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Foto: Elisabeth Zeppetzauer, Psitamex

Im Oktober 2023 haben uns Elisabeth Zeppetzauer und Sarai Anaya Valera, Gründerinnen der Organisation Psitamex, bereits von ihrer Arbeit bei einem JOBTalk erzählt. Seitdem ist vieles passiert, das die Ausdauer und Hoffnung auf die Probe stellt und neue große Herausforderungen mit sich bringt. Im Gespräch mit Elisabeth Zeppetzauer erhiet die ABA ein Update über die aktuelle Situation von Psitamex.

Psitamex, eine österreichisch-mexikanische Initiative, steht für „Psitácidos mexicanos“, oder übersetzt „mexikanische Papageien“. Dieser in Mexiko eingetragene Verein wurde von zwei Biologinnen in Mexiko City gegründet: Sarai Anaya Valera and Elisabeth Zeppetzauer. Bereits davor haben sie in einem mexikanischen Auswilderungsprojekt für Papageien mitgearbeitet und dieses koordiniert. Zwei Jahre nach der ersten begleiteten, erfolreichen Auswilderung wurde schließlich der Verein Psitamex gegründet, dessen Ziel es ist, Papageien in Mexiko aus Käfighaltung zu rehabilitieren und in die Freiheit zu entlassen. Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit ist auch die Öffentlichkeitsarbeit, denn viele Papageienarten sind vom Aussterben bedroht.

Foto: Psitamex


Artenschutz und Biodiversität – eine enge Vernetzung

Papageien können einerseits als “flagship species”, Flagschiffarten, als auch als “umbrella species”, bzw. Schirmarten, bezeichnet werden. Sie ziehen nicht nur viel Aufmerksamkeit auf sich, sondern sind auch ein wesentlicher Bestandteil des Ökosystems ihrer Heimat. Sie verteilen die Samen verschiedener Pflanzenarten und arbeiten (sozusagen) auch als „Gärtner“ in ihrer Umwelt, da sie Äste von Bäumen stutzen und so zur Lichtverfügbarkeit für Pflanzen beitragen. Das fördert die Diversität und trägt zur Bewaldung bei. Artenschutz und Biodiversität sind somit sehr eng verknüpft.

Als flagship species (Flagschiffart) bezeichnet man eine charismatische, populäre Art, die als Stellvertretung für Naturschutz-Anliegen dienen kann. Umbrella species (Schirmarten) hingegen sind für einen Lebensraum typische Arten, die ebenso zum Erhalt weiterer Arten dieses Lebensraumes beitragen.
Quelle: Wörterbuch der Ökologie


Ein weiterer Bestandteil dieses eng verbundenen Netzwerks ist die Einbindung der lokalen Bevölkerung. Bei Monitoring-Projekten, dem Anbringen von Nistkästen und durch Tourenangebote kann die Selbstwirksamkeit der Bevölkerung gefördert werden.

„Papageien können so auch eine Ressource für die Bevölkerung sein. Die Bevölkerung soll ins Handeln miteingebunden werden, damit auch die Zukunft für die Tiere und Menschen stabiler werden kann. Der Zusammenhang zwischen verschiedenen Feldern rückt immer mehr in den Mittelpunkt: Die Kooperation mit anderen Initiativen, die Kindererziehung oder die Sicherheit der lokalen Bevölkerung spielen alle zusammen.“, betont Elisabeth Zeppetzauer.



Über Elisabeth Zeppetzauer

Elisabeth Zeppetzauer hat in Salzburg Zoologie und Verhaltensforschung studiert und hat sich durch ihre Diplomarbeit näher mit Papageien beschäftigt. Dadurch ist sie in Kontakt mit der ARGE Papageienschutz gekommen, die es in Österreich seit 25 Jahren gibt. Im Jahr 2008 hat Elisabeth die Leitung der Schutzstation der ARGE Papageienschutz übernommen, die sich damals noch in Vösendorf bei Wien befand. In diesem Umfeld hat Elisabeth gelernt, dass ein Papagei durch richtige Haltung, ausreichend Stimulierung und genügend Enrichment wieder zum Wildtier werden kann. Und wenige Monate später war sie bereits in der Koordination eines Auswilderungsprojekts tätig.

Enrichment bzw. Environmental Enrichment soll das Umfeld von Tieren, speziell in Gefangenschaft, stimulierend gestalten, um mehr Abwechslung oder eine naturähnlichere Umgebung zu schaffen. Beispielsweise kann die Futtersuche fordernd gestaltet oder Exploration und Kognition gefördert werden. Einige Möglichkeiten umfassen Spielzeuge, verstecktes Futter oder Pflanzen im Gehege oder der Voliere.
Quelle: Smithsonians National Zoo & Conservation Biology Institute

 „Während meiner Tätigkeit bei der ARGE Papageienschutz ist der Gedanke in mir gewachsen, dass ich die Papageien gerne frei lassen möchte.“

Foto: Psitamex


Entwicklung der Vision

Seit vielen Jahren lag der Fokus für Psitamex bereits darauf, einen geeigneten eigenen Standort für die eine Auswilderungsstation in Mexiko zu finden. Dabei gab es bestimmte Kriterien zu beachten: gute Erreichbarkeit, die Nähe zu einem Naturschutzgebiet und Gebäude mit einer ökologischen Bauweise. Nach Jahren der Suche wurde der perfekte Standort in Chiapas ausfindig gemacht. Dieser umfasst 500 Hektar und befindet sich nahe der Grenze zu Guatemala in der Pufferzone eines Biosphärenreservats. Am Standort hätten sieben bis zehn wildlebende Papageienarten vorkommen sollen, gesichtet wurde von Psitamex tatsächlich aber nur eine, was das Problem des Artensterbens deutlich widerspiegelt. Der Plan war, dass Psitamex auf diese Weise zu einer schon bestehenden Öko-Gemeinschaft dazustößt. Doch das letzte Jahr offenbarte neue Hürden.

Ein Biosphärenreservat ist ein geschütztes, repräsentatives Ökosystem, dessen genetische Vielfalt vom Menschen unbeeinflusst bleiben soll.
Quelle: Wörterbuch der Ökologie


Herausforderungen in der Umsetzung

Der vergangene Aufenthalt in Mexiko 2024 hat Psitamex vor neue und unerwartete Herausforderungen gestellt, die Elisabeth Zeppetzauer uns folglich darlegt.

1) Waldbrände

Als Folge des Klimawandels werden Waldbrände auch nahe dem Standort für die geplante Auffangstation häufiger. Im April 2024 war das Geländer über fünf Wochen von einem Waldbrand betroffen. Für Elisabeth Zeppetzauer war das die erste Erfahrung mit einem Waldbrand. Da erste Strukturen am Grundstück bereits standen, kehrte Psitamex nach der ersten Flucht in das nächste Dorf anschließend wieder zurück, um die Ausbreitung und Neuentfachung des Brands zu verhindern. Mit Metallrechen und Schaufel legten sie fünf Wochen lang Brandschneisen an und bedeckten Baumstümpfe mit Erde, um die Ausbreitung des Feuers einzubremsen. Durch diesen intensiven Einsatz konnte Schlimmeres verhindert werden.

Aus dieser katastrophalen Situation konnten schließlich aber lehrreiche Schlüsse gezogen werden, die nun auch in die zukünftige Planung einfließen. So soll etwa ein Evakuierungsplan ausgearbeitet werden und auch Wasserauffangmöglichkeiten haben neue Priorität erhalten. Ein weiterer wichtiger Schritt, der zukünftig vor dem Rauch eines Waldbrandes bewahren kann, ist die Wiederherstellung und Aufforstung, da Bäume die Ausbreitung von Rauch einschränken. Diese weiteren Planungspunkte sollen zukünftig berücksichtigt werden. Denn Feuer hinterlässt nicht nur Verwüstung, sondern ist auch ein natürlicher Prozess, der Furchbarkeit und Wachstum fördert.

Die Waldbrände waren jedoch nur eine von mehreren Herausforderungen.

2) Soziale Herausforderungen

Sozial sehr tiefgreifende Probleme haben sich zum selben Zeitpunkt zugespitzt. Die soziale Unsicherheit ist laut Elisabeth Zeppetzauer schon längst sehr hoch. Sie nennt Beispiele, wie Repression durch die Regierung, Waffenschmuggel, Drogenkartelle, organisierter Widerstand der indigenen Bevölkerung und Abwanderung vieler Menschen als Folge. Als Resultat gibt es weniger Struktur, oftmals keine ausreichende, medizinische Hilfe und mangelnde Bildungsmöglichkeiten. Viele der Problemstellen befinden sich direkt vor Ort, da es sehr nahe zur Grenze an Guatemala liegt. Elisabeth erzählt von Migrationsbewegungen, die teilweise von Afrika und Asien über Mittelamerika über die Grenze in die USA gelangen wollen, und die organisierte Kriminalität anziehen können. Diese Situation hat sich vor allem in den vergangenen zwei Jahren zugespitzt, davor waren es friedliche Gemeinden. „Inzwischen ist Gewalt zum Alltag geworden“, beschreibt Elisabeth Zeppetzauer die Situation.

Aktuelle Wahlen hatten diesen Prozess angeheizt, da neue Regierungsposten besetzt werden mussten, was Mord, Entführungen und Korruption mit sich brachte. Elisabeth beschreibt, wie fünf bewaffnete Männer, während Psitamex vor dem Rauch des Waldbrandes flüchten musste, begonnen hatten, Einwohner:innen zu bedrohen und Geldforderungen zu stellen.

Die sozialen Herausforderungen sind eine Hürde für Psitamex und können auch potentielle Folgen, wie illegale Abholzung, mit sich bringen. 

Im Moment gibt es nur Gerüchte darüber, was vor Ort geschieht und wann es endet, ist unvorhersehbar. Wann Psitamex den Aufbau der Auffangstation abschließen können ist somit auch nicht klar. Eine Hoffnung ist der bestehende Rechtsanspruch auf das Land, da ein kleiner Teil davon von Psitamex bereits offiziell über einen Notar erworben wurde. Da es ein Biosphärenreservat ist, kann es bei der UNESCO eingeklagt werden.

3) Hitzewelle

Eine weitere Herausforderung, die Elisabeth schildert, war eine von mehreren Hitzewellen im letzten Jahr, die Temperaturen bis über 45°C zur Folge hatte. Sie erzählt von Tieren, die kollabierten und von den Bäumen fielen. Nicht alle Tiere seien dabei sofort gestorben, aber die wenigsten Menschen wussten damit umzugehen. Die Ursache könne zwar nicht bekämpft werden, aber Schadensbegrenzung sei möglich, wenn Menschen informiert werden. Deshalb erstellt Psitamex Infografiken und teilt die Information in sozialen Netzwerken, wie man mit verletzten Tieren umgehen kann. Mit dem Aufstellen von Wassertränken kann zumindest vereinzelt Tieren geholfen werden.

Was bringt die Zukunft?

Der letzte Mexikoaufenthalt zeichnete ein ernüchterndes Bild. Dennoch denkt Elisabeth Zeppetzauer auch an die Zukunft und will versuchen, aus den Umständen lehrreiche Schlüsse zu ziehen. Mit Drohnen sei es etwa möglich, genau zu analysieren, welche Bereiche vom Feuer betroffen sind. Um mit potentiell auftretenden Waldbränden künftig besser umgehen zu können, will Elisabeth Pläne für Wasserrückhaltemöglichkeiten schaffen. 

Die Aktivitäten von Psitamex stehen keineswegs still. So wird durch Kooperationen mit anderen Vereinen weiter am Schutz der Papageien gearbeitet. Bis die eigenen Aktivitäten wieder fortgesetzt werden können, hat die Unterstützung durch mediale Aufmerksamkeit, Information der Öffentlichkeit und Spenden anderer Organisationen Priorität. Elisabeth will auch länderübergreifend arbeiten und steuert Kooperationen mit anderen Organisationen an. Ein grundlegender Ansatz, um eine stabile Basis für den Erhalt und Wiedereinführung heimischer Arten zu schaffen ist auch die Wiederherstellung von Ökosystemen.

„Mein Fokus liegt darauf, zurück zum Anfang zu gehen und möglichst viele Papageien freizulassen, weil es für die Vögel und das Ökosystem wichtig ist und in weiterer Folge auch für den Menschen. Es ist emotional befreiend und beglückend, diese Tiere durch den Prozess zu begleiten.“

Foto: Psitamex


Vernetzung schafft Hoffnung

Für Psitamex ist es wichtig, den Blick nach vorne nicht zu verlieren. Elisabeth Zeppetzauer will auch dazu ermutigen, die Aufmerksamkeit auch auf positive Veränderungen zu richten und diese auch zu feiern.

Vernetzung mit anderen Initiativen, Vereinen und Einzelpersonen ist für sie von großer Bedeutung. Allen, die sich gerne selbst engagieren wollen, empfiehlt sie ebenfalls, Kontakt zu Personen und Organisationen herzustellen, die sich für Umwelt-, Natur- und Artenschutz einsetzen. Nicht jeder müsse dabei den gleichen Anhaltspunkt haben -für Elisabeth Zeppetzauer sind es die Papageien.

Weitere Informationen

Die Organisation Psitamex finanziert sich unter anderem über Spenden. Wer weitere Informationen über Psitamex oder Unterstützungsmöglichkeiten erhalten möchte, kann sich auf ihrer Webseite informieren oder direkt mit Psitamex in Kontakt treten.Weitere Informationen: https://psitamex.org/

Foto: Psitamex

Titelfoto: Sciene Raft am Inn. Foto: J. Ecker

Die Innauen erforschen, wie keiner zuvor, und auf diese sensiblen Ökosysteme aufmerksam machen: Das haben sich sechs Mitglieder der ABA-Regionalgruppe Westösterreich (WÖB) mit dem Science Raft zum Ziel gesetzt. Vor kurzem haben sie via Boot rund 65 Kilometer auf dem Inn zurückgelegt und dabei Interessantes entdeckt.

Kälte. Sie kommt zuerst, wenn man sich in die milchig-grünen Fluten des Inn gleiten lässt, spürt, wie sein Wasser das Neopren durchdringt, bevor sich eine wärmende Isolationsschicht aufbauen kann. Heftig gegen die Strömung ankämpfend, beginnt man zu verstehen, welche Kräfte die Landschaftsstrukturen und Lebensgemeinschaften bestimmen, die unter dem Begriff „Au“ bekannt sind. Es sind schützenswerte Ökosysteme, die in ständigem Austausch mit dem Fluss stehen – wie also könnte man dieses teils schwer zugängliche Terrain besser erforschen als per Boot? Sechs „Science Rafter“ – Anna Schöpfer, Lena Nicklas, Gabriel Gruber, Moritz Falch, Vera Margreiter und Julia Ecker – haben sich, unterstützt vom WWF Interreg-Projekt INNsieme sowie der Wasserrettung Innsbruck und einer Filmemacherin auf die Reise begeben und Interessantes entdeckt.

Start in der Milser Au_(c) L. Reggentin / WWF

Von Mils bis Silz via Wildwasser

Die Expedition startete frühmorgens an einem sonnigen Tag – zunächst noch an Land, mit der Milser Au: ein botanisches Kleinod, das man hinter der stark frequentierten Raststätte dort kaum vermutet hätte. Den Lebensraumtyp hier, Großröhricht, gibt es in Tirol sehr selten. Prompt fielen den Botanikern der Crew auch Typha angustifolia (Schmalblättriger Rohrkolben) und vor allem Eleocharis mamillata (Zitzen-Sumpfbinse) ins Auge, letztere haben sie vorher noch nie gesehen.

Der Platz gefiel, doch der straffe Zeitplan trieb zur Eile: In 4 Tagen wollte das Team mit Hilfe der Wasserrettung flussabwärts bis Langkampfen raften, also 140 Kilometer per Fluss zurücklegen – das Ziel dabei: während der kurzen Stopps so viele Arten und geomorphologische Besonderheiten wie möglich in den Auen zu dokumentieren. „Das ist wichtig. Die Auen sind ein dynamischer Lebensraum“, erklärt Vera, „es gibt da einige Spezialisten, die verschwinden, wenn das nicht mehr so dynamisch ist – zum Beispiel, wenn die Wasserzufuhr wegfällt. Man muss einfach kennen, was man schützen soll.“

Fürs Erste galt es aber im Rafting-Boot Etappe 1 zu bestreiten. Zwischen Mils und Imst ging es zunächst noch ruhig dahin. Man bestaunte, wie das Wasser in hundert glitzernden kleinen Rinnsalen die hineinragenden Schotterbänke überspülte und von dort wieder zurück in den Hauptarm floss. Dann änderte der Auslass des Kraftwerks Imst die Wasserfarbe des eben noch klaren Inns zu milchig-graugrün und brachte neue Strömungskraft mit sich. Ab Imst klang der Expeditionscrew bereits das laute „vorwärts, kräftig vorwärts!“ und „stop!“ des Rafting-Guides zwischen den Wellenbergen der gewundenen Imster Schlucht in den Ohren. Ein Riesenspaß – aber kein Kindergeburtstag. Während man seine Beine krampfhaft in die Bootsritzen krallte, um während der Manöver auf der meist befahrendsten Rafting-Strecke Europas genug Halt zu haben, und paddelte, was das Zeug hielt, war das Fachliche einen Augenblick völlig vergessen. Da zeigte der Inn, was er kann – ebenso wie der Rafting-Guide, der sich über das Gejauchze im Boot sichtlich freute.

Botanisieren in der Silzer Au_(c) J. Ecker

Schatzkiste Silzer Au

Bei der Silzer Au angekommen, ließen sich die Ausmaße der Inn-Gewalt und ihr Einfluss auf die umgebende Landschaft erkennen. Flussseitig hatte die Au noch eine recht „aufgeräumte“ Uferstruktur und wirkte – abgesehen vom Lärm der nahen Autobahn bzw. Zugstrecke fast idyllisch. Doch dort, wo der Inn sich gelegentlich seinen Weg ins Innere des Auwaldes bahnt, zeigte sich ein wilderes Bild: Im untertags kaum Wasser führenden, gefurchten Seitenarm lag viel angeschwemmtes und abgelagertes Totholz, das den Arm unterteilte, als wären es schlampig gezimmerte Biberburgen, mit trüben Pfützen dazwischen.

„Aber das ist es grade: Wenn man sich die Flüsse in Österreich anschaut, gibt es wenige Orte, wo es so vielfältige Strukturen gibt. Das Wertvolle dran ist einfach, dass es Lebensraum ist für verschiedenste Lebewesen; für Amphibien, Insekten, Mikroorgansimen, die hier Strukturen haben, wo sie sich wohlfühlen. Die haben sie nicht mehr, wenn alles hart verbaut ist, weil der Fluss einfach in einer Linie fließt.“

Gabriel Gruber, Limnologe

Auch botanisch gesehen seien solche Schwemmfluren wie Schatzkisten, ergänzt Moritz. Man wisse vorher nie, was man hier findet. Der Austausch mit dem Wasser ist also maßgeblich für die Auen: „Es sind Hotspots der Artenvielfalt – zwar nicht so bekannt wie der Amazonas“, räumt Anna ein, „aber es sind bei uns oft die letzten Refugien, weil hier so ein breites Spektrum an ökologischen Nischen da ist.“ Mit einer Renaturierung ließen sich diese Nischen mancherorts teilweise wiederherstellen: Man schafft damit wieder Strukturen, die geeignet sind für Pioniergehölze, und die gut vom Hochwasser überflutete werden können.

Natürliche Strukturen in der Silzer Au_(c) J. Ecker

Von Mieming und Müll

Stromabwärts trugen bald schon ruhigere Gewässer die Rafter vorbei an der Mieminger Kette, was für Staunen sorgte – der Blick vom Wasser aus macht selbst Bekanntes wieder neu erlebbar. Die Mieminger Au prägt zum einen der Wasserfall, der sein Wasser aufgesplittet in kleinen Bächlein durch ein breites Kiesbett zum Inn schickt. Viel Geröll kommt hier in den Fluss. Es finden sich schöne Schotterbänke, Sandbänke und Seitenarme, und in Ufernähe diverse Weidenarten. Die Au zeigt aber auch den menschlichen Einfluss: Müllspuren. „Die Leute gehen gern in die Schutzgebiete, weil es sonst nicht mehr so viele Orte gibt, die schön sind, und da gibt es dann öfters einen Nutzungskonflikt“, weiß Lena. Das kann auch Schutzgebietsbetreuer Gebhard Tschavoll vom WWF bestätigen. Als die Gruppe anlegte, war er gerade dabei Abfall in der Au einzusammeln. Neben der Verbauung ist auch das ein Problem, zumal Tafeln keine Wirkung zu zeigen scheinen. „Aber es gibt auch Leute, die sich gut verhalten“, betont Anna, und da sei es schön zu sehen, wie wohl sich die Leute am Fluss fühlen.

In der Mieminger Au_geomorphologische Beobachtungen (c) J. Ecker

Mit der Regenfront von Gaisau bis Kranebitten

Weniger wohl fühlt sich nasser Neopren bei Regen und kühlem Wind an: Die prophezeite Regenfront hatte die Rafter schließlich eingeholt. Trotzdem erwanderte man sich – noch immer im Anzug – die teils wild wuchernde Gaisau. Sie verbirgt sich hinter einer Böschung und beinhaltet neben umgebenden Feuchtwiesen auch einen idyllischen Weiher, an dem viele seltene Pflanzen- und Tierarten, unter anderem der Eisvogel, leben.

Mit kräftigen Ruderschlägen gegen die Kälte, erreichten die Rafter am späten Nachmittag die Kranebitter und Völser Auen bei Innsbruck, die allerdings wetterbedingt noch bis zum nächsten Tag warten mussten. Die Purpurweiden sowie Reifweiden und Grauerlen dort sind typisch für eine weiche Au. Von den Strukturen war allerdings am nächsten Tag nicht mehr viel zu erkennen – durch das Regen bedingte Hochwasser waren beim Besuch der Rafter einige Schotterbänke schon überspült, auch die Flutmulden des Auwalds haben sich mit Wasser gefüllt – ebenso wie die Schuhe der Crew. Da war der Neoprenanzug wieder willkommen.   

Weiher in der Gaisau_(c) J. Ecker

Endspurt mit Rettungseinsatz

Dem Endspurt nach Innsbruck zur geplanten Pressekonferenz kam allerdings noch ein Notfall der Wasserrettung dazwischen. Hektisch wurde umgeplant. Nichtsdestotrotz landete die Truppe schließlich doch sicher am Marktplatz an – bei immer noch strömendem Regen. Vizebürgermeisterin Uschi Schwarzl ließ sich die Begrüßung trotzdem nicht nehmen, wäre sie doch ursprünglich gern selbst ein Stück mitgefahren. Auch Elisabeth Sötz vom WWF interreg Projekt INNsieme war da. Das Fazit der Rafter bei der Endbesprechung war klar: Noch mehr Renaturierung wäre gut für die Auen, denn auch wenn es einige schöne, naturnahe Abschnitte am Inn gibt, gibt es immer noch zu viel hart verbaute Uferabschnitte, die die Auen austrocknen lassen. Auch ein direkterer Zugang zum Inn in der Stadt Innsbruck wäre wünschenswert, natürlich unter Berücksichtigung des Hochwasserschutzes.

Unter Berücksichtigung des eigenen Schutzes vertagte man Etappe 4 nach Lamgkampfen auf ein Wochenende im Oktober. Schweren Herzens. Als allerdings die ersten Baumstämme den nunmehr schlammfarbigen, stark angestiegenen Inn hinunterströmten, bereute diese Entscheidung keiner mehr. Die Rafter überließen die Auen vorerst wieder den formenden Kräften des Hochwassers, denn mittlerweile konnte man sie wieder deutlich spüren, die Kälte – trotz der Isolationsschicht des Neoprens. Das letzte Streckenstück ist aber bereits in Planung, mit neuen spannenden Augebieten flussabwärts, und hoffentlich etwas mehr Sonne.

WOEB Rafting Team und die Wasserrettung_(c) Christina Schmölz

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Weiterführende Links und Artikel

https://www.wwf.at/de/innsieme-erster-science-raft-am-inn-gestartet/?useMobile=false

https://www.krone.at/2220107

https://tirol.orf.at/stories/3064438/

Episode

In unserer ersten Sendung widmen wir uns dem Thema „Flüsse“ und sprechen unter anderem über den Weltflusstag, Kraftwerkspläne an der Ötztaler Ache, Fischfabriken am Mekong und den ökologischen Zustand des Inns. Als Studiogast begrüßen wir den Fischökologen Wolfgang Mark vom Institut für Zoologie der Universität Innsbruck. Durch die Sendung führen Gerhard Aigner und Anna Schöpfer.