Titelbild: Seeigel und Schnecken im Roten Meer. Quelle: Andreas Kroh

Andreas Kroh

Seit 2005 Forscher und Kurator an der geologisch-paläontologischen Abteilung des Naturhistorischen Museums in Wien. Zu seinen Aufgaben zählen neben der Forschung auch Sammlungsbetreuung und Ausstellungsgestaltung, sowie die Pflege und Weiterentwicklung der Inventardatenbanken. Seit 2006 ist er auch der Chefredakteur der Annalen des Naturhistorischen Museums, Serie A, einer der wissenschaftlichen Zeitschriften des NHM. Im Jahr 2018 übernahm er zusätzlich zu seinen anderen Aufgaben die Gesamtleitung des Verlages des NHM Wien und ist in diesem Rahmen für die Planung, Produktion und den Vertrieb der vom NHM Wien herausgegebenen Bücher verantwortlich, darunter eine Fülle von Büchern mit biologischen Inhalten, wie die Naturführer des NHM.

1) Beschreibe bitte kurz Deinen Arbeitsalltag. Was sind Deine Hauptaufgaben?

Meine Aufgaben am NHM Wien sind äußerst vielfältig: neben meiner Forschung und der Betreuung eines Teils der paläontologischen Sammlung des Museums kümmere ich mich vor allem um redaktionelle und technische Belange. So sorge ich dafür, dass die interaktiven Stationen im Bereich unserer geologischen und paläontologischen Ausstellung immer einsatzbereit sind und helfe GastforscherInnen wie KollegInnen beim Umgang mit unserer Inventardatenbank. Im Rahmen meiner Tätigkeit als Redakteur der Annalen und Leiter des Verlags des NHM Wien betreue ich diverse Zeitschriften und Bücher des Museums von der ersten Idee bis zum fertig gedruckten Werk. International bin ich auch stark in WoRMS, dem World Register of Marine Species, involviert. Dort bin ich für die Taxonomie, Nomenklatur und Systematik der Seeigel zuständig und derzeit Vice-Chair des WoRMS Steering Committee.

2) Was gefällt Dir an Deinem Job am meisten?

Durch die große Fülle an verschiedenen Aufgaben ist mein Arbeitsalltag sehr abwechslungsreich und ich arbeite mit vielen verschiedenen Menschen zusammen – sowohl international, im Rahmen meiner Forschungen, wie auch national und abteilungsübergreifend innerhalb des Museums bei der Produktion von Büchern und Gestaltung von Ausstellungen. Ich liebe neue Herausforderungen und die Vielfalt an unterschiedlichen Tätigkeiten, die meine Arbeit am Museum mit sich bringt. In einem tollen Team, wie dem des Museums, zu arbeiten macht viel Freude. Viele nationale, aber auch internationale KollegInnen wurden über die Jahre zu FreundInnen und es macht Spaß, diese bei Konferenzen wieder zu treffen oder gemeinsam im Gelände oder in Sammlungen zu forschen.

3) Was gehört zu den schwierigsten Dingen in Deinem Beruf? Was sind für Dich die größten Herausforderungen?

Am schwierigsten ist es, alle verschiedenen Tätigkeiten unter einen Hut zu bringen und in allen Teilbereichen meiner Tätigkeit einen konstanten Fortschritt zu erzielen. Im „Endspurt“ eines Ausstellungs- oder Buchprojekts kann es durchaus vorkommen, dass es erforderlich ist, sich mehrere Tage ausschließlich auf das jeweilige Projekt zu konzentrieren und andere Tätigkeiten kurzfristig zurückzustellen. Eine weitere große Herausforderung ist die immer schwieriger werdende gesetzliche Situation bei der Geländearbeit, sei es im geologisch-paläontologischen Bereich oder im Bereich von DNA-Proben rezenter Organismen. Die Fülle lokaler Regelungen, nationaler und internationaler Gesetze ist für den/die einzelne/n ForscherIn kaum durchschaubar, AnsprechpartnerInnen bzw. zuständige Genehmigungsstellen sind nicht immer klar definiert oder nicht erreichbar. Materialbezogene Forschung, die Proben aus verschiedensten Ländern benötigt, ist daher meiner Erfahrung nach wesentlich schwieriger und aufwändiger in der Umsetzung geworden.

4) Wie bist Du auf diesen Job aufmerksam geworden?

Ich arbeitete schon während meiner Diplomarbeit und Dissertation wissenschaftlich mit einzelnen MitarbeiterInnen des NHM Wien zusammen und hatte bereits lange bevor ich zu studieren begann den Wunsch, hier zu arbeiten. Meine erste Bekanntschaft mit WissenschafterInnen des NHM Wien war während meiner Jugend, als ich mich an einen meiner Vorgänger, Ortwin Schultz, wandte, um Hilfe bei der Bestimmung von fossilen Haifischzähnen zu erhalten.

5) Welche Qualifikationen sind für Deine Tätigkeit besonders wichtig?

Flexibilität, der Wille neue Techniken und Fähigkeiten zu erlernen, sich und seine Ergebnisse präsentieren zu können und fähig zu sein, im Team zusammenzuarbeiten sind entscheidend in meinem Beruf. Eine sehr gute Kenntnis der englischen Sprache ist heute eine weitere Grundvoraussetzung für NaturwissenschafterInnen.

6) War es schon immer Dein Wunsch eine Arbeit dieser Art auszuüben oder hattest Du früher andere Berufswünsche?

Bereits als kleines Kind grub ich in einem von meinen Eltern gepachteten Garten nach Mammutknochen (ohne natürlich welche zu finden). Anfangs unterschied ich nicht zwischen der Tätigkeit von ArchäologInnen und der von PaläontologInnen, später jedoch zog es mich immer mehr zu den Fossilien hin. Unterstützt von meinen Eltern (an dieser Stelle sei ihnen herzlichen Dank dafür ausgesprochen!), konnte ich dem Hobby Fossiliensammeln in meiner Jugend intensiv nachgehen und viele Urlaubsziele wurden wegen der Möglichkeit, dort Fossilien zu finden, ausgewählt. Auch mein Biologielehrer in der Oberstufe, Herr Gerhard Deimel, unterstützte mein Interesse tatkräftig. Kurzfristig erwog ich auch ein Chemie-Studium, denn mein Chemielehrer, Herr Ralf Becker, konnte im Rahmen der Chemie-Olympiade meine Begeisterung für dieses Fach wecken. Letztlich gab aber ein Besuch beider Institute und ein Treffen mit Norbert Vavra, der damals am Institut für Paläontologie tätig war, den Ausschlag, dass ich meinem ursprünglichen Wunsch folgend Paläontologie studierte.

7) Wie siehst Du die Arbeitsmarktsituation in Deinem Umfeld? Wie stehen die Jobaussichten für BiologInnen?

Wie in vielen Bereichen der Grundlagenforschung ist es im Bereich der Biowissenschaften nicht einfach eine Anstellung zu finden. Nicht, weil es nicht genug Arbeit und Fragestellungen gäbe, sondern vor allem, weil die öffentlichen Mittel für die Grundlagenforschung leider sehr begrenzt sind. Wer aufgrund finanzieller Erwartungen in die Wissenschaft geht, wird wohl enttäuscht werden. Wer jedoch mit Begeisterung und Überzeugung an die Sache herangeht, wird automatisch bessere Leistungen erbringen, sich und seine Tätigkeit besser „verkaufen“ können und höchstwahrscheinlich erfolgreicher sein. Oft ist dafür allerdings ein „langer Atem“ und ein gehöriges Maß an Mobilität und Flexibilität nötig, was für die Familienplanung eine Herausforderung sein kann.

8) Ist ein Biologiestudium für Deine Position notwendig, welche anderen Ausbildungen wären hilfreich?

Nein, da ich nicht als Biologe, sondern als Paläontologe angestellt bin, auch wenn sich ein großer Teil meiner Forschung derzeit im Bereich der Evolutionsforschung, Phylogenetik und -genomik abspielt. Ein naturwissenschaftliches Studium im generellen hingegen, ist entscheidend und bildet die Grundlage für eine wissenschaftliche Karriere in diesem Bereich.

9) Welche Inhalte des Biologiestudiums benötigst Du in Deinem Berufsalltag am häufigsten?

Am wesentlichsten sind hier wohl die generellen Grundkenntnisse über die Fülle an Organismen, ihre Morphologie, Diversität, Ökologie usw., die mir im Rahmen meines Paläontologiestudiums vermittelt wurden. Ebenso entscheidend für das Verständnis von Evolution und der Veränderung des Planeten Erde durch die Zeit waren die Grundlagen der Geologie, Sedimentologie und Stratigraphie – da diese ein ganz anderes Verständnis der „Deep Time“ ermöglicht haben, als wenn ich ein Biologiestudium absolviert hätte. Darüber hinaus habe ich einen Großteil der Fähigkeiten, die ich tagtäglich in meinem Beruf benötige, erst später im Berufsalltag erlernt. Und das Lernen hört nicht auf, denn ständig werden neue Methoden und Programme entwickelt, die für meine Forschung wesentlich sind, oder neue Sachverhalte entdeckt, die früher erhobene Daten in neuem Licht erscheinen lassen.

10) Was würdest Du Biologiestudierenden raten, die sich für einen ähnlichen Job interessieren?

Sei neugierig, folge deinen Interessen und lass dir die Freude an der Wissenschaft nicht nehmen. Denn nur, wenn du begeistert bist und die Forschung aus innerem Antrieb machst, wirst du erfolgreich sein und berufliche Durststrecken überdauern können – denn sehr oft ist in der Forschung Ausdauer gefragt, mal weil sich die erwarteten Ergebnisse nicht einstellen, mal weil ein Antrag oder Manuskript abgelehnt wird, oder es schwierig sein kann, einen Arbeitsplatz zu bekommen.

Vielen Dank für das Interview!