Titelbild: Bernt Ruttner

Anlässlich unseres 25-jährigen Bestehens befragten wir langjährige Vereinsmitglieder zur Entwicklung des Vereins und der Biologie in Österreich. Vielen Dank an Dr. Bernt Ruttner, Gründungsmitglied der ABA (vormals VÖBL), für das Interview.

Mit welchen Erwartungen und Hoffnungen sind Sie vor 25 Jahren der Austrian Biologist Association (ABA) beigetreten?

Die ABA wurde als VÖBL, als Vereinigung Österreichischer Biologielehrer, von den Landes­arbeits­gemeinschaftsleitern der AHS gegründet. Gedacht war, einen Biologielehrer-Verein zu schaffen, der – analog zu den Vereinen der Chemie- oder der Geographielehrer – außerhalb des Ministeriums und der Landesschulräte Informationen und Fortbildungen organisieren kann. Im Gegensatz zu den anderen Vereinen fehlten uns aber zahlungskräftige Sponsoren. Landwirtschaftskammern oder Pharmafirmen trauten den Biologielehrern nicht so richtig über den Weg. Bei Chemie und Geographie waren die wirtschaftlichen Interessen klar, bei Biologie nicht. Außerdem erlebte die politische Partei der Grünen ihren ersten Aufschwung und irgendwie nahm man an, dass Biologielehrer automatisch Grüne sein müssten. Dennoch wurde der Verein gegründet und gleich auch das Konzept einer informativen Zeitschrift erarbeitet, an der sich jede interessierte Biologielehrkraft beteiligen konnte. Sie hieß VÖBL und wandelte sich im Laufe der Zeit ins „bioskop“.

Zudem wollte die ABA gegenüber dem Ministerium eine weisungs­unabhängige Vertretung erreichen und sich aktiv an der Lehrplan-Diskussion beteiligen beziehungs­weise die Stundentafel für die Biologie ändern – Stichwort: 7.-Klasse-Loch. Auch die Ausweitung des Vereines auf andere Schulformen wie zum Beispiel den Berufsbildenden Höheren Schulen (BHS) wurde angestrebt, um eine Vertretung aller Biologielehrer zu erreichen. Das gelang auch, allerdings schlug sich diese Erweiterung nicht unbedingt in den Mitgliederzahlen zu Buche, wie erhofft.

Enttäuscht waren wir vom Ministerium, weil nie ein maß­geblicher Vertreter (Vorstandsmitglied, Präsident) in die Lehrplankommission eingeladen wurde und auch das Schließen der 7.-Klassler-Lücke wurde leider nicht erreicht. Allerdings konnten wir im schulautonomen Bereich Modelle erstellen, wo dieses Vorhaben gelang.

Welches Resümee ziehen Sie nach 25 Jahren?

Die VÖBL beziehungsweise die ABA haben eine lange Entwicklung hinter sich. Der erste Schritt vom reinen Biologielehrer-Verein weg gelang mit dem Andocken an die EU. Die ABA vertritt damit die biologischen Interessen EU-weit. Die Öffnung für alle Biologen war der nächste Schritt. Schon der zweite Präsident war keine Lehrkraft. Zunehmend kristallisierte sich heraus, dass die ABA eine Vertretung aller in biologischen Fachbereichen Tätigen sein sollte, sprich: Die Biologie in Österreich hat einen Namen. Dazu fand auch die Umbenennung von VÖBL zu ABA statt. Die modernen IT-Technologien machten eine intensive Vernetzung möglich. Mit dem Newsletter wurde ein weiterer Schritt zur Attraktivität erreicht. Dank junger Kräfte im Vorstand konnten auch die Universitäten „erobert“ werden. Es freut mich auch, dass wir jetzt eine sehr engagierte und durchschlagskräftige Präsidentin haben.

Selbst wenn die Mitgliederzahl höher sein könnte – viele „Gründungslehrer“ sind mittlerweile in Pension – ist die ABA für die Biologie in Österreich wichtig und hat eine 25-jährige Erfolgsgeschichte hinter sich. Die Gründung lag seinerzeit sozusagen in der Luft. Der Zulauf vor allem junger Biologen zeigt, dass die Anliegen der ABA noch immer aktuell sind.

Warum braucht es eine Österreichische Biologen-Vereinigung?

Biologische Berufe sind weit gestreut, vom Lehrer über Angestellte in den verschiedenen Verwaltungsebenen (Land, Bund) und bei den Kammern sowie in der Industrie (zum Beispiel Pharma- und Umweltreferenten) und vor allem als Selbstständige. Auch wenn die Wirtschaftskammer die Vertretung der Selbstständigen beansprucht, bin ich mir nicht sicher, ob die ideellen und fachlichen biologischen Ziele bei der Kammer wirklich gut aufgehoben sind. Daher ist die Vernetzung der Biologen Österreichs ein wichtiger Aspekt der ABA. Sie dient einerseits als Stellenbörse, andererseits der Abstimmung untereinander, um über bestimmte aktuelle Themen eine einheitliche Meinung zu repräsentieren.

Wie soll die Österreichische Biologen-Vereinigung diese Ziele ihrer Meinung nach erreichen?

Viele Ziele sind bereits erreicht. Was wir noch besser machen können, ist die Kommunikation mit der medialen Öffentlichkeit via Presseaussendungen oder Pressekonferenzen. Damit die Stimme überall gehört wird. Das würde wahrscheinlich auch einen gewissen Mitglieder-Zulauf mit sich bringen. Allerdings muss ich selbstkritisch dazu anmerken, wir haben dieses Ziel in der Vergangenheit auch nur selten geschafft. Über die Formulierung von Positionspapieren sind wir auch nicht weit hinaus gekommen. Die IT-Generation wird das aber sicher besser machen.

Wen betrachten Sie unter Österreichs Biologen für sich persönlich als die größte Inspiration und warum?

Das ist schwierig zu sagen, da ich die Biologie praktisch mit der „Vatermilch“ aufgesogen habe. Mein Vater war ebenfalls Naturgeschichtelehrer, wie es damals hieß, und Botaniker. Ich lernte also von klein auf Freilandbiologie. Er gründete auch die Landesorganisation der Österreichischen Naturschutzjugend, kurz ÖNJ, in Oberösterreich und vor ein paar Jahren stellte sich heraus, dass er der beste floristische Kenner des Castelfeders war. Das ist ein naturgeschützter Porphyrhügel im Südtiroler Unterland. Dort hielt er im Sommer immer ein ÖNJ-Lager ab. Auch diese Tradition führte ich noch circa 30 Jahre lang weiter. Weiters wurde ich natürlich auch von meinem Doktorvater Heinrich Wagner beeinflusst, der mir mitgab, die Pflanzendecke nicht „einzuschachteln“ sondern als Kontinuum zu betrachten. Eine Sichtweise, die nicht nur für die Pflanzendecke gilt, sondern auch in der Evolution und damit für die  ganze Betrachtungsweise der Biologie wichtig ist.

Mit welchem biologischem Fachbereich beschäftigen Sie sich zurzeit?

Eigentlich interessiert mich noch immer alles und ich versuche von den neuesten Erkenntnissen in allen Fachbereichen etwas mitzubekommen – also Genetik, Humanevolution, Evolution und Systematik und und und … Das geht ganz gut über diverse Newsletter und auch gute Sachbücher. So zum Beispiel jetzt gerade ein Buch über „Künstliche Photosynthese“, das gute und sachliche Argumente in der laufenden Diskussion zu E-Autos oder H-Antrieb liefert.

Im Herbst hielt ich einen Vortrag über das Verhältnis von Religion und Wissenschaft. Ebenfalls ein spannendes Kapitel, das weit über den bekannten Streit Darwin versus Kirche hinaus geht.

Daneben bemühe ich mich in meinem Heimatort Timelkam die naturwissenschaftliche Abteilung im neuen Heimat- und Archivmuseum einzurichten. Ich halte die Popularisierung der Naturwissenschaften – im besten Sinne – für einen ganz wichtigen Aspekt unserer gesellschaftlichen Entwicklung. In England gibt es dafür sogar einen eigenen Lehrstuhl.

Vielen Dank!

Dr. Bernt Ruttner ist Gründungsmitglied der ABA (vormals VÖBL), AHS-Biologielehrer (in Ruhe), ehem. Landes ARGE-Leiter v. OÖ, ehem. Bundessprecher der ARGE-Leiter, Schulbuchautor, Pflanzensoziologe und Exkursionsleiter.