ermöglicht, direkt von dort die voluminösen Faeces hinunterzuwürgen. Nach getanem Geschäft wälzt sich der Bulle am Boden, um die Schiffshalter abzuschütteln. Koprophagie ist weit verbreitet und auch vom Schiffshalter bekannt (Williams et al. 2003); offensichtlich sind die (vor-) verdauten „Speisereste“ nicht nur für Darmparasiten nahrhaft. Meine Kinder und ich konnten in Namibia Warzenschweine beobachten, die Elefantenkot vertilgt haben. Aus ethologischer Sicht bemerkenswert ist die zwischenartliche Sender-Empfänger-Abstimmung: Was aber ist der Anpassungswert für die Seekuh, die das Putzaufforderungs-Signal (30-40 Grad Schrägstellung) gibt? Es könnte sein, dass damit die Wahrscheinlichkeit einer Re-Infektion mit ihren Darmparasiten vermindert wird, wenn die Parasiten die Darmpassage beim Schiffshalter nicht überleben oder abseits der Weidegründe der Seekuh landen.

Titelbild: Klaus Oeggl, Paläoökologe am Institut für Botanik, der Universität Innsbruck (Credit: Klaus Oeggl)

Wie haben sich die Menschen in der Jungsteinzeit ernährt und was kann uns Paläobiologie über die Gegenwart erzählen? Im Rahmen unseres Schwerpunktthemas Paläontologie widmen wir uns der jüngeren, hauptsächlich nicht fossilen Vergangenheit.

Experte für solche Fragen ist Klaus Oeggl, wissenschaftlicher Beirat der ABA und seit 2011 Professor für Palynologie (Pollenanalyse) und Archäobotanik an der Universität Innsbruck. Als Paläoökologe beschäftigt er sich intensiv mit den Wechselwirkungen zwischen Menschen und Umwelt in der Vergangenheit. Die Paläoökologie versucht die Zusammenhänge zwischen Umwelt, Klima und Mensch zu verstehen, in dem sie Umwelt- und Klimaveränderungen der Vergangenheit beleuchtet. Die Beantwortung von Fragen, wie „Wie hat sich die Umwelt entwickelt?“ und „Wie ist im Lauf dieser Entwicklung die heutige Umwelt entstanden?“ ist für eine Einschätzung zukünftiger Vegetations-, Klima- und Landschaftsentwicklungen hoch relevant.

Ötzi („Mann vom Tisenjoch/Hauslabjoch/aus dem Eis“) ist eine Gletschermumie, die 1991 in den Ötztaler Alpen entdeckt wurde. Besonders bekannt machten Klaus Oeggl seine Forschungen zur neolithischen (=jungsteinzeitlichen) Gletscherleiche Ötzi, die 1991 am Tisenjoch an der heutigen österreichisch-italienischen Grenze gefunden wurde. In einem Interview erzählt er uns, welche Lebensweisen und Ernährungsgewohnheiten die Menschen in der Jungsteinzeit hatten, wie sich diese von den heutigen Gewohnheiten unterscheiden und wie uns die Paläobiologie helfen kann die aktuellen Veränderungen und deren zukünftige Auswirkungen zu verstehen.

Ötzi („Mann vom Tisenjoch/Hauslabjoch/aus dem Eis“) ist eine Gletschermumie, die 1991 in den Ötztaler Alpen entdeckt wurde.

Vielen herzlichen Dank, Prof. Oeggl, dass Sie sich für dieses Interview Zeit nehmen! Sie haben Ötzis Mageninhalt untersucht. Was kann uns das über die Ernährungsgewohnheiten und Lebensweise von Menschen in der Jungsteinzeit erzählen?

Generell muss man sagen, dass der gesamte Magendarminhalt untersucht wurde. Dieser ermöglicht es uns Aussagen über die Ernährungsweise des Eismanns zu treffen. Da wir sequenzielle Proben entlang des gesamten Magendarmtrakts genommen haben und wissen, welche Transitzeiten der Speisebrei durch den Verdauungstrakt hatte, können wir auf die Zeitabfolge schließen, in der der Eismann die Speisen zu sich genommen hat. Somit können wir rekonstruieren, was der Eismann in seinen letzten 33 Stunden gegessen hat. Das ist wirklich sensationell! Zudem sind im Speisebrei Pollen aus der Umwelt erhalten geblieben, wodurch wir sagen können, wo der Eismann in diesen letzten Stunden seine Speisen zu sich genommen hat und um welche Saison im Jahr es sich gehandelt hat.

Und was hat Ötzi gegessen? Was waren seine Ernährungsgewohnheiten?

Gegessen hat er mannigfaltig. Grundsätzlich ist zu sagen, dass er eine omnivore Diät hatte. Vom Rektum bis hin zum Dünndarm haben wir Fleisch, Gemüse und eine mehlartige Speise gefunden, die als Brot interpretiert wird. Im Magen hingegen überwog das Fett. Daraus können wir schließen, dass Ötzis letzte Mahlzeit primär Fett dominiert war. Fett hat neben Kohlenhydrate die höchstmögliche Energieklasse. Das nehme ich zu mir, wenn ich eine lange anstrengende Arbeit vor mir habe. Etwas Ähnliches kennen wir von den Bauern, wenn wir 50 Jahre zurückgehen – ein Melchermus (bäuerliches Gericht für hart arbeitende Leute aus Butter, Mehl, Milch und Salz, Anm.).

Im Fall des Eismanns war es wirklich großes Glück, dass der Magendarminhalt so gut erhalten war. Leider hat man nicht immer eine so gut erhaltene Mumie zur Verfügung. Wie geht man dann vor, um Hinweise über die Lebensweise von Menschen in der Vergangenheit zu bekommen?

Paläoökologen bei der Arbeit: Pollen und Großreste aus Bohrkernen können Auskunft über die menschliche und landschaftliche Entwicklung geben. Moore sind hervorragende Archive unserer Vergangenheit.

Paläoökologen bei der Arbeit: Pollen und Großreste aus Bohrkernen können Auskunft über die menschliche und landschaftliche Entwicklung geben. Moore sind hervorragende Archive unserer Vergangenheit.Mumien nehmen in der Forschung tatsächlich einen besonderen Status ein, da sie in der Regel gut erhalten sind. Allerdings ist nicht in jeder Mumie der Magendarmtrakt vorhanden. Mumien wurden meist artifiziell mumifiziert und einbalsamiert, wobei der Magendarminhalt entnommen wurde. Diese wichtige Informationsquelle fehlt dann leider! Wenn der Magendarmtrakt jedoch vorhanden ist, ist dessen Untersuchung die Methode erster Wahl und es können sogar Stoffwechselprodukte analysiert werden. Diese wurde auch bei der um einiges jüngeren Leiche Kwäday Dän Ts’ìnchi aus British Columbien angewandt, die auf die Zeit zwischen 1450-1700 n. Chr. datiert wird.

Weitere Aufschlüsse über die Lebensweise und Ernährung der steinzeitlichen Menschen können auch die Analyse von Pollen, Großresten und stabile Isotopen geben. In jüngerer Zeit wird auch Ancient DNA (DNA aus toten Organismen, meist älter als 100 Jahre, Anm.) herangezogen.

Welche Parallelen sehen Sie zur Ernährung und zur Lebensweise der heutigen Menschen? Oder gibt es fast nur Unterschiede?

Man muss wohl sagen, dass es mehr Unterschiede gibt. Einige Parallelen lassen sich aber doch festhalten: Es gab damals wie heute eine omnivore Ernährungsweise. Wenn wir nun die einzelnen Bestandteile der Nahrung vergleichen und vom Generellen ins Detail gehen, sehen wir, dass die letzten fünf Mahlzeiten von Ötzi immer das Gleiche waren: Fleisch, Kohlenhydrate und ein wenig Gemüse. Beim Fleisch gibt es kleine Unterschiede, eine Mahlzeit war vom Steinbock und eine vom Rothirsch. Das war dann aber schon die gesamte Variabilität. Im Großen und Ganzen bestimmte Verfügbarkeit und Monotonie die Ernährung der Menschen zu Ötzis Zeiten. Heute hingegen, kann die Ernährung so mannigfaltig sein, wie wir es uns nur vorstellen können.

Dies ist nur möglich, da es uns von der Versorgung her so gut geht, wie nie zuvor. Es gibt zu keiner Jahreszeit irgendwo einen Engpass, den wir erkennen können, an dem wir einen Mangel leiden würden. Das ist in der Vergangenheit sicher nicht der Fall gewesen. Ernährung war in der Vergangenheit zweckorientiert und durch Verfügbarkeit bestimmt, aber nicht danach ausgerichtet, was könnte ich heute anderes essen als gestern.

Ein wesentlicher Unterschied in der Ernährung der steinzeitlichen Menschen zu heute besteht aber vor allem im Gehalt der Ballaststoffe. Die Ernährung der damaligen Zeit war deutlich ballaststoffreicher.

Eine ballaststoffreiche Kost hat keinen so hohen Nährwert, wo liegt hier die Zweckmäßigkeit?

In diesem Fall geht es nicht um den Nährwert, sondern um das Sättigungsgefühl. Damit wir satt werden, brauchen wir Ballaststoffe, und das ist ein wesentlicher Punkt. Das ist etwas, was wir in der heutigen Ernährung nicht schätzen. Wir wollen keine Lebensmittel, die besonders faserreich sind, sondern wir wollen Gemüse, das besonders zart und etioliert ist (durch Dunkelheit hervorgerufenes Wachstum: Pflanzen ohne nennenswertes Festigungsgewebe, schwach, biegsam, Anm.). Wir wollen kein verholztes Gemüse, das schmeckt uns nicht und das lehnen wir ab. Vollkornprodukte sind erst seit jüngster Zeit wieder verstärkt en vogue.

War das früher anders?

Früher gehörten Vollkornprodukte zur Ernährung der gemeinen Leute und nicht das hochprozessierte Weizenweißmehl und Weißbrot. Allerdings ist das Weißmehl gar nicht so günstig für die Verdauung, da man dort einen starken Mangel an Ballaststoffen hat. So wird heute schon von amerikanischen Medizinern empfohlen dem täglichen Essen 10 Gramm Kleie hinzuzufügen, damit wir wieder ausreichend Ballaststoffe haben. Nur so kann eine natürliche Peristaltik aufrechterhalten werden und die Transitzeiten des Speisebreis im Magen bleiben im normalen Rahmen. Je weniger Ballaststoffe wir haben, desto länger ist die Verweilzeit des Speisebreis im Darmtrakt.

Das Prozessieren des Weizens und der Lebensmittel ist eine Sache, man hat früher aber einfach auch nur das essen können, was zur Verfügung war. Da brauchen wir gar nicht so weit in die Vergangenheit schauen. Im Tiroler Raum gibt es das alte Volkslied „Heut‘ ist Knödeltag“ und dann zählt man sämtliche Knödel für die gesamte Woche auf. Das zeigt dann eigentlich schon, dass permanent das Gleiche gegessen wurde. Da sehen Sie eine ziemlich monotone Ernährung. Es gab zu essen, was vorhanden war.

Lebten die Menschen zu Ötzis Zeiten mehr im Einklang mit der Natur als heute? Welche Unterschiede sind besonders stark erkennbar?

Die Menschen waren der Umwelt natürlich sehr nahe und ausgesetzt. Die Ethnien dieser Zeit hatten eine Subsistenzwirtschaft (=Bedarfswirtschaft, Anm.), das heißt sie mussten sich alles selbst erwirtschaften, was sie konsumierten. Der Handel war in diesem Zusammenhang eher sekundär. Das sehen wir auch in Ötzis Ernährung: Einkorn als auch die Gerste konnten unmittelbar angebaut werden und das Fleisch von Steinbock oder Rothirsch wurde selbst erjagt. Die größten Unterschiede zu heute ergeben sich wohl dadurch, dass sich die Urzeitmenschen alles selbst aus dem unmittelbaren Umfeld erwirtschaften und holen mussten.

Welche Rolle spielt die Paläobiologie, also salopp gesagt die Untersuchung der biologischen Vergangenheit, um die aktuellen Veränderungen in den Lebensräumen und deren zukünftige Auswirkungen zu verstehen?

Wenn wir die heutige Kulturlandschaft betrachten, steckt dahinter eine gewaltige Entwicklungsgeschichte. Diese Entwicklung gilt es mit den Untersuchungen der Vergangenheit zu erleuchten. Interessant ist, dass man die Genese nicht monofaktoriell sehen kann, sondern, dass sowohl der Faktor Mensch als auch der Faktor Klima einen Einfluss auf die Vegetation haben und diese strukturieren. Damit sind wir bei dem interessanten Bereich, dass wir Veränderungen haben, die durch den Menschen und durch das Klima ausgelöst werden. Für die heutigen Veränderungen ist dies höchst interessant, weil wir Analoga in der Vergangenheit suchen und analysieren können.

Es gibt genügend Beispiele für Zivilisationskollapse in mehreren Formen: Bereits im Neolithikum kennt man einen derartigen Zivilisationskollaps. Auch in der Bronzezeit und dann in Mesoamerika von den Mayas. Das Zusammenspiel von Klima und menschlicher Beeinflussung ist in Bezug auf den anthropogenen Treibhauseffekt hoch aktuell. Wir können Modellversuche der „Natur in der Vergangenheit“ betrachten und detailliert untersuchen. In der Vergangenheit kennen wir die Ergebnisse bereits, eine Kultur ging zu Grunde. Für unsere Zukunft kennen wir den Ausgang der Entwicklung freilich nicht!

Und worauf führt man diesen Zivilisationskollaps zurück? Auf das Klima, auf den Menschen?

Bei den Mayas war es wohl der Faktor, der immer ganz besonders gravierend wirkt: Trockenheit und Trockenphasen. Diese Trockenphasen zwingen die Menschen zu einer Minimierung der Entwicklung und teilweise dann auch zur Aufgabe des gesamten Territoriums.

Was haben wir in Zukunft zu erwarten und was sollten wir tun, damit uns kein solcher Zivilisationskollaps droht?

Wir wissen, die Erde erwärmt sich. Wir wissen aber genauso, dass wir mehr oder weniger am Ende einer Warmzeit sind und unklar ist, wie sich dies weiterentwickeln wird. Grundsätzlich ist es natürlich so, dass der anthropogene Anteil an der Erwärmung minimiert gehört und wenn man so will, auch bekämpft gehört. Die Reduktion der anthropogenen Treibhausgase und der nachhaltige Umgang mit Ressourcen sind die wesentlichen Punkte, damit unsere Zivilisation auch länger überdauern kann. Bei einem gezielten menschlichen Eingreifen in das Gesamtklimageschehen, wie dies beim Geoengineering (→ siehe Infokasten) überlegt wird, habe ich jedoch große Bedenken. Dann haben wir ein rein anthropogenes Klima, in dem wir entscheiden, ob wir es wärmer oder kälter haben wollen, so als würden wir eine Klimaanlage einschalten. Ein Eingreifen in Naturkreisläufe führt zwangsläufig zu ähnlichen Diskussionen wie damals, als es um die Errichtung der ersten Nationalparks ging: Wie wollen wir die Natur beeinflussen, soll sie freien Lauf haben oder wollen wir sie selbst steuern?

Nun ja, eine solche Beeinflussung des Klimas durch den Menschen ist derzeit ja noch große Zukunftsmusik und technisch nicht realisierbar. Es scheint jedenfalls, dass für die weiteren Entwicklungen in der Zukunft noch viel offen und unklar bleibt. Sie haben uns aber gezeigt, dass uns ein Blick in die Vergangenheit die Augen für unser heutiges Leben öffnen kann und uns die heutigen Geschehnisse besser verstehen lässt.
Ich möchte mich nochmals herzlich für dieses sehr spannende Gespräch bedanken und wünsche gutes Vorankommen in diesem interessanten Forschungsfeld!

Geoengineering

Geoengineering bezeichnet großräumige Eingriffe mit technischen Mitteln in geochemische oder biogeochemische Kreisläufe der Erde. Als Ziele derartiger Eingriffe werden hauptsächlich das Stoppen der globalen anthropogenen Klimaerwärmung, der Abbau der CO2-Konzentration in der Atmosphäre oder die Verhinderung einer Versauerung der Meere genannt.

Weiterführende Literatur
Bortenschlager, S. & Oeggl, K. 2000: The Iceman and his Natural Environment: Palaeobotanical Results. Springer Verlag – Wien.

Titelbild: Seeigel und Schnecken im Roten Meer. Quelle: Andreas Kroh

Andreas Kroh

Seit 2005 Forscher und Kurator an der geologisch-paläontologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien. Zu seinen Aufgaben zählen neben der Forschung auch Sammlungsbetreuung und Ausstellungsgestaltung, sowie die Pflege und Weiterentwicklung der Inventardatenbanken. Seit 2006 ist er auch der Chefredakteur der Annalen des Naturhistorischen Museums, Serie A, einer der wissenschaftlichen Zeitschriften des NHM. Im Jahr 2018 übernahm er zusätzlich zu seinen anderen Aufgaben die Gesamtleitung des Verlages des NHM Wien und ist in diesem Rahmen für die Planung, Produktion und den Vertrieb der vom NHM Wien herausgegebenen Bücher verantwortlich, darunter eine Fülle von Büchern mit biologischen Inhalten, wie die Naturführer des NHM.

1) Beschreibe bitte kurz Deinen Arbeitsalltag. Was sind Deine Hauptaufgaben?

Meine Aufgaben am NHM Wien sind äußerst vielfältig: neben meiner Forschung und der Betreuung eines Teils der paläontologischen Sammlung des Museums kümmere ich mich vor allem um redaktionelle und technische Belange. So sorge ich dafür, dass die interaktiven Stationen im Bereich unserer geologischen und paläontologischen Ausstellung immer einsatzbereit sind und helfe GastforscherInnen wie KollegInnen beim Umgang mit unserer Inventardatenbank. Im Rahmen meiner Tätigkeit als Redakteur der Annalen und Leiter des Verlags des NHM Wien betreue ich diverse Zeitschriften und Bücher des Museums von der ersten Idee bis zum fertig gedruckten Werk. International bin ich auch stark in WoRMS, dem World Register of Marine Species, involviert. Dort bin ich für die Taxonomie, Nomenklatur und Systematik der Seeigel zuständig und derzeit Vice-Chair des WoRMS Steering Committee.

2) Was gefällt Dir an Deinem Job am meisten?

Durch die große Fülle an verschiedenen Aufgaben ist mein Arbeitsalltag sehr abwechslungsreich und ich arbeite mit vielen verschiedenen Menschen zusammen – sowohl international, im Rahmen meiner Forschungen, wie auch national und abteilungsübergreifend innerhalb des Museums bei der Produktion von Büchern und Gestaltung von Ausstellungen. Ich liebe neue Herausforderungen und die Vielfalt an unterschiedlichen Tätigkeiten, die meine Arbeit am Museum mit sich bringt. In einem tollen Team, wie dem des Museums, zu arbeiten macht viel Freude. Viele nationale, aber auch internationale KollegInnen wurden über die Jahre zu FreundInnen und es macht Spaß, diese bei Konferenzen wieder zu treffen oder gemeinsam im Gelände oder in Sammlungen zu forschen.

3) Was gehört zu den schwierigsten Dingen in Deinem Beruf? Was sind für Dich die größten Herausforderungen?

Am schwierigsten ist es, alle verschiedenen Tätigkeiten unter einen Hut zu bringen und in allen Teilbereichen meiner Tätigkeit einen konstanten Fortschritt zu erzielen. Im „Endspurt“ eines Ausstellungs- oder Buchprojekts kann es durchaus vorkommen, dass es erforderlich ist, sich mehrere Tage ausschließlich auf das jeweilige Projekt zu konzentrieren und andere Tätigkeiten kurzfristig zurückzustellen. Eine weitere große Herausforderung ist die immer schwieriger werdende gesetzliche Situation bei der Geländearbeit, sei es im geologisch-paläontologischen Bereich oder im Bereich von DNA-Proben rezenter Organismen. Die Fülle lokaler Regelungen, nationaler und internationaler Gesetze ist für den/die einzelne/n ForscherIn kaum durchschaubar, AnsprechpartnerInnen bzw. zuständige Genehmigungsstellen sind nicht immer klar definiert oder nicht erreichbar. Materialbezogene Forschung, die Proben aus verschiedensten Ländern benötigt, ist daher meiner Erfahrung nach wesentlich schwieriger und aufwändiger in der Umsetzung geworden.

4) Wie bist Du auf diesen Job aufmerksam geworden?

Ich arbeitete schon während meiner Diplomarbeit und Dissertation wissenschaftlich mit einzelnen MitarbeiterInnen des NHM Wien zusammen und hatte bereits lange bevor ich zu studieren begann den Wunsch, hier zu arbeiten. Meine erste Bekanntschaft mit WissenschafterInnen des NHM Wien war während meiner Jugend, als ich mich an einen meiner Vorgänger, Ortwin Schultz, wandte, um Hilfe bei der Bestimmung von fossilen Haifischzähnen zu erhalten.

5) Welche Qualifikationen sind für Deine Tätigkeit besonders wichtig?

Flexibilität, der Wille neue Techniken und Fähigkeiten zu erlernen, sich und seine Ergebnisse präsentieren zu können und fähig zu sein, im Team zusammenzuarbeiten sind entscheidend in meinem Beruf. Eine sehr gute Kenntnis der englischen Sprache ist heute eine weitere Grundvoraussetzung für NaturwissenschafterInnen.

6) War es schon immer Dein Wunsch eine Arbeit dieser Art auszuüben oder hattest Du früher andere Berufswünsche?

Bereits als kleines Kind grub ich in einem von meinen Eltern gepachteten Garten nach Mammutknochen (ohne natürlich welche zu finden). Anfangs unterschied ich nicht zwischen der Tätigkeit von ArchäologInnen und der von PaläontologInnen, später jedoch zog es mich immer mehr zu den Fossilien hin. Unterstützt von meinen Eltern (an dieser Stelle sei ihnen herzlichen Dank dafür ausgesprochen!), konnte ich dem Hobby Fossiliensammeln in meiner Jugend intensiv nachgehen und viele Urlaubsziele wurden wegen der Möglichkeit, dort Fossilien zu finden, ausgewählt. Auch mein Biologielehrer in der Oberstufe, Herr Gerhard Deimel, unterstützte mein Interesse tatkräftig. Kurzfristig erwog ich auch ein Chemie-Studium, denn mein Chemielehrer, Herr Ralf Becker, konnte im Rahmen der Chemie-Olympiade meine Begeisterung für dieses Fach wecken. Letztlich gab aber ein Besuch beider Institute und ein Treffen mit Norbert Vavra, der damals am Institut für Paläontologie tätig war, den Ausschlag, dass ich meinem ursprünglichen Wunsch folgend Paläontologie studierte.

7) Wie siehst Du die Arbeitsmarktsituation in Deinem Umfeld? Wie stehen die Jobaussichten für BiologInnen?

Wie in vielen Bereichen der Grundlagenforschung ist es im Bereich der Biowissenschaften nicht einfach eine Anstellung zu finden. Nicht, weil es nicht genug Arbeit und Fragestellungen gäbe, sondern vor allem, weil die öffentlichen Mittel für die Grundlagenforschung leider sehr begrenzt sind. Wer aufgrund finanzieller Erwartungen in die Wissenschaft geht, wird wohl enttäuscht werden. Wer jedoch mit Begeisterung und Überzeugung an die Sache herangeht, wird automatisch bessere Leistungen erbringen, sich und seine Tätigkeit besser „verkaufen“ können und höchstwahrscheinlich erfolgreicher sein. Oft ist dafür allerdings ein „langer Atem“ und ein gehöriges Maß an Mobilität und Flexibilität nötig, was für die Familienplanung eine Herausforderung sein kann.

8) Ist ein Biologiestudium für Deine Position notwendig, welche anderen Ausbildungen wären hilfreich?

Nein, da ich nicht als Biologe, sondern als Paläontologe angestellt bin, auch wenn sich ein großer Teil meiner Forschung derzeit im Bereich der Evolutionsforschung, Phylogenetik und -genomik abspielt. Ein naturwissenschaftliches Studium im generellen hingegen, ist entscheidend und bildet die Grundlage für eine wissenschaftliche Karriere in diesem Bereich.

9) Welche Inhalte des Biologiestudiums benötigst Du in Deinem Berufsalltag am häufigsten?

Am wesentlichsten sind hier wohl die generellen Grundkenntnisse über die Fülle an Organismen, ihre Morphologie, Diversität, Ökologie usw., die mir im Rahmen meines Paläontologiestudiums vermittelt wurden. Ebenso entscheidend für das Verständnis von Evolution und der Veränderung des Planeten Erde durch die Zeit waren die Grundlagen der Geologie, Sedimentologie und Stratigraphie – da diese ein ganz anderes Verständnis der „Deep Time“ ermöglicht haben, als wenn ich ein Biologiestudium absolviert hätte. Darüber hinaus habe ich einen Großteil der Fähigkeiten, die ich tagtäglich in meinem Beruf benötige, erst später im Berufsalltag erlernt. Und das Lernen hört nicht auf, denn ständig werden neue Methoden und Programme entwickelt, die für meine Forschung wesentlich sind, oder neue Sachverhalte entdeckt, die früher erhobene Daten in neuem Licht erscheinen lassen.

10) Was würdest Du Biologiestudierenden raten, die sich für einen ähnlichen Job interessieren?

Sei neugierig, folge deinen Interessen und lass dir die Freude an der Wissenschaft nicht nehmen. Denn nur, wenn du begeistert bist und die Forschung aus innerem Antrieb machst, wirst du erfolgreich sein und berufliche Durststrecken überdauern können – denn sehr oft ist in der Forschung Ausdauer gefragt, mal weil sich die erwarteten Ergebnisse nicht einstellen, mal weil ein Antrag oder Manuskript abgelehnt wird, oder es schwierig sein kann, einen Arbeitsplatz zu bekommen.

Vielen Dank für das Interview!

Aus „Biologie in unserer Zeit“ Heft 4, 2018, S 218- 219; Bioskop-Online-Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der BIUZ-Redaktion und des WILEY-VCH Verlages; Titelbild: Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Foto: Christa Sütterlin

Am 2. Juni ist Irenäus Eibl-Eibesfeldt in seinem Haus in Starnberg nach längerer Krankheit gestorben – zwei Wochen vor seinem 90. Geburtstag. Für viele von uns ist er einer der bedeutendsten Biologen des letzten Jahrhunderts.

Er wurde als Sohn eines Botanikers am 15. Juni 1928 in Wien geboren. Der Vater konnte in Irenäus den begnadeten Naturbeobachter wecken: Renki, wie ihn seine Freunde nannten, hat als Jugendlicher viel Zeit in der Natur verbracht, vieles, was kreucht und fleucht zum Beobachten mit nach Hause gebracht und dabei fürs Leben gelernt.
Ab dem 18. Lebensjahr hat er in Wien Zoologie studiert. 1948 begann auf der biologischen Forschungsstation Wilhelminenberg in Wien die Zusammenarbeit mit Konrad Lorenz, die dazu führte, dass Eibl-Eibesfeldt 1951 mit Lorenz an das Max-Planck-Institut Seewiesen übersiedelt ist.
1970 konnte er die Forschungsstelle für Humanethologie gründen, zunächst mit Sitz in Percha bei Starnberg; ab 1978 in Seewiesen und ab 1988 im prächtigen Schloss Erling in Andechs. Seit 2014 arbeitet die Gruppe Humanethologie, geleitet von Wulf Schiefenhövel, wieder in Seewiesen.

Eibl-Eibesfeldt hat seine wissenschaftliche Laufbahn mit bahnbrechenden tierethologischen Experimenten begonnen und dabei unter anderem die Verschränkung von angeborenen und gelernten Bewegungsabläufen beim Nestbau von Ratten analysiert.
Nachdem er 1953 und 1957 von Hans Hass eingeladen wurde, mit dem Forschungssegelschiff Xarifa die Tiere der Weltmeere zu erkunden, machte er wichtige meeresbiologische Entdeckungen: so hat er als erster Putzersymbiosen bei Fischen beschrieben. Auf der ersten Xarifa-Reise hat er die Galapagos-Inseln kennengelernt und gesehen, dass die Inseln infolge zunehmender Globalisierung ökologisch bedroht waren und sind. Er konnte erfolgreich ihren Schutz bei der Unesco sowie den Bau der Darwin-Forschungsstation auf Santa Cruz anregen.

Pionier der Humanethologie

Berühmt wurde Eibl-Eibesfeldt als Begründer der Humanethologie, einer Disziplin, die auf der Grundlage des Tier- Mensch-Vergleichs die Sonderstellungen des Menschen und über den Kulturenvergleich das gemeinsame Erbe aller Menschen herausstreicht. Der weltweit in der nonverbalen Kommunikation eingesetzte Augengruß, also das freundliche kurze Hochziehen der Augenbrauen, ist eine Verhaltensweise, die er erstmals beschrieben hat.
Viel Aufmerksamkeit hat Eibl-Eibesfeldt dem Zusammenhang zwischen Brutpflege und Sozialverhalten geschenkt. So hat er immer wieder betont, dass „Brutpflege eine Sternstunde der Evolution“ gewesen sei, weil durch sie Liebe, Bindung und Freundlichkeit in die Welt gekommen sind und im Laufe der Evolution auch im sozialen Kontext zwischen Adulten Verwendung gefunden haben. Nur wenige Biologen vor ihm haben sich für Seelenaspekte, wie Freundlichkeit und Liebe interessiert.
Hinsichtlich Sozialverhalten war die Soziobiologie für ihn wegen ihres engen Fragenspektrums ein Spezialgebiet der Ethologie. Das ist eine Sicht, die er z.B. im Stichwort Ethologie des Lexikons der Biologie (Spektrum-Verlag) unterstrichen hat.

Abb. 1 Eibl-Eibesfeldt bei der Feldforschung. Das Verhalten von europäisch noch nicht akkulturierten Völkern dokumentierte er auf 300 Kilometern 16 mm-Film. Foto: Christa Sütterlin.

Bei der Dokumentation des menschlichen Ausdrucksverhaltens hat Eibl-Eibesfeldt viele der sich bietenden Möglichkeiten ausgeschöpft und so auch gehörlos und blind Geborene studiert und gefilmt. Obwohl diese Kinder die Mimik Anderer nicht nachahmen können, lachen und weinen sie genauso wie Sehende. Schon Darwin hat vermutet, dass die Mimik aller Völker [fast] identisch, also angeboren, ist und zu den kulturunabhängigen Universalien gehört. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts konnte Eibl-Eibesfeldt dies bestätigen, indem er das Verhalten der letzten noch nicht europäisch akkulturierten Völkern wie die Yanomami, Jäger und Pflanzer in Venezuela, die Himba, Viehzüchter sowie die „Buschleute“, Jäger und Sammler in Namibia, die Eipo, Jäger und Pflanzer sowie die Trobriander, Fischer und Pflanzer in Neuguinea besuchte und mit Hilfe von 300 Kilometern 16 mm-Film dokumentierte (Abbildung 1).
Die Filme sind ein Beitrag zur Völkerverständigung, da man in ihnen das gemeinsame Erbe aller Menschen vor Augen geführt bekommt. So ist zu hoffen, dass das humanethologische Filmarchiv zum Weltkulturerbe erklärt wird.

Interdisziplinarität und Toleranz

Eibl-Eibesfeldt hat für seine Forschungsprojekte andere Biologen und Ethologen, Völkerkundler, Linguisten und Mediziner mit ins Boot geholt, die sich auf jeweils eine Region konzentrierten. Weil ihn nicht nur das ungestellte alltägliche Verhalten der Leute interessierte, sondern auch ihr Denken, Fühlen und Sprechen, also ihr geistig-seelisches Innenleben, hat er sich auf ein Terrain begeben, für das ihm nach dem Selbstverständnis vieler Geisteswissenschaftler die nötige „Disziplinierung“ oder fachliche Qualifikation fehlte. So gesehen ist es verständlich, dass Eibl-Eibesfeldt der Meinungsvielfalt in seinem Institut gelassener gegenüberstand, als es Andere der Humanethologie gegenüber waren. Die Anerkennung der Humanethologie setzt das Begreifen der Bedeutung Darwins voraus: die Evolution hat nicht nur am Leib, sondern auch an der Seele Spuren hinterlassen hat, die es zu lesen gilt.

Eine zentrale Frage hat Eibl-Eibesfeldt immer wieder fokussiert: Wie kommen wir Menschen in einer Umwelt zurecht, an die wir aufgrund der Veränderungen, die wir selbst machen, nicht mehr so gut angepasst sind? Für diese Frage und daraus resultierende Theorien erweisen sich Forschungen bei so genannten Naturvölkern als nützlich und notwendig, weil sie noch unter Bedingungen leben, für die Homo sapiens evolutionsbiologisch gemacht ist. In diesem Kontext ist auch der Tier-Mensch-Vergleich unverzichtbar, zumal wir mit den uns am nächsten verwandten „Tieren“ über 98 % der Gene teilen. So gesehen kann es nicht sein, dass die Welt der Tiere bis zu den Menschenaffen von der Zoologie erforscht wird und des Menschen Psyche und Seele nur von den Geisteswissenschaften. Auch bei der Diskussion, wie der Schimpanse und der Steinzeitmensch in uns in Schach zu halten sind, wo sie im Computerzeitalter schaden, ist ethologisches Wissen nützlich.

Eibl-Eibesfeldt hat viele Bücher geschrieben, die zum Teil in mehrere Sprachen übersetzt und zu Bestsellern geworden sind. Dazu gehören die Fachbücher „Grundriß der vergleichenden Verhaltensforschung“ und „Die Biologie des menschlichen Verhaltens“. In ihnen finden sich Beiträge zur Entwicklungspsychologie, Bindungstheorie, Inzesthemmung, Sexualmedizin, Friedens- und Psychotherapieforschung, den Sozial- und Kommunikationswissenschaften, sowie zu den großen Themen Trauer, Hierarchie, Aggression und Menschenwürde. Die Ethologie als Orientierungswissenschaft liefert darüber hinaus auch Wissen, das der Verständigung zwischen Humanwissenschaften dienlich ist. Wie kann dieses große Vermächtnis genutzt werden? Ein Teil des Wissens ist enzyklopädisch übersichtlich aufbereitet und als Lehrinhalt in Schulen, Fach- und Hochschulen geeignet, darüber hinaus wurde der Großteil der veröffentlichten Filme aus dem humanethologischen Filmarchiv digitalisiert und damit zu einem zeitgemäßen Lehrmittel transformiert.

Titelbild: Franz M. Wuketits (2007), (c) Mathias Schindler

Vorige Woche ereilte uns – die ABA – die Nachricht, dass Franz M. Wuketits verstorben ist. Er war von 2005-2008 Herausgeber unserer Zeitschrift bioskop. Wie er in seinem ersten Editorial meinte, sei es sein Hauptanliegen, „die Biologie in ihrer ganzen Tragweite und mit ihren vielfältigen Bezügen zu unserer Kultur ins Bild zu rücken“. Mit Themen wie „Krieg und Frieden“, „Die Zukunft der Gesundheit“ oder „Biologie und Weltweisheit“ gelang ihm das auch vorzüglich.
Dank seiner Verbindungen konnte das bioskop renommierte Autoren wie Ulrich Kattmann, Konrad P. Liessmann oder Bernd Lötsch gewinnen. Fachlich konnte sich das bioskop unter seiner Ägide mit Themen wie „System und Systematik“, „Biologische Vielfalt“ oder „Evolution und Zukunft des Menschen“ positionieren.

Ich lernte F. Wuketits in den 80iger-Jahren kennen, als er auf einem fächerübergreifenden Bundesseminar als junger Dozent mit einem brillanten Referat so manchen renommierten Philosophie-Professor alt aussehen ließ. Als Arbeitsgemeinschaftsleiter der OÖ. BiologielehrerInnen gestaltete ich mit ihm ein Seminar zum Thema „Evolution oder Schöpfung“. Dort trat er mit meisterlicher Rhetorik überzeugend gegen Vertreter aus der Gruppe um den Münchner Philosophen Reinhard Löw an.
2012 durfte ich noch sein Buch „Schwein und Mensch“ besprechen. Er bedankte sich mit folgenden Worten: „Mit Ihren Hinweisen auf didaktische Aspekte des „Schweinethemas“ und dessen interdisziplinäre Dimension (auch im Schulunterricht) haben Sie meine Intention genau getroffen.“.
Das war – leider – unser letzter Kontakt. Mit Franz M. Wuketits hat die ABA nicht nur einen ehemaligen Mitarbeiter, dem es gelang über das bioskop das Profil der ABA vom Lehrerverein zu einem Biologen-Verband zu schärfen, sondern auch einen wohlwollenden Mentor und wissenschaftlichen Beirat verloren.

Seine Belesenheit und seine Fähigkeit Fachwissen zu strukturieren, zusammenzufassen und zu kommentieren – wie z.B. in seiner „Soziobiologie“ – werden wir sehr vermissen.

Nachruf von Michael Schmidt-Salomon
> http://science.orf.at/stories/2917720/

Titelbild: Mark Benecke – der Sherlock Holmes der Kriminalbiologie. Quelle: Christoph Hardt

Mark Benecke ist Kriminalbiologe. Bekannt als „Herr der Maden“, gelobt als „Popstar der Wissenschaft“ und ins Rampenlicht gestellt als der „tätowierte Politiker“ – doch Mark bleibt Mark. Ein Biologe, der „macht wozu er Bock hat und fertig“. Im Interview erzählt Benecke von seinem Weg in die Kriminalbiologie und forensische Entomologie, das Insektensterben und seine Haustiere, die Fauchschaben (Gromphadorhina portentosa).

Mark Benecke ist Deutschlands einziger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für biologische Spuren. Als solcher wird er zu unterschiedlichen Kriminalfällen berufen und unterstützt die Spurensuche maßgeblich. So wurde Benecke auch zur Untersuchung von Adolf Hitlers vermeintlichem Schädel (Craniumfragment & Zähne) im Moskauer Staatsarchiv und im Archiv des russischen Inlandsgeheimdienstes (FSB) hinzugezogen.

Seit mehr als 25 Jahren ist Benecke international als Kriminalbiologie tätig und spezialisiert sich hier unter anderem auf die forensische Entomologie. Aktuell betreibt er als freiberuflicher Biologe das Institut „BENECKE FORENSIC BIOLOGY – International Forensic Research & Consulting“ in Köln. Studiert hat er zunächst Biologie/Zoologie und Psychologie an der Universität Köln. Erst durch ein Praktikum in der Rechtsmedizin gelangte er dann in die Forensik und promovierte schließlich auch am Institut für Rechtsmedizin der Universität Köln. Benecke erweiterte seinen Fokus zudem durch diverse internationale Ausbildungen im Bereich der Forensik, u.a. absolvierte er ein Training an der FBI Academy. Später war er auch selber als Trainer auf der Body Farm des FBI in Tennessee tätig.

Wie Mark Benecke selbst sagt, ist er eigentlich einfach „ein Ärmel hochkrempelnder Biologe, der dann auch manchmal vor Gericht sitzt“ und so biologisches Wissen mit kriminalistischen Faktenstrukturen verbindet. Nebenbei trägt Benecke durch die Publikation von Sachbüchern und seine Vorträge vor breitem Publikum zur Wissenschaftskommunikation bei. Thematisiert werden vergangene Kriminalfälle und die spannenden Möglichkeiten entomologischer Untersuchungen in der Forensik, Tötungs-Methoden wie Erhängungen und Enthauptungen und, wie könnte es anders sein, der Kreislauf des Lebens. Ein informativer und spannender Abend ist garantiert.

Im Interview mit dem bioskop erzählt Mark von seinem Weg in die Kriminalbiologie und forensische Entomologie, das Insektensterben und seine Haustiere, die Fauchschaben (Gromphadorhina portentosa).

Fangen wir doch einfach ganz von vorne an. Die meisten BiologInnen in meinem Bekanntenkreis haben schon in der Kindheit Heuschrecken im Lupenglas beobachtet und Farbtabletten in Eprouvetten gemischt. Wie bist Du zur Biologie gekommen?

Als Kind wollte ich Koch werden. Aber die Spurensuche und das Experimentieren, vor allem in der Chemie, haben mich auch schon immer interessiert. Damals habe ich Staub auf Tesafilm geklebt und unter einem ganz billigen Mikroskop angeschaut oder auch jahrelang versucht, Schneeflocken mit Lack einzufangen. Ich liebe Tatsachen, Beweisbares und Messbares. Das erfahren wir durch Experimente, sonst nicht. So kam das dann, dass ich Biologie studiert habe.

Und die BiologInnen hatten die besten Partys. Kein Witz.

Fakten und Spurensuche – da bist Du in der Forensik genau richtig. Wie sieht denn Dein Arbeitsalltag als Kriminalbiologe aus?

Das kommt auf den Fall an. Wenn es sich um einen aktiven Tatort handelt und die Zeit da ist, dann gehe ich auf Spurensuche und bin mit der Tatortrekonstruktion beschäftigt. Erstmal wird alles dokumentiert. Wenn es um die Bedeutung der Spuren für den Fall geht, lautet die Regel: Ich glaube erst einmal gar nichts. Niemals das annehmen, was vermeintlich offensichtlich ist – ganz im Gegenteil. Man muss neutral und ohne jede Annahme vorgehen. Ich halte mich da an Sherlock Holmes: “There is nothing more deceptive than an obvious fact.”

Die Aufträge bekommen wir von verschiedenen Leuten. Grundsätzlich kann mein Team und mich jeder beauftragen. Ich arbeite für offizielle Stellen und für Angehörige, wenn sie nicht zu traumatisiert sind und noch Energie für die Fallarbeit haben. Wir kriegen auch oft Akten, und entweder der Angehörige, Staatsanwalt, Polizist oder auch Journalist sagt: Guck mal, hier stimmt etwas nicht.

In einigen Fällen übergibt uns die Polizei die Insekten direkt und wir bestimmen dann erst im Labor die wichtigsten Fakten, wie Art, Lebensraum, Alter, Lebenszeit auf der Leiche und so. Durch solche Details lässt sich schon einiges feststellen, das für die Fallbewertung interessant ist.

Welche Spuren sind an einem Tatort für Dich interessant?

Blutspuren, genetische Fingerabdrücke, Insekten, auch andere Spuren – jedes kleine Detail kann spannend sein oder werden. Sogar Teelichter. Ich wurde einmal zu einem Mordtatort gerufen, an dem noch Teelichter brannten. Ein scheinbar nebensächliches Detail. Ich habe sie dennoch fotografiert und im Nachhinein haben die Fotos bei der zeitlich-räumlichen Rekonstruktion der Tat geholfen.

Insekten sind für das Verständnis auch sehr hilfreich. Ich gucke mir Gliedertiere an, um beispielsweise Hinweise zu bekommen, wie lange die Leiche am Fundort war oder ob sie mit Sicherheit längere Zeit am Fundort gelegen hat und nicht transportiert wurde.

Bei deinen Interviews und Auftritten thematisiert Du auch ein sehr wichtiges Thema: Das Insektensterben. Beeinflusst der Artenverlust auch Deine Arbeit?

Die Untersuchung von Todesfällen wird dadurch schwieriger. Vor dreizehn Jahren ist uns das Insektenproblem zum ersten Mal aufgefallen. Da fielen uns im Sommer die Schmeißfliegen (Calliphoridae) weg, deren Larven wir zur Bestimmung der Leichenliegezeit verwenden. Wir müssen also drumherum arbeiten und uns mehr auf andere Spuren konzentrieren. Ich arbeite ja auch mit Blut, Sperma und so. Es gehen auch manchmal aus anderen Gründen Spuren verloren, so ungewöhnlich ist das also nicht. Wir arbeiten mit dem, was wir haben.

Die Frage ist eher, wie wir Menschen weiterleben können, wenn durch den Verlust anderer Tier- und Pflanzenarten das gesamte Lebensnetzwerk zusammenbricht. Populationszusammenbrüche sind biologisch nichts Besonderes, aber hier wirkt der Mensch mit. Das ist kein Spruch vom Wollsocken-Biolehrer, sondern Realität.

Insekten, Larven, Maden – das sind deine täglichen Wegbegleiter. Hast Du Lieblinge?

Abb.1.: Mark Benecke mit seinen Haustieren – den Fauchschaben. Quelle: Thomas van de Scheck

Eigentlich mag ich ja alle Insekten, denn sie sind großartige, teils uralte Konstruktionen. Aber es ist eine ziemlich einseitige Zuneigung. Insekten interessieren sich nicht für menschliche Gefühle.

Im Berliner Naturkundemuseum bin ich Pate der Markusmücke, auch Markus- oder Märzfliege (Bibio marci) genannt. Die kommen nur einmal im Jahr zum Vorschein. Wenn man eine Markusfliege mit einer Leiche in einen Teppich einwickelt und im See versenkt, kann ich dann anhand der Fliege bestimmen, in welcher Jahreszeit das war. Außerdem sind Markusfliegen ganz schwarz, und ich mag alles, was schwarz ist.

Lustig sind auch Käsefliegenmaden. Die können springen und krümmen sich vorher wie ein Croissant zusammen. Außerdem schreien alle im Labor noch lauter, wenn diese Maden aus einem Leichensack springen.

Siehst Du dich eher als Biologe oder Forensiker?

Eigentlich bin ich einfach ein Ärmel hochkrempelnder Biologe, der manchmal vor Gericht sitzt. Wichtig ist, dass ich im Herzen Biologe bin. Kriminalistik ist einfach eine Anwendung meiner biologischen Tätigkeit.

An der Universität Wien interessieren sich vor allem Studierende der physischen/biologischen Anthropologie für eine Karriere in der Forensik. War deine Karriere ein Glücksfall?

„Karriere“ würde ich es jetzt nicht nennen. Mir macht es einfach Spaß. Meine Frau und ich arbeiten 365 Tage im Jahr und haben keinen Urlaub. Wer spannende, unbekannte Welten im Kleinen erforschen will, hat als freiberufliche/r Forensiker/in einen der vielfältigsten und verantwortungsvollsten Spielplätze im naturwissenschaftlichen Bereich.

Siehst du Bedarf für BiologInnen in der Forensik?

Klar, massenhaft. Es macht nur keiner. Die meisten wollen halt Hubschrauber fliegen, mit Blaulicht herumrasen oder so was. Bei uns geht es aber um Messen, Zählen, Sortieren und Fotografieren. So gesehen trifft unsere Wirklichkeit eigentlich nie die Erwartungen. Wer gerne sehr vertieft und verkauzt rumwurschtelt, extrem ordentlich und sehr ehrlich ist, für den ist das was.

Mein Tipp wäre, auf der Jobsuche auch mal bei der Polizei und bei Routine-Labors reinzuschnuppern. Da herrschen normalere Arbeitsbedingungen.

Gibt es bestimmte Qualifikationen, die man mitbringen sollte?

Ja. Freude an sehr guter, präziser Fotografie, Akribie, Ordnungsliebe, Detailversessenheit und Offenheit für die schrägsten Dinge: Unsere Fälle klingen oft nahezu unmöglich. Wir untersuchen auch Blutwunder, Leichen-Öle, Mumienkeller und dergleichen. Es ist auch zwingend notwendig, jederzeit zu reisen und andere Menschen, Lebensweisen und Kulturen ganz ehrlich und tief zu akzeptieren.

Spaß an Ausrüstung ist auch gut. Ich suche immer neue, noch präzisere Messgeräte, die aber nie digital sein dürfen, weil sie sonst zu schnell kaputt gehen. Ich habe bestimmt schon fünfzig Taschenlampen getestet, und ein großer Testbericht für eine stabile Metall-Tatort-Lampe mit Sperma auf verschiedenen Textilien stammt auch aus unserem Labor.

Hast du noch einen abschließenden Tipp für die Studierenden?

Ja: Arbeiten, nicht reden.

Durch Deine Arbeit bist Du ja ziemlich abgeklärt, wenn es um das Thema „Tod“ geht. Es gibt inzwischen viele Möglichkeiten, wie man den menschlichen Körper nach dem biologischen Tod noch verwenden kann. Angefangen von der Nutzung für Forschung und Wissenschaft bis zum Einsatz als Dünger durch Promession. Hast Du Dir schon Gedanken gemacht, was mit Deinem Körper passieren soll?

Mir egal, das können andere entscheiden. Ich bin dann ja tot und kriege nix mehr mit. Fäulnis im Freien finde ich normal, natürlich und energieeffizient, aber da sich viele Menschen davor gruseln, will ich nichts erzwingen, was anderen unangenehm ist.

Danke für das Interview. Und vielleicht sieht man sich ja bei deiner nächsten Vorstellung in Wien.

PROMESSION ist eine neue Bestattungsmethode, die auf der Forschung der schwedischen Biologin Susanne Wiigh-Mäsak beruht. Der Verwesungsvorgang wird hierbei durch vorheriges kryotechnisches Granulieren und Trocknen der Leiche beschleunigt. Anschließend kann das Granulat kompostiert werden. Die Methode erlangte in den letzten Jahren unter dem Schlagwort „Öko-Bestattung“ mediale Aufmerksamkeit.

MARK BENECKE IN WIEN
Termine: 6. Juni 2018 – Hitlers Schädel
               8. Juni 2018 – Bakterien, Gerüche und Leichen
Ort:         Rabenhof Theater
Rabengasse 3, 1030 Wien
Mehr Informationen zu Mark Benecke: http://home.benecke.com/

Titelbild: Untersuchungsfläche am Hochschwab. Quelle: Harald Pauli

Gebirge sind häufig Hotspots der Biodiversität. Gleichzeitig sind sie aber aufgrund ihres Arten- und Endemiten-Reichtums und den speziellen klimatischen Gegebenheiten durch den Klimawandel besonders gefährdet. Seit mittlerweile zwei Jahrzehnten beschäftigen sich Forscherteams in der ganzen Welt mit den möglichen Folgen für die alpine Flora. Die Idee dazu entstand in Österreich.

Die internationale Ausrichtung spürt man nicht sofort, wenn man das GLORIA-Büro im 19. Bezirk/Wien betritt. Es ist eine lichtdurchflutete Altbauwohnung in einer ruhigen Lage, umgeben von schicken Häusern und Grünflächen vor den hohen Fenstern. Doch tatsächlich ist GLORIA mittlerweile eine der wenigen langfristigen internationalen Forschungsinitiativen mit Sitz in Österreich.

GLORIA (Global Observation Research Initiative in Alpine Environments)
Ist eine Initiative, die ein internationales Monitoring-Netzwerk für Langzeitbeobachtungen alpiner Pflanzengesellschaften betreibt. Die vergleichenden Studien (sowohl nationaler als auch internationaler Art) zielen vor allem darauf ab, Biodiversitätsmuster zu erfassen und die Auswirkung des Klimawandels auf die Hochgebirgsvegetation festzustellen.

Als Anfang der Neunziger der Klimawandel zu einem Begriff und langsam auch zu einem Thema der öffentlichen Medien wurde, gab es noch sehr wenige Initiativen, die sich mit Langzeitveränderungen durch die globale Erwärmung befassten. „Zu der Zeit war ich Diplomand bei Georg Grabherr und in meiner Dissertation wollten wir die Veränderung in der alpinen Flora untersuchen“, erzählt Harald Pauli, der mittlerweile der Kopf des GLORIA Teams ist. Die Idee war, Gipfel, wie die Hochwilde in den Ötztaler Alpen, von denen es historisch vollständige Artenlisten gab, erneut zu besuchen und ein aktuelles Arteninventar zu erstellen. „Natürlich war nur ein geringer Teil der historischen Daten für einen Vergleich geeignet, doch es ließ sich dennoch ohne Zweifel feststellen, dass nun viel mehr Arten auf den Gipfeln vorkamen“, erinnert sich Pauli an die Resultate der Arbeit, die ihn und seinen Kollegen Michael Gottfried zwei Sommer lang beschäftigte. Die zweite Publikation zu den Ergebnissen schaffte es dann überraschend in der Zeitschrift Nature. „Damit war klar, dass wir in diese Richtung weitermachen müssen“, so Pauli.

Von einer Publikation zu einem weltweiten Netzwerk

Die Motivation, das Projekt fortzuführen war gegeben, allerdings gab es kaum Vergleichsdaten auf nationaler und internationaler Ebene, vor allem aber außerhalb Europas. Meist waren nur mehr oder weniger unvollständige Artenlisten vorhanden, was die Auswertungsmöglichkeiten einschränkte.

„Wir brauchten Genaueres“, schildert Pauli die Situation, die schließlich zu dem mittlerweile internationalen GLORIA-Netzwerk führte. Anfang des Jahrtausends tastete das Team um Georg Grabherr das Interesse der internationalen Forschungsgemeinschaft zu den Forschungsbestrebungen ab und erntete sogleich positive Reaktionen. Das erste EU-Projekt wurde daraufhin eingereicht. Das Netzwerk, das mit 18 Gebieten begann, umfasst mittlerweile 130 Gebiete verteilt auf sechs Kontinente.

Abb.1: Europäische Gebirgsregionen mit GLORIA-Erhebungsflächen. Diejenigen 17 Regionen, die in die erste Erhebung 2001-2008 eingebunden waren sind mit schwarz umrandeten gelben Punkten gekennzeichnet. Quelle: Harald Pauli
Abb.1: Europäische Gebirgsregionen mit GLORIA-Erhebungsflächen. Diejenigen 17 Regionen, die in die erste Erhebung 2001-2008 eingebunden waren sind mit schwarz umrandeten gelben Punkten gekennzeichnet. Quelle: Harald Pauli

Erste Ergebnisse

Im Jahr 2001 erfolgte die erste Erhebung der Gefäßpflanzengemeinschaften auf den Dauerflächen der 66 Gipfel in den 17 europäischen Regionen. Nach der Wiederholungskartierung 2008, lagen die ersten Vergleichsdaten vor. Dabei war ein Höhersteigen der Arten auf fast allen Gipfeln erkennbar. Im Schnitt verschoben sich die Artengrenzen um 2,7 Meter nach oben. Die Artenvielfalt stieg ebenfalls um durchschnittlich acht Prozent an. Dies bedeutet, dass die Pflanzen nicht nur ihre Obergrenzen ausweiten, sondern auch Pflanzen von unten nachdrängen. Dies könnte zu Problemen vor allem bei jenen Pflanzen führen, die bereits am Limit ihrer oberen Verbreitungsgrenze wachsen und nicht mehr weiter ausweichen können. Der Gletscher-Hahnenfuß kann sich beispielsweise gar nicht an höhere Temperaturen anpassen. Er würde, bei Fehlen geeigneter kühlerer Habitate, schnell seine physiologischen Reserven aufbrauchen. Im schlimmsten Fall würde dies lokale Aussterbeereignisse nach sich ziehen. „Ein Aussterben ist aber natürlich schwer festzustellen. Wir können nur einen Rückgang in der Bedeckung oder eine Verdrängung durch andere Pflanzen festhalten und daraus mögliche Schlüsse ziehen“, erklärt Pauli.

Abb.2: Der Gletscher-Hahnenfuß (Ranunculus glacialis) ist gut an das raue alpine Klima angepasst. Unter wärmeren Bedingungen sind seine physiologischen Grenzen schnell erreicht. Quelle: Harald Pauli
Abb.2: Der Gletscher-Hahnenfuß (Ranunculus glacialis) ist gut an das raue alpine Klima angepasst. Unter wärmeren Bedingungen sind seine physiologischen Grenzen schnell erreicht. Quelle: Harald Pauli

Die Zunahme der Artenzahlen vollzieht sich jedoch nicht in allen europäischen Regionen gleichermaßen. In mediterranen Gebieten zeigt sich gar eine Abnahme der Artenzahlen. Dies könnte auf einen kombinierten Effekt von Klimaerwärmung und abnehmender Niederschlagsmenge zurückzuführen sein. „Weniger Regen führt zu Trockenstress, den nur wenige Pflanzen aushalten“, folgert Pauli. Diese Ergebnisse seien vor allem deshalb besorgniserregend, führt er weiter aus, da „gerade in den mediterranen Gebieten, die verfügbaren Hochgebirgsflächen sehr klein sind und ein hoher Grad an Endemismus besteht“. Diese endemischen Pflanzen haben wenig Möglichkeiten, ihre Verbreitung den klimatischen Gegebenheiten anzupassen. Bereits nach den ersten sieben Jahren wurden 31 Prozent der 2001 aufgenommenen Endemiten nicht erneut gefunden (Pauli et al., 2012).

Außerdem konnte eine zunehmende Thermophilisierung der alpinen Flora festgestellt werden. Das bedeutet, dass in den untersuchten Regionen, die Bedeckung jener Pflanzen zunimmt, die an höhere Temperaturen angepasst sind. Diese Pflanzen, die normalerweise weiter unten (in der montanen oder subalpinen Zone) wachsen und größer als die meist klein- und langsam-wüchsigen alpinen Arten werden, wandern nach oben und konkurrieren mit den alpinen Arten um Licht. Im Schnitt konnte festgestellt werden, dass sich die Höhenstufen in sieben Jahren um fünf Prozent nach oben verschoben. Dies führt zu einem Schrumpfen der Hochgebirgszonen mit genügend niedrigen Temperaturen für an Kälte angepasste Hochgebirgsarten (Gottfried et al., 2012).

Abb.3: Der Indikator für die Thermophilisierung (D) ist signifikant positiv auf europäischer Ebene. Der rote Strich repräsentiert die mittlere Thermophilisierung in Europa, der grüne Bereich ist das 95% Konfidenzintervall. Orange Punkte und horizontale Balken stehen für den Mittelwert D pro Region sowie die dazugehörigen 95% Konfidenzintervalle. Quelle: Gottfried et al., (2012)
Abb.3: Der Indikator für die Thermophilisierung (D) ist signifikant positiv auf europäischer Ebene. Der rote Strich repräsentiert die mittlere Thermophilisierung in Europa, der grüne Bereich ist das 95% Konfidenzintervall. Orange Punkte und horizontale Balken stehen für den Mittelwert D pro Region sowie die dazugehörigen 95% Konfidenzintervalle. Quelle: Gottfried et al., (2012)

Ausblick in die Zukunft

„Unser Schwerpunkt in den nächsten Jahren wird es sein, vermehrt funktionelle Merkmale gemeinsam mit den anderen Monitoring-Daten aufzunehmen.“, beantwortet Pauli die Frage nach der Zukunft von GLORIA. Damit werden die Interpretationsmöglichkeiten und die Aussagekraft der Daten erheblich verbessert. Funktionelle Merkmale können eine mögliche Thermophilisierung anzeigen oder auf den Rückgang von Niederschlägen hindeuten (skleromorphe Pflanzen). In den mediterranen Gebieten ist der Rückgang der Niederschlagsmenge (siehe „Erste Ergebnisse“) derweil nur eine mögliche Erklärung für den Artenrückgang. Da es weder möglich noch praktikabel wäre überall Wetterstationen zu bauen, kann die Hypothese durch die Untersuchung funktioneller Merkmale geklärt werden.

Allerdings gibt es keine einheitliche Literatur zu diesen Merkmalen, die einen Vergleich über Ländergrenzen hinweg zuließe. Deshalb ist eines der nächsten Ziele des GLORIA-Teams einen vollständigen Datensatz mit diesen Zusatzinformationen, zumindest einmal für Europa, zu erstellen.

Außerdem müssen die Daten, die 2015 im dritten Durchgang des Projekts erhoben wurden, noch analysiert werden. Anhand dieser könnte nun bereits ein Trend in den Entwicklungen prognostiziert werden.

Hürden eines internationalen Langzeitprojekts

Langzeitmonitoring-Initiativen wie GLORIA stoßen aber auch auf viele Probleme, die gleichzeitig als Kritik am Forschungsalltag gesehen werden können, der in den meisten Wissenschaften nun eingekehrt ist. Pauli erklärt die Schwierigkeiten so: „Monitoring-Daten, die nur alle fünf bis zehn Jahre erhoben werden, fallen nicht unter die Kriterien der meisten Fördertöpfe. Aber in Bezug auf den Biodiversitäts- und Klimawandel sind nur solche Projekte wirklich sinnvoll“.

Europaweit gibt es kaum Fördergelder für Projekte, die über mehr als fünf Jahre laufen. Langfristige Finanzierungskonzepte sind nicht en vogue. Deshalb müssen immer neue Projektanträge geschrieben werden, „obwohl sich an der grundsätzlichen Fragestellung nichts ändert und ein Projektdurchgang vielleicht auch gar nicht genug ist, um sie zu beantworten“, so Pauli. Um ein Bestehen der Initiative zu sichern, müsse das Team vermehrt Strategien entwickeln, wie das Monitoring langfristig finanziert werden kann, „weil die Daten ja auch mit jedem Durchgang interessanter und wertvoller werden“.

Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, neue Dauerbeobachtungsflächen außerhalb Europas zu schaffen. Gerade in Afrika und Asien gibt es wenige Monitoring-Flächen. Dies liegt einerseits an der weniger ausgeprägten Tradition zur Feldbiologie und andererseits an der teils fehlenden oder unvollständigen Bestimmungsliteratur. Auch politisch ist die Kooperation zwischen manchen Ländern kaum möglich und Sprachbarrieren erschweren die Zusammenarbeit weiter.

Trotz dieser Hürden ist mit GLORIA etwas gelungen, was bisher kaum denkbar war: In allen Klimaregionen der Erde verteilt auf sechs Kontinente, gibt es WissenschafterInnen, die in gemeinsamer Anstrengung an einer Fragestellung zum möglicherweise brisantesten Problem unserer Zeit arbeiten – den Auswirkungen des Klimawandels.

Harald Pauli

Harald Pauli
Die Berge begleiten den Hochgebirgsökologen bereits in seiner gesamten Laufbahn. Harald Pauli studierte Biologie mit dem Schwerpunkt Botanik an der Universität Wien und arbeitete dann lange Zeit in der Forschungsgruppe um Georg Grabherr zu klimawandel-induzierten Veränderungen von Gefäßpflanzen in der alpinen und nivalen Zone. Mittlerweile ist er Leiter des internationalen GLORIA Netzwerkes und Monitoringprogramms an der BOKU und der ÖAW sowie Vizedirektor des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung, IGF, an der ÖAW.

Titelbild: Urknall. Quelle: Dorthe Landschulz. Aus: Wissenschaftliche Cartoons. Holzbaum-Verlag

Der Titel ist Programm, die Bilder aber lustiger als er erschließen lässt.

Was kann Wissenschaft heutzutage? Menschen Dinge erzählen, die sie dann eh nicht glauben? Oder vielleicht Wissen produzieren, das in der Menge „alternativer Wahrheiten“ untergeht?

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Titelbild: MitarbeiterInnen des Büros des Rektorats. Quelle: Universität Wien

Johannes Sorz

Johannes Sorz ist an der Uni Wien im Büro des Rektorats beschäftigt, wo er als Referent für Forschung und Nachwuchsförderung tätig ist. Nach seinem Studium der Botanik an der Uni Wien hat er sein Doktoratsstudium an der Universität für Bodenkultur am Department für Integrative Biologie abgeschlossen. Vor seiner derzeitigen Tätigkeit war er als Experte für das FP7 (7 th Framework Programme for Research and Technological Development der EU) im Bereich europäische und internationale Programme der FFG (Forschungsförderungsgesellschaft) beschäftigt.

Im Büro des Rektorats ist er einerseits die direkte Ansprechperson für alle fachlichen Fragen des für die Forschung zuständigen Rektoratsmitglieds als auch Ansprechpartner für alle zentralen Einrichtungen der Universität im Bereich Forschung (z. B. Forschungsservice, DoktorandInnenzentrum, Qualitätssicherung). Er unterstützt das Rektorat zudem bei der Ausarbeitung und bei den Verhandlungen der Leistungsvereinbarungen mit dem Bundesministerium, bei den Budgetverhandlungen (Zielvereinbarungen) mit den Fakultäten und Zentren und ist für Auswertungen und Monitoring von wissenschaftlichen Leistungen (Drittmitteleinwerbungen, Publikationen, Patente, etc.) und für die Entwicklung von Indikatoren zur leistungsorientierten Mittelvergabe im Bereich der Forschung zuständig. Seine weiteren Kernaufgaben umfassen außerdem: Entwicklung und Administration der universitätsinternen Forschungsförderungsmechanismen (Forschungsplattformen, Forschungsverbünde, Forschungscluster); Hochschulrankings (Analyse der Ergebnisse und Vorbereitung der Presseaussendungen); Erstellung von Analysen und Berichten zu aktuellen Trends in der Forschung und in der nationalen und internationalen Forschungs- und Forschungsförderungslandschaft.

Auch selbst ist er in der Forschung aktiv, nämlich im Bereich der Bibliometrie/Szientometrie (Auswertung von wissenschaftlichen Ergebnissen) und beschäftigt sich außerdem wissenschaftlich mit der Aussagekraft von Universitätsrankings. In diesen Bereichen hat er bereits wissenschaftliche Artikel publiziert. Seine neueste Arbeit kann man hier nachlesen.

1) Beschreibe kurz Deinen Arbeitsalltag. Was sind Deine Hauptaufgaben?

Ich komme so um acht Uhr ins Büro und arbeite in der Regel acht bis neun Stunden. Es gibt saisonale Stoßzeiten wie zum Beispiel die Vorbereitungen der Zielvereinbarungen mit den Fakultäten, die eher arbeitsintensiv sind. Meist sind Anfragen (Mail, Telefon) von WissenschaftlerInnen der Uni Wien zu den Förderinstrumenten oder von FunktionsträgerInnen zu den diversen Beschlüssen des Rektorats zu beantworten. Sehr oft benötigen entweder der Vizerektor für Forschung oder der Rektor bestimmte Auswertungen. Wie z.B. wer forscht an der Uni Wien zum Thema x? Oder eine Delegation aus dem Land x kommt zu Besuch, wer kooperiert in der Forschung mit Universitäten in diesem Land? Wieviel hat der oder die ForscherIn y in den letzten Jahren publiziert? Welche Universitäten in Österreich oder in einem anderen Land forschen im Bereich x?
Stehen Leistungsvereinbarungen, Zielvereinbarungen oder die Erstellung eines aktuellen Entwicklungsplans an, dann sind vorbereitende Unterlagen für das Rektorat zu erstellen und man macht sich gemeinsam mit den Rektoratsmitgliedern Gedanken über die strategischen Ziele der Universität und wie diese mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen sind. Dafür gibt es immer eine Menge Termine fachlich zu betreuen, rektoratsintern, mit den Fakultätsleitungen, mit den Leitungen der Serviceeinrichtungen oder anderen Leitungsorganen (Senat, Unirat), Ministerialbeamten, etc.
Ein wichtiger Teil der Regelarbeit ist auch die Vorbereitung der Rektoratssitzungen. Einmal die Woche findet ein Treffen aller Rektoratsmitglieder statt und dafür müssen alle möglichen Unterlagen vorbereitet werden. Hat der/die VizerektorIn für Forschung einen Bericht vorzulegen oder es gibt ein Thema, das einen Beschluss aller Rektoratsmitglieder benötigt (z.B. Budgets für Ausschreibungen, Bestellung von FunktionsträgerInnen, Entwurf einer Leistungsvereinbarung), dann muss ich die Unterlagen dafür vorbereiten und mich um die Umsetzung der Beschlüsse kümmern.
Wenn eine Ausschreibung, zum Beispiel für Forschungsplattformen, offen ist, dann nimmt das über mehrere Monate den Großteil meiner Arbeitszeit ein. Hier sind die Ausschreibungen zu konzipieren und zu budgetieren, viele Anfragen von WissenschaftlerInnen zu beantworten, die Ausschreibungen abzuwickeln, die Einrichtung der erfolgreichen Projekte zu administrieren und der Fortschritt der Projekte zu überwachen und zu dokumentieren.

2) Was gefällt Dir an Deinem Job am meisten?

Die Vielseitigkeit der Aufgaben (es gibt immer neue Anfragen, Projekte, Themen…) und des Teams (Ex-WissenschaftlerInnen, JuristInnen, PR-Leute) sowie die sehr kompetente Büroleitung.
Außerdem kann ich mich mit dem Bereich Forschung und Hochschulen beschäftigen, was mich interessiert. An einer großen, fachlich sehr heterogenen Universität hat man mit vielen unterschiedlichen Forschungsthemen aus allen Bereichen von Archäologie über Molekularbiologie bis Quantenphysik zu tun, was ich persönlich sehr spannend finde.
Selbstverständlich ist auch die freie Zeiteinteilung ein großer Vorteil. Es gibt bestimmte Deadlines, die zu erfüllen sind, aber keine Stechuhr. Das ist sehr praktisch, wenn man ein Kind hat, das zum Beispiel am Nachmittag zum Arzt oder früher aus dem Kindergarten abgeholt werden muss. Ich kann entweder früher in die Arbeit kommen, am Abend von zuhause aus arbeiten oder die Arbeit an anderen Tagen nachholen.

3) Was gehört zu den schwierigsten Dingen in Deinem Beruf? Was sind für Dich die größten Herausforderungen?

Zeitdisziplin: die Deadlines auch einzuhalten ist eine Herausforderung.
Bei den vielen verschiedenen Anforderungen und Themen ist es wichtig, nicht den Überblick zu verlieren, und abzuschätzen wieviel Zeit und Energie in eine Aufgabe investiert werden muss, und/oder ob eine Aufgabe auch delegiert werden kann, etwa an eine zentrale Serviceeinrichtung.

4) Wie bist Du auf Deinen Job aufmerksam geworden?

Ich habe mich auf ein Inserat in einer österreichischen Tageszeitung beworben.

5) Welche Qualifikationen sind für Deine Tätigkeit besonders wichtig?

Es gibt mehrere wichtige Punkte:

  • Akademischer Abschluss und Promotion: Für den akademischen Reputationsnachweis – von ForscherInnen, insbesondere ProfessorInnen, wird man ohne Doktorat kaum wahrgenommen, beziehungsweise würden sie sich „nichts erzählen“ lassen, wenn es um Forschung geht.
  • Eigene Erfahrung in der Forschung: Diese hatte ich durch meine Dissertation und meine Mitarbeit bei einem FWF-Projekt.
  • Erfahrung im Bereich Forschungsförderung, vor allem mit EU-Projekten: Diese hatte ich durch meine Tätigkeit bei der FFG.
  • Zeitliche Flexibilität (mal viel, mal wenig arbeiten, mal muss was schnell fertig sein, mal hat man Zeit…).

6) War es schon immer Dein Wunsch, eine Arbeit dieser Art auszuüben oder hattest Du früher andere Berufswünsche?

Nein. Ich wollte ursprünglich Wissenschaftler werden und den Wald retten. Habe mich aber aus pragmatischen Gründen dann für eine Karriere in der Wissenschaftsadministration entschieden, da ich nach dem Doktoratsstudium in Wien bleiben und eine Familie gründen wollte. Einen unbefristeten Arbeitsvertrag findet man in diesem Lebensabschnitt eher in der Administration als in der Forschung. Ich wollte mein Leben nicht darauf aufbauen, von einer zeitlich befristeten oft prekären Stelle zur nächsten zu springen. Seit ich an der Universität Wien tätig bin, weiß ich, dass das eigentlich der Regelfall ist und, dass es für eine erfolgreiche ForscherInnenkarriere auch notwendig ist, Forschungserfahrung im Ausland zu sammeln. Ich habe für mich persönlich allerdings gemerkt, dass mich die Wissenschaft nicht in diesem Ausmaß begeistert, dass ich dafür bereit wäre, ein Leben als wissenschaftlicher Nomade zu führen, der mit viel Glück irgendwann mal nach Wien zurückberufen wird oder eine Dauerstelle bekommt.

7) Wie siehst Du die Arbeitsmarktsituation in Deinem Umfeld? Wie stehen die Jobaussichten für Biologinnen und Biologen?

Das hängt sehr stark vom genauen Betätigungsfeld und Schwerpunkt ab, und davon was man machen will. In der Wissenschaft gibt es immer Möglichkeiten, wenn man bereit ist Opfer zu bringen, und ins Ausland zu gehen, siehe oben. Es gibt Felder, die derzeit sehr gefragt sind, wie etwa die Bioinformatik. Hier sind die Chancen, in Österreich und abseits der Universität was zu finden sehr gut. Das gleiche gilt für Biochemie und Molekularbiologie, wobei der Markt hier teilweise schon gesättigt ist. Mit organismischer Biologie ist es sehr schwer abseits der universitären Forschung etwas zu finden, wo man das Gelernte auch anwenden kann. Ich kenne allerdings niemanden, der lange arbeitslos geblieben ist. Viele meiner damaligen StudienkollegInnen sind in der Wissenschaftsadministration oder in ganz anderen Betätigungsfeldern tätig.

8) Ist ein Biologiestudium für Deine Position notwendig; welche anderen Ausbildungen wären hilfreich?

Wie oben beschrieben: Ein Doktorat war Voraussetzung, obwohl nicht notwendigerweise in der Biologie. Für die Stelle bei der FFG war ein naturwissenschaftliches Doktorat Voraussetzung, und diese war mein Sprungbrett für meine derzeitige Position. Man lernt dann eigentlich alles im Job. Wenn man in dem Bereich noch höher hinaus will, ist ein MBA oder jede Art der Ausbildung im Bereich Wirtschaft/Finanzen sicher hilfreich.

9) Welche Inhalte des Biologiestudiums benötigst Du in Deinem Berufsalltag am häufigsten?

Statistik, Mathematik und Kenntnisse der Aufbereitung wissenschaftlicher Daten.

10) Was würdest Du Biologiestudierenden raten, die sich für einen ähnlichen Job interessieren?

1. Sich bereits im Studium Gedanken über die Berufswahl und mögliche Alternativen machen, und bei der Wahl des Studienzweiges darauf zu achten. Auch bei der Masterarbeit ein einschlägiges Thema wählen.
2. Rechtzeitig während des Studiums einschlägige Praktika machen, um einen Einblick in mögliche Betätigungsfelder zu bekommen und um Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen.
3. Wenn man wirklich eine Tätigkeit im Bereich der Wissenschaftsadministration von vornherein anstrebt, sollte man eher nach dem BA ein Jus- oder Wirtschaftsstudium anhängen. Sich jedenfalls den MA und insbesondere das Doktorat wirklich gut überlegen. Das kann Lebenszeit sparen, wenn man nicht wirklich in die Forschung gehen will und bringt oft mehr Chancen, auch abseits der Unis. Es gibt auch interessante Postgraduate-Angebote (wie Wissenschaftskommunikation, PR, MBA, etc.), die mehr Sinn machen als ein Doktorat.

Vielen Dank für das Interview!

Universität Wien
Die Universität Wien wurde 1365 in Wien gegründet und zählt zu den ältesten und größten in Europa. Sie ist mit derzeit rund 93.000 Studenten und circa 9.700 MitarbeiterInnen die größte Forschungsinstitution Österreichs, und bietet mit über 180 Studien das vielfältigste Studienangebot des Landes. Im Bereich der Forschung gliedert sie sich in 15 Fakultäten und 4 Zentren, für die Organisation der Studien sind 49 Studienprogrammleitungen und der Studienpräses verantwortlich. Administrativ gliedert sich die Uni in 5 Stabstellen, 11 Dienstleistungseinrichtungen und die Qualitätssicherung.
Das Büro des Rektorats unterstützt den Rektor und die VizerektorInnen bei der Vorbereitung der zu treffenden strategischen Entscheidungen im Zusammenwirken mit den anderen universitären Organen (insbesondere Universitätsrat, Senat, DekanInnen, StudienprogrammleiterInnen, etc.).

FP7: 7th Framework Programme for Research and Technological Development
Das 7. Rahmenprogramm (7. RP) mit einer Laufzeit von 7 Jahren (2007-2013) war das zu der Zeit größte transnationale Forschungsprogramm der Europäischen Union mit einem Gesamtbudget von 54 Milliarden Euro. Das Ziel der Rahmenprogramme ist die Stärkung der wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der Industrie der Gemeinschaft sowie die Förderung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Im Rahmenprogramm werden die wissenschaftlichen und technologischen Ziele, die Grundzüge der Maßnahmen und Forschungsprioritäten, der Gesamthöchstbetrag und vorläufige Verteilung der Mittel, sowie die Einzelheiten der finanziellen Beteiligung der EU festgelegt.
Das Nachfolgeprogramm, gültig von 2014 – 2020, nennt sich Horizon 2020.

Ciliat in Tusche. Diese „Lebenddarstellung“ wird für Bestimmungsliteratur verwendet. Quelle: Michael Gruber

Michael Gruber hat sein Ökologiestudium an der Universität Wien mit Schwerpunkt Meeresbiologie und Elektronenmikroskopie absolviert. Er ist seit 2012 technischer Assistent an der Universität Salzburg und seit 2015 außerdem freischaffender naturwissenschaftlicher Illustrator.

1) Beschreibe kurz Deinen Arbeitsalltag. Was sind Deine Hauptaufgaben?

Abb. 1: Michael Gruber bei der Arbeit: Es erfordert viel Genauigkeit und einen guten Blick fürs Detail, Illustrationen von Organismen anzufertigen. Quelle: Michael Gruber

Hauptberuflich vermesse und zeichne ich Ciliaten (Einzeller) im Zuge eines FWF Projektes zur taxonomischen Bestimmung von Bodeneinzellern aus Venezuela, Galapagos und Australien. Da diese Tiere sehr klein sind, so zwischen 40-200µm, benötigt man ein Mikroskop um sie zu sehen. Mittels eines sogenannten „Zeichenapparates“ (Camera lucida), der seitlich am Mikroskop befestigt ist, fertige ich zuerst Bleistiftzeichnungen an, die dann noch reingezeichnet und zum Schluss in Tusche ausgeführt werden. Die Ciliaten befinden sich fixiert auf Objektträgern und werden mittels Öl-Immersion (1000-fache Vergrößerung) bestimmt.

Nebenberuflich bin ich seit Mitte 2015 als naturwissenschaftlicher Illustrator selbstständig tätig. Hier richtet sich der Arbeitsalltag nach den Aufträgen und Wünschen der Kunden.

2) Was gefällt Dir an Deinem Job am meisten?

Zuallererst, dass es ein Job ist, den ich von Herzen gerne mache: ich kann meine Kreativität nutzen, um Leute auf Besonderheiten der Natur aufmerksam zu machen. Dieser Job verbindet dadurch meine beiden Lieblingsbereiche: Biologie und Illustration.

3) Was gehört zu den schwierigsten Dingen in Deinem Beruf? Was sind für Dich die größten Herausforderungen?

Ich bin noch nicht sehr lange als freischaffender Illustrator tätig, aber das Schwierigste ist bislang die Suche nach Kunden gewesen. Die meisten, die per Mail antworten, bedanken sich freundlich, aber haben meist nicht die nötige Finanzierung oder bereits eigene Illustratoren oder Grafiker. Es gibt aber immer wieder sehr nette Kolleginnen und Kollegen, die Einblicke in ihre Sammlung erlauben, um das eigene Portfolio ein bisschen zu vergrößern oder unentgeltlich Zeichnungen in Magazinen veröffentlichen, was als Werbung natürlich auch nicht zu verachten ist.

Abb. 2: Chamäleon: Farbstifte, Tusche und Marker für die Highlights. Quelle: M. Gruber

4) Wie bist Du auf Deinen Job aufmerksam geworden?

Die Stelle an der Universität Salzburg als technischer Assistent war eigentlich als Doktoratsstelle im Internet und in der Zeitung ausgeschrieben. Wir konnten uns aber einigen, mich als technischen Assistenten anzustellen, da mir eine weitere wissenschaftliche Laufbahn aus familiären Gründen nicht zusagte. Dies war ein echter Glücksgriff und gab mir die Chance eine neue Zeichenart für mich zu entdecken: die Mikroskopie-Zeichnung. Viele der Organismen, die wir nicht oder nur sehr schlecht sehen, haben eine beeindruckende Körpersymmetrie und Schönheit wie man sie zum Beispiel in den Darstellungen von Ernst Haeckl findet. Dies sind die Dinge, die mich faszinieren und die ich den Leuten, die mit diesen Lebewesen im Alltag nicht so viel zu tun haben, näherbringen will.

5) Welche Qualifikationen sind für Deine Tätigkeit besonders wichtig?

Genauigkeit, Neugierde und Faszination.

6) War es schon immer Dein Wunsch, eine Arbeit dieser Art auszuüben oder hattest Du früher andere Berufswünsche?

Eigentlich wollte ich als aktiver Meeresbiologe am Meer leben und forschen. Dieser Gedanke an endlose Freilandarbeit im Wasser, tolle Entdeckungen und viel Spaß waren zwar rückblickend gesehen leicht naiv, aber sehr anspornend. Erst bei meinem 10-jährigen Maturaklassentreffen, da arbeitete ich bereits seit Kurzem als technischer Assistent, sagte meine ehemalige Deutschlehrerin zu mir, dass sie eigentlich früher dachte ich würde einmal Zeichner oder Künstler werden – das hat mir dann letztlich die Augen für diesen Beruf geöffnet.

Abb. 3: Krebs in Punktiertechnik mit Tusche. Quelle: M. Gruber

7) Wie siehst Du die Arbeitsmarktsituation in Deinem Umfeld? Wie stehen die Jobaussichten für Biologinnen und Biologen?

Die Arbeitsmarktsituation ist meiner Meinung nach nicht sehr gut; speziell in meiner Branche. Auf hochwertige Illustrationen wird leider sehr wenig Wert gelegt. Viele Kunden möchten Qualität – aber am liebsten gratis. Am Stellenmarkt findet man am ehesten etwas in der Pharmabranche und in der Mikrobiologie oder Genetik, aber wenn man etwas Anderes sucht, stößt man bald an seine Grenzen. Trotzdem sollte man die Hoffnung nicht aufgeben: auch wenn man anfänglich nicht den Job macht den man sich gewünscht hat, der richtige kommt bestimmt!

8) Ist ein Biologiestudium für Deine Position notwendig; welche anderen Ausbildungen wären hilfreich?

Das Biologiestudium ist nicht zwingend notwendig, hilft aber sehr, die komplexen Strukturen und die Anatomie von Tieren und Pflanzen besser zu verstehen. Am besten wäre es, gleich naturwissenschaftliche Illustration zu studieren.

9) Welche Inhalte des Biologiestudiums benötigst Du in Deinem Berufsalltag am häufigsten?

Die diversen anatomischen Zeichenübungen, Zoologie und Systematik.

10) Was würdest Du Biologiestudierenden raten, die sich für einen ähnlichen Job interessieren?

Beharrlich seine Ziele zu verfolgen und sich immer weiterzuentwickeln. Jede neue Technik, jede zusätzliche Ausbildung kann nur von Nutzen sein.

Vielen Dank für das Interview!

Abb. 4: Gorillas in Gouache, einer Art Wasserfarbentechnik. Quelle: M. Gruber