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Der Bioinformatiker Dr. Günter Klambauer ist in Gallneukirchen in Oberösterreich aufgewachsen und im Gymnasium Petrinum zur Schule gegangen. Anschließend hat er zuerst in Wien Biologie und Mathematik studiert und dann Bioinformatik in Linz. Heute arbeitet er als Professor an der Johannes Kepler Universität in Linz am Institut für Machine Learning. Sein Fachgebiet ist die Künstliche Intelligenz. Was begeistert ihn an der Forschung und was ist eigentlich eine Künstliche Intelligenz?

Dieses Interview ist Teil des Podcasts “am Puls Biologie” – einer Kooperation des Österreichischen Bundesverlags öbv und der ABA. Der Podcast beleuchtet den Forschungsalltag von Biologinnen und Biologen. Die Themen sind abgestimmt auf den Biologie-Lehrplan der Oberstufe. Alle Folgen werden als Unterrichtsmaterial zur Schulbuchreihe “am Puls Biologie” zur Verfügung gestellt.
Weitere Interviews werden laufend ergänzt. Die bisher veröffentlichten Folgen können hier nachgehört werden. Du findest uns auch auf Spotify!

Zum Begriff Bioinformatik: Gibt es da eine allgemeine Definition? Ich stelle mir das vor wie eine Mischung zwischen Biologie und Informatik.

Klambauer: Das ist eine gute Intuition. Informatik ist eine eigene Forschungsrichtung, bei der man versucht, den Computer für die Analyse von biologischen Daten einzusetzen, also überall dort, wo es biologische Daten gibt – es gibt ja mittlerweile sehr große Datenmengen, z. B. in der Molekularbiologie. Wenn man den Computer einsetzen muss, um diese Daten zu analysieren, dann spricht man von dem Fachgebiet Bioinformatik.

Mir gefällt, dass es wirklich jeden Tag Herausforderungen gibt und dass ich daran arbeiten kann, das Leben für Menschen zu verbessern.
Günter Klambauer

Und innerhalb der Bioinformatik ist dein Spezialgebiet die Künstliche Intelligenz, abgekürzt KI. Den Begriff hört man sehr oft. Was versteht man darunter und was ist der Unterschied zu einer natürlichen Intelligenz?

Klambauer: Die eine „KI“ gibt es gar nicht. KI ist ein Überbegriff für eine ganze Reihe von Algorithmen und Rechenregeln, die man in einen Computer bringt. Das sind Programme, die bestimmte Aufgaben erfüllen. Und als künstliche Intelligenz bezeichnet man eben solche Computerprogramme, die sehr komplexe Aufgaben erfüllen, für die man so etwas wie Intelligenz braucht oder die eigentlich dem Menschen einmal vorbehalten waren. Und deswegen nennt man das jetzt Künstliche Intelligenz zum Unterschied von der natürlichen Intelligenz des Menschen. Man darf sich nicht vorstellen, dass eine KI alles kann, reden kann, etwas steuern kann, sondern das sind immer ganz eigene Systeme. Eine KI kann ein bestimmtes Muster in biologischen Daten erkennen, eine andere KI kann ein Röntgenbild anschauen, ob irgendwelche Brüche vorliegen. Der Überbegriff KI steht für eine ganze Reihe von einzelnen Rechenregeln, die man in verschiedenen Gebieten einsetzen kann. Und mein Spezialgebiet sind KIs in der Molekularbiologie und in den Lebenswissenschaften.

In einem deiner Projekte hast du dich mit der Struktur von Proteinen beschäftigt. Das finde ich besonders spannend, denn eines der sogenannten Basiskonzepte der Biologie, die man in der Schule lernt, besagt, dass Struktur und Funktion immer irgendwie zusammenhängen. Die Proteinstruktur ist ein klassisches Beispiel für so einen Zusammenhang.

Klambauer: Das ist eigentlich das perfekte Beispiel und auch extrem aktuell. 2021 war der wissenschaftliche Durchbruch eine KI namens Alpha Fold, die sich genau mit der Struktur und Funktion von Proteinen beschäftigt. Was macht diese KI? Dazu muss man zuerst vielleicht kurz erklären: Proteine sind die zentralen Funktionseinheiten, die fast alle Funktionen im menschlichen Körper und in allen anderen Organismen erfüllen. Proteine bestehen aus einer Kette von Aminosäuren. Insgesamt gibt es 20 verschiedene. Durch die Abfolge von diesen zwanzig verschiedenen Aminosäuren bekommen wir eine Kette. Die bleibt nicht immer in dieser Kettenform, sondern faltet sich in 3D. Und aufgrund von der Faltung dieser 3D-Struktur kann man sehr stark auf die Funktion rückschließen. Zum Beispiel falten sich manche Proteine so, dass in der Mitte ein Tunnel entsteht. Das sind oft Proteine, die irgendwelche Stoffe transportieren. Und was macht jetzt Alpha Fold? Alpha Fold nimmt als Eingabe diese Primärstruktur, also nur die Abfolge der Aminosäuren und kann dann schon vorhersagen, wie sich das Protein in 3D falten wird, also wie es in 3D aussieht.

Was mich jetzt auch interessieren würde, ist dein Arbeitsplatz. Wie läuft das ab, wenn du neue Algorithmen entwickelst? Mit wem arbeitest du zusammen? Ich nehme an, du arbeitest ja nicht allein.

Klambauer: Ja, genau. Im Prinzip könnte man sagen, ich habe einen ganz normalen Bürojob. Vielleicht ähnlich wie bei Softwareentwickler*innen, aber es ist ein bisschen mehr. Ich habe ein Team von zehn bis zwölf Leuten. Wir treffen uns regelmäßig im Büro und tauschen uns aus über neue Experimente, Ergebnisse und neue Ideen. Es ist ein anspruchsvoller Job. Ich habe sehr lange Tage und muss auch viele organisatorische Aufgaben erledigen. Aber insgesamt kann man sich das eigentlich recht einfach als Bürojob vorstellen, wo man zusammen mit einem Team an bestimmten Aufgaben arbeitet.

Was gefällt dir am besten an deinem Beruf in der Forschung?

Klambauer: Mir gefällt am besten, dass es wirklich jeden Tag Herausforderungen gibt und dass ich daran arbeiten kann, das Leben für Menschen zu verbessern. Wenn ich es schaffe, neue Methoden zu entwickeln, um zum Beispiel sicherere oder bessere Medikamente zu entwickeln, dann wird sich mittelfristig oder auf lange Frist das Leben der Menschen verbessern. Und das ist ein schönes Ziel. Aber auch die ganze Umgebung: mit anderen Forschern arbeiten, diskutieren, Ideen zu entwickeln, auch Experimente durchzuführen. Das Ganze macht mir Spaß, das ist herausfordernd, ist auch spannend. Manchmal gibt es auch Rückschläge, aber manchmal gibt es auch große Erfolge. Insgesamt der ganze Überbau, dass man versucht, die Forschung voranzutreiben und neue Erkenntnisse zu gewinnen, das ist jeden Tag für mich eine schöne Motivation in die Arbeit zu gehen.

Jetzt zu unserer Science-Fiction-Frage: Wir nehmen an, die Menschheit schafft es, den Mars zu besiedeln. Warum glaubst du, benötigen wir für die Errichtung einer neuen Mars-Zivilisation unbedingt auch Bioinformatiker*innen?

Klambauer: Ich glaube, wir sollten den Mars gar nicht besiedeln. Es kostet viel zu viel Energie dort Sachen hinzubringen. Und wir haben schon einen Planeten, wo wir eigentlich einiges zu reparieren haben und wo wir versuchen sollten energieeffizient zu sein. Jetzt einen zweiten Planeten bewohnbar zu machen und dort Material und so weiter hinzuschaffen, das ist viel zu energieaufwendig.

Wenn wir es dennoch versuchen wollten, dann brauchen wir ganz dringend Bioinformatiker*innen und auch die KIs, weil dort auf dem Mars, da müssen zuerst Roboter alles vorbereiten, damit wir danach kommen können. Diese Roboter können wir von der Erde aus schlecht steuern, weil die Signale, die wir schicken, zehn Minuten brauchen. Das heißt diese Roboter könnten nur sehr langsam reagieren. Wenn wir die Marsroboter mit sehr guten KIs ausstatten, damit sie autonom arbeiten können und auf Veränderungen und Probleme schnell reagieren können,  dann können wir es vielleicht schaffen, dass die Roboter den Mars so vorbereiten, dass wir dann dort leben können. Das heißt Wasser aufbereiten, bepflanzen, Vegetation aufbauen. Aber es ist eine extrem schwierige Aufgabe und da braucht man sehr gute KIs, die es momentan noch gar nicht gibt und vielleicht auch in 20 Jahren noch nicht gibt.

Na gut. Welche Tipps hast du für Schüler*innen, die sich nun auch mit Künstlichen Intelligenzen beschäftigen oder vielleicht sogar Bioinformatik studieren möchten?

Klambauer: Ich kann nur empfehlen, auch in der Schule immer neugierig zu sein und zuzuhören. Wenn ich schon sowieso in der Klasse sitzen muss, dann kann ich auch gleich zuhören. Also in Physik, Biologie, Chemie alles aufsaugen. Auch in Mathematik, Informatik – alles aufzusaugen. So schön, wie das Wissen in der Schule aufbereitet wird und so viel Zeit, wie sich hier eine Person für euch nimmt, um euch etwas beizubringen, das wird nie wieder so sein. Daher kann ich nur empfehlen: Nützt die Zeit, die ihr in der Klasse verbringt, fragt die Lehrer*innen viel und lasst euch unterstützen.

Wie sieht nach dem Bioinformatikstudium der Arbeitsmarkt aus? Gibt es Job-Möglichkeiten auch außerhalb der Forschung?

Klambauer: Ja, der Arbeitsmarkt sieht sehr gut aus. Es geht leider sogar so weit, dass Doktorand*innen meiner Forschungsgruppe direkt abgeworben werden. Firmen oder Unternehmen kontaktieren meine Doktorand*innen und versuchen, sie von der Uni wegzulocken. Das heißt, die Abgänger*innen unserer Studiengänge Bioinformatik oder Künstliche Intelligenz finden sehr leicht und sehr gute Jobs in Österreich, aber auch international.

Hinter jeder kleinen wissenschaftlichen Erkenntnis steckt ein riesiger Aufwand!

Noch eine allgemeine Frage: Gibt es irgendeine Erkenntnis aus deinem Forschungsgebiet, von der du dir wünscht, dass sie ganz allgemein besser bekannt wäre?

Klambauer: Es gibt keine spezielle Erkenntnis, die ich mir wünsche. Aber ich würde mir wünschen, dass das prinzipielle Verständnis in der Bevölkerung und in der Politik besser ist von dem, was Wissenschafter*innen machen und was es heißt, eine wissenschaftliche Erkenntnis zu haben. Wenn zum Beispiel Wissenschafter*innen herausgefunden haben, dass ein Virus irgendwo eine kleine Mutation hat und dass das vielleicht gefährlich sein könnte und das auch öffentlich sagt, dann steckt ein riesiger Aufwand dahinter. Da stecken Jahrzehnte an Ausbildung dahinter und ein Forschungsteam, das sich selbst immer wieder hinterfragt und das auch von anderen kritisiert worden ist. Und um diese kleine Erkenntnis zu gewinnen und der Menschheit mitzuteilen, da ist ein riesiger Aufwand dahinter. Das wird oft wenig geschätzt und sehr wenig gesehen. Und dem werden oft einfache Statements ohne experimentelle Basis entgegengesetzt. Da würde ich mir wünschen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in der Bevölkerung mehr Stellenwert hätten.

Vielleicht können wir ja mit unserem Podcast auch ein bisschen dazu beitragen. Abschließend haben wir eine Blitzrunde. Ich beginne ein paar Sätze, die du dann bitte vervollständigst.

  • Wenn ich an meinen eigenen Biologieunterricht denke, dann erinnere ich mich an
    Klambauer: … in Spiritus eingelegte Reptilien.
  • Auf meinem persönlichen Berufsweg hat mich besonders beeinflusst …
    Klambauer: … die Schulzeit.
  • Das sollte in keinem Biologie-Schulbuch fehlen:
    Klambauer: Eine Darstellung einer Zelle.
  • Mein Wunsch an die Politik ist:
    Klambauer: Mehr Anerkennung für wissenschaftliche Erkenntnisse und weniger Anerkennung für Humbug wie Homöopathie.
  • Leute, lernt mehr Biologie, damit …
    Klambauer: … so etwas wie Homöopathie und Esoterik nicht passieren kann.
  • Meine Wochenenden verbringe ich am liebsten …
    Klambauer: … am Neusiedler See oder in den Bergen.

Super, ich danke dir sehr fürs Zeitnehmen!

Klambauer: Danke, gerne!


Das ganze Interview mit Günter Klambauer könnt ihr hier nachhören:

Die Vegetationsökologin Dr. Sabine Rumpf ist am Bodensee aufgewachsen und hat nach der Schule Biologie studiert: in Wien, im norwegischen Bergen und auf Spitzbergen in der Arktis.  Heute ist sie Professorin an der Universität Basel in der Schweiz. Was macht eine Vegetationsökologin? Das und viel mehr erzählt sie uns im Interview.

Dieses Interview ist die erste Folge des Podcasts “am Puls Biologie” – einer Kooperation des Österreichischen Bundesverlags öbv und der ABA. Der Podcast beleuchtet den Forschungsalltag von Biologinnen und Biologen. Die Themen sind abgestimmt auf den Biologie-Lehrplan der Oberstufe. Alle Folgen werden als Unterrichtsmaterial zur Schulbuchreihe “am Puls Biologie” zur Verfügung gestellt.
Weitere Interviews werden laufend ergänzt. Die bisher veröffentlichten Folgen können hier nachgehört werden.

In Norwegen und insbesondere in der Arktis zu studieren, das ist doch eher ungewöhnlich. Wie hat sich das ergeben?

Sabine Rumpf: Ich habe eine Ausschreibung gesehen, dass ein Masterarbeitsthema dort vergeben wird und fand das spannend. Ich habe mich beworben und es hat geklappt!

Danach bin ich auf Spitzbergen geblieben und habe als Biologin und Guide gearbeitet.

Dein Fachgebiet ist die Ökologie. Kannst du uns das bitte ganz allgemein beschreiben? Und was ist dein Spezialgebiet innerhalb der Ökologie?

Sabine Rumpf: In der Ökologie geht es allgemein darum, wie Organismen mit ihrer Umwelt und auch miteinander in Beziehung stehen. Mein Spezialgebiet ist die alpine und arktische Vegetationsökologie.

Ich untersuche hauptsächlich die Auswirkungen von menschlichem Verhalten auf die Verbreitung der europäischen Flora, meist im Laufe des letzten Jahrhunderts. Das Ganze dient dazu, um die Zukunft besser voraussagen zu können.

Wenn du in den Bergen unterwegs bist, hast du wahrscheinlich einen anderen Blick auf die Natur als viele andere Menschen. Worauf achtest du beim Wandern besonders? Bist du immer auf der Suche nach bestimmten Pflanzenarten?

Sabine Rumpf: Als Vegetationsökologin liest man die Landschaft ganz automatisch. Anhand der vorkommenden Arten weiß man zum Beispiel, wie ein Ort genutzt wird, welches Gestein sich unter der Vegetation befindet oder ob im Winter viel oder wenig Schnee liegt. Ich scanne eigentlich immer die Vegetation in den Bergen, aber ich schaue selten auf bestimmte Arten. Mich interessiert vor allem die Komposition aller vorkommenden Arten.

Die Verbreitung von Pflanzenarten hängt ja zum Beispiel von der Seehöhe ab. Man sieht das bei Baumarten in den Bergen. Im Tal ist der Laubwald, der dann beim Aufstieg in einen Nadelwald übergeht. Ist das bei krautigen Pflanzen ähnlich? Und wenn ja, an welchen Faktoren liegt das?

Sabine Rumpf: Ja, das ist auch bei krautigen Pflanzen so. Allgemein haben alle Arten eine ökologische Nische. Das heißt, sie können nur dort vorkommen, wo die Umweltbedingungen auch ihren Bedürfnissen entsprechen. In den Bergen ist die Temperatur wohl der entscheidende Faktor. Es können zum Beispiel nur sehr spezialisierte Arten auf, sagen wir mal, 3000 m gedeihen. Aber das erklärt natürlich nicht, wieso diese hochalpinen Spezialisten nicht auch weiter unten vorkommen. Einer der Hauptgründe dafür ist die Konkurrenz zwischen den Arten. Das heißt, hochalpine Arten sind zwar auf harsche Umweltbedingungen spezialisiert, sie sind aber nicht besonders konkurrenzstark. In tieferen Lagen werden sie daher schlicht von anderen Arten überwuchert.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die Gebirgsvegetation aus?

Sabine Rumpf:  Wie bereits erwähnt, ist die Temperatur limitierend für die Verbreitung von Arten, speziell an den Obergrenzen. Das heißt, wenn es nun wärmer wird, dann verschiebt sich natürlich die Verbreitung aller Arten in höhere Lagen, da dann die Umweltbedingungen dort ihren Bedürfnissen entsprechen. Das kann aber natürlich nicht endlos so weitergehen, weil Berge eine begrenzte Höhe haben.

Was sind deine nächsten Forschungsprojekte? Kannst du uns da schon Pläne verraten?

Sabine Rumpf: Was ich unglaublich spannend finde, sind die zukünftigen Folgen bereits geschehener menschlicher Taten. Zum Beispiel, wie würden sich die Verbreitungsgrenzen von Arten weiterhin verschieben, wenn wir den Klimawandel heute stoppen würden?

Und wie denkst du, würden sie sich verschieben?

Sabine Rumpf: Sie würden sich weiter verschieben, aber in welchem Ausmaß? Das ist einfach komplett unbekannt.

Wie sieht dein Arbeitsplatz oder deine Arbeitsumgebung in einer durchschnittlichen Arbeitswoche aus? Bist du viel draußen unterwegs oder mehr im Büro?

Sabine Rumpf: Das Tollste an meinem Beruf ist eigentlich, dass er unglaublich abwechslungsreich ist. Im Sommer arbeite ich viel draußen und den Rest des Jahres bin ich hauptsächlich drinnen und arbeite viel am Computer. Und während des Semesters verbringe ich natürlich auch viel Zeit mit der Lehre und mit Studierenden.

“Die wichtigste Eigenschaft von Forschenden ist die Neugierde!”
Sabine Rumpf

Welche Fertigkeiten sind für deine tägliche Arbeit am relevantesten, abgesehen vom biologischen Fachwissen?

Sabine Rumpf: Um die Statistik, das Programmieren und auch das Verfassen von Texten kommt man nicht herum. Aber ich glaube eigentlich, die wichtigste Eigenschaft von Forschenden ist die Neugierde, die einen dazu veranlasst, Dinge zu hinterfragen und deren Ursachen und Folgen zu erforschen.

Jetzt wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wie denkst du, wird sich dein Forschungsgebiet in den nächsten zehn Jahren verändern? Und wie in den nächsten 30 Jahren?

Sabine Rumpf: Im Moment entwickeln sich die technischen Möglichkeiten unglaublich rasant und dadurch werden immer größere Mengen an immer präziseren Daten zur Verfügung stehen, die man mit immer größeren Rechenkapazitäten noch komplexer analysieren kann. Das heißt, auch die Ökologie wird sich in Richtung Big Data entwickeln. Auf lange Sicht habe ich leider die Befürchtung, dass die technischen Möglichkeiten, die sich entwickeln, die praktische Kenntnis der Natur aus Sicht vieler überflüssig machen könnte. Das heißt überspitzt gesagt: Wieso braucht es noch Artenkenntnis, wenn man die DNA einer Pflanze einfach mit irgendeinem Gerät scannen kann? Damit würde natürlich unglaublich viel wertvolles Wissen über die Ökologie der Arten verloren gehen, die man natürlich nicht hat, wenn man nur weiß, was es für eine Art ist.

Welche Tipps hast du für Schülerinnen oder für Schüler, die sich für dein Fachgebiet interessieren und die vielleicht auch eine Vegetationsökologin oder ein Vegetationsökologe werden wollen?

Sabine Rumpf: Wenn das schon euer Interesse ist, dann seid ihr wahrscheinlich schon begeistert von Pflanzen. Andere Gebiete, die sehr wichtig sind, auch wenn ihr das vielleicht nicht hören wollt, sind Mathematik und Englisch. Sehr wichtig! 🙂

Gibt es irgendeine Erkenntnis aus deinem Forschungsgebiet, von der du dir wünscht, dass sie allgemein besser bekannt wäre?

Sabine Rumpf: Die Belastungsgrenzen unseres Planeten werden in vielen Bereichen bereits von der Menschheit überschritten. Und das heißt, dass selbst wenn wir alle umweltschädlichen Aktivitäten heute stoppen würden, dann hätten unsere bereits vergangenen Taten immer noch Folgen in der Zukunft.

Dann kommen wir jetzt zu unserer Science-Fiction-Frage: Wir nehmen an, die Menschheit schafft es, den Mars zu besiedeln. Warum benötigen wir aus deiner Sicht für die Errichtung einer Zivilisation am Mars unbedingt Vegetationsökolog:innen?

Sabine Rumpf: Wer kann sonst die pflanzliche Fracht eines Raumschiffes Arche Noah festlegen und dann anschließend auch verteilen? Wer will schon auf einer Welt leben, auch wenn sie auf dem Mars ist, die gar keinen Wildwuchs hat?

Zurück zur Erde: Wie sieht hier der Arbeitsmarkt in deinem Fachbereich aus? Gibt es auch außerhalb der Forschung Möglichkeiten für Vegetationsökolog:innen?

Sabine Rumpf: Viele arbeiten im Naturschutz oder in sogenannten Ökobüros. Die entscheiden zum Beispiel, ob ein Bauprojekt genehmigt werden kann oder ob es einen wichtigen Lebensraum zerstören würde.

Abschließend haben wir noch eine Blitzrunde: Ich beginne einige Sätze, die du dann bitte vervollständigst.

  • Wenn ich an meinen eigenen Biologieunterricht denke, dann erinnere ich mich an …
    Sabine Rumpf: … die Füße meines Lehrers, die meist auf dem Pult lagen.
  • Auf meinem persönlichen Berufsweg hat mich besonders beeinflusst …
    Sabine Rumpf: … inspirierende Menschen, die meinen Horizont erweitert haben.
  • Das sollte in keinem Biologie-Schulbuch fehlen:
    Sabine Rumpf: … Begeisterung für die Schönheit und Komplexität der Natur.
  • Mein Wunsch an die Politik ist …
    Sabine Rumpf: … den jungen Menschen zuzuhören. Die Zukunft von jungen Menschen wird mit der Politik von heute gestaltet.
  • Leute, lernt mehr Biologie, damit …
    Sabine Rumpf: … ihr euch der Komplexität des Lebens auf der Erde bewusst werdet.
  • Und die Wochenenden verbringe ich am liebsten …
    Sabine Rumpf: In den Bergen natürlich!

Vielen Dank für das Interview!


Das ganze Interview mit Sabine Rumpf könnt ihr hier nachhören:

Episode

Der Bioinformatiker Dr. Günter Klambauer ist in Gallneukirchen in Oberösterreich aufgewachsen und ging im Gymnasium Petrinum zur Schule. Anschließend hat er zuerst in Wien Biologie und Mathematik studiert und dann Bioinformatik in Linz. Heute arbeitet er als Professor an der Johannes Kepler Universität in Linz am Institut für Machine Learning. Sein Fachgebiet ist die künstliche Intelligenz. Was begeistert ihn an der Forschung und was ist eigentlich eine künstliche Intelligenz? Das berichtet er uns gleich.

Die Vegetationsökologin Dr. Sabine Rumpf ist am Bodensee aufgewachsen. Nach der Schule hat sie Biologie studiert: in Wien, im norwegischen Bergen und auf Spitzbergen in der Arktis. Heute ist sie Professorin an der Universität Basel in der Schweiz. Was macht eine Vegetationsökologin? Das uns viel mehr erzählt sie uns im Interview.
Das Interview gibt es auch zum Nachlesen im bioskop!