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Klein, einflussreich und geprägt von unvorstellbarer Vielfalt in Artenzahl und Lebensweisen – das macht die oft unauffällig scheinenden Ameisen aus. In Magdalena Sorgers Buch bekommen wir einen Einblick in das Leben dieser oft unterschätzten Mitbewohner unseres Planeten. Sie erzählt von ihrem ursprünglich wirtschaftlichen Werdegang und teilt, wie ihre Leidenschaft für Ameisen entfacht wurde und seither gewachsen ist. Mithilfe unterschiedlichster Beispiele aus der Welt der Ameisen erzählt sie ihre Geschichte.

Begonnen hat Magdalena Sorger also Wirtschaftsstudentin in Wien, aber bei einem Biologiekurs während eines Auslandssemesters in Illinois hat sich alles geändert. Dort konnte sie die beeindruckende Fluchtstrategie der Baurs Schnappkieferameise beobachten, die sich mit einer blitzschnellen Mandibelbewegung rückwärts katapultieren kann. Mit einer Kamera tourte sie anschließend weiter durch die USA auf Insektenjagd. Zurück in Wien erweiterte sie ihre wissenschaftlichen Kenntnisse im Naturwissenschaftlichen Museum. Während einer Exkursion nach Guatemala entdeckte sie schließlich ihre erste Schnappkieferameise selbst. Von diesem Moment an kannte sie ihren weiteren Weg.

„Es war ein bisschen wie der Moment, in dem man sich verliebt.“

Die „normale“ Ameise gibt es nicht

Ameisen zählen zu den erfolgreichsten Organismen dieser Erde. Diese eusozialen Insekten werden auch mit einem Superorganismus verglichen, ähnlich dem menschlichen Körper. Unter den Insekten haben Ameisen das größte Gehirn. Sie leben in einem Matriarchat mit strukturierter Aufgabenverteilung.

Für die Kommunikation untereinander ist der Geruchsinn bei Ameisen sehr wichtig. Sie haben ihr eigenes Duftprofil und nutzen Gerüche um sich zu Orientieren und anderen den Weg zu Nahrungsquellen oder neuen Neststandorten zu weisen. Dabei gibt es sogar regelrechte demokratische Abstimmungen, wo ein neuer Bau entstehen sollen, wie beispielsweise bei der Bucklige-Querfleck-Schmalbrustameise.

Ihr Speiseplan ist ebenso vielseitig wie ihre morphologische Vielfalt und ihre Lebensweisen so unterschiedlich wie die Anzahl der Arten. Unter ihnen gibt es Jäger, Hobbygärtner und sogar Landwirte, die Pflanzenläuse halten oder wie die bekannte Blattschneiderameise ihren eigenen Pilz züchten. Koloniegrößen unterscheiden sich ebenso stark zwischen den Arten und können wie bei der Glänzendschwarzen Holzameise bis zu zwei Millionen Individuen umfassen. Ameisenbauten können wahre Kunstwerke sein und mehrere Meter in die Tiefe reichen.

Schon mal von Ameisenmimikry gehört? Der Begriff bezeichnet Ähnlichkeit von Insekten oder Spinnen mit den Ameisen. Die Springspinne etwa „ahmt“ die Ameisen täuschend echt nach. Erst bei genauerer Beobachtung fällt der Unterschied auf.

Sind Ameisen wichtig?

Ameisen sind fast überall auf unserem Planeten vertreten. Sogar für unwirtliche Lebensräume in höheren Lagen, bei kalten Temperaturen oder in sandigem Terrain gibt es Anpassungen. Bei dieser enormen Verbreitung und Vielfalt ist auch eine Auswirkung auf Ökosysteme zu erwarten. Einige Arten leben in Symbiose mit anderen Organismen, von der beide Parteien voneinander profitieren. Die Tauchameise zum Beispiel lebt in Symbiose mit einer fleischfressenden Kannenpflanze. Sie klaut sich einen Teil der Nahrung und hält dafür den Eingang sauber, damit die Falle effektiv bleibt.

Nicht umsonst wird die Ameise gerne als „Polizei des Waldes“ bezeichnet. Sie hilft einerseits beim Entfernen von Kadavern, bejagt aber auch aktiv Insekten, die für uns Menschen als Schädlinge gelten. Sie tragen zudem auch zur Bodenauflockerung bei und transportieren Nährstoffe an verschiedene Orte. Wohlgemerkt, nicht nur Bienen tragen zum Bestäuben von Pflanzen bei sondern auch eine Reihe anderer Insekten– wie etwa die Ameisen. Unter anderem gehören zu den auch durch Ameisen bestäubten Pflanzen auch die Kakaopflanze, deren Produkte wir so gerne naschen.

Und Ameisen produzieren auch Ölsäure, die in verschiedenen menschlichen Bereichen Anwendung findet: Beispielsweise in der chemischen Forschung, in der Medizin oder in der Erforschung von umweltfreundlichen Pestiziden.

Es kann aber auch zu negativen, ökologischen Auswirkungen kommen, wenn Arten invasiv werden. Die Argentinische Ameise und Rote Feuerameise verdrängen zum Beispiel andere Arten und heimische Arten, was zu unterschiedlichen Auswirkungen führt.

Zur Autorin

Die Evolutionsökologin und Ameisenforscherin Magdalena Sorger hat eigentlich BWL studiert, aber während eines Aufenthalts an der University of Illinois wurde ihre Begeisterung für Ameisen bei einem Biologiekurs entfacht. Zurück in Wien wurde sie Teil der Forschungsgemeinschaft des Naturhistorischen Museums und lernte dort das Sammeln, Präparieren und Bestimmen von Ameisen. Ihr Doktorat schloss sie im Bereich Zoologie an der North Carolina State University ab. Als Wissenschaftsvermittlerin bringt sie Menschen die Welt der Ameisen näher.

Wenn Leidenschaft abfärbt

Um über die Vielfalt an Ameisen, Lebensweisen und Strategien staunen zu können, sind keine entomologischen Vorkenntnisse notwendig. Auf verständliche und visuell ansprechende Weise wird den Leser:innen im Buch näher gebracht, was eine Ameise ausmacht und woran man sie bestimmen kann.

All jene, die sich, wie ich, bisher noch wenig mit dieser Insektengruppe befasst haben, können aus diesem ausgewählten Repertoire an Ameisenkenntnis viel Neues lernen. Bei zukünftigen Spaziergängen wird mein Blick viel öfter nach unten gerichtet sein, um zu sehen, welche kleinen Lebewesen sonst noch unterwegs sind.

Magdalena Sorgers Buch kann ich allen Menschen empfehlen, die Interesse an Diversität haben und ihren Blick in eine verborgene Welt erweitern wollen.


„Meine Ameisenliebe hat mich gelehrt, dass Dinge, die auch vollster Überzeugung und mit Leidenschaft getan werden, sich oft nicht wie Arbeit anfühlen. (…) Vielleicht wären wir ja produktiver und womöglich auch gesünder und glücklicher, wenn alle die Möglichkeit hätten, die Tätigkeit auszuüben, die sie mit Freude und Leidenschaft tun.“


Magdalena Sorger

Brandstätter Verlag

192 Seiten

25 EUR

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Für Interessierte:

Workshops & Fachvorträge

Titelbild: Hummel Quelle: Flickr User Rabumms

Dave Goulson ist ein bekannter englischer Biologe, Autor mehrerer Bücher und Naturschützer. Sein bekanntestes Buch „Und sie fliegt doch. Eine kurze Geschichte der Hummel“ (2014, Hanser Verlag) wurde mehrmals ausgezeichnet und ist eine sehr spannende und humorvolle Lektüre über Hummeln. Goulson schafft es in seinen Büchern den LeserInnen die faszinierende Welt der etwas kleineren Lebewesen unseres Planeten näher zu bringen und zeigt wie wichtig auch der Schutz dieser Tiere ist.

Derzeit forscht und lehrt Dave Goulson an der Universität Sussex und hat bereits über 200 wissenschaftliche Artikel über die Ökologie von Bienen und anderen Insekten veröffentlicht.

Professor Dave Goulson war so freundlich und gab uns für das bioskop ein kleines Interview über seine Arbeit als Autor und die Rolle der Biologie in der heutigen Zeit:

What was your motivation to start writing popular science books?
I was keen to reach a broader audience. Scientific publications are read by only a handful of other scientists. My research is on wild bee declines, and what we can do to look after these vital creatures. If we are to ensure a future for our wild bees then we need to get lots of people involved in caring for them – that is my goal.

How do you manage to combine your scientific research and your work as an author?
For me, scientific research and writing go hand in hand with writing articles for a popular audience. If a scientist is not doing work of interest to the public, and is unable to explain to them why his work is important and interesting, then perhaps he is in the wrong profession. Of course, finding the time for both types of writing can be a challenge!

The futurologist John Naisbitt once wrote, that the 21st century will be the age of biology, would you agree?
I’m sure that there will be some amazing scientific advances in the biological area this century. However, my fear is that future generations will know the 21st century as the age of mass extinction, the period when most of life on Earth was lost, and when other vital resources such as soil were squandered, leaving our descendants to eke out their lives on a sad, grey, depleted planet.

Do you think, biologists have a special responsibility to save our ecosystem?
Of course, most biologists are painfully aware of the damage we are doing to our planet. Finding the solutions to the problems will certainly also require biologists. In particular, we need to devise ways to grow food that are truly sustainable.

What is your latest book about?
My new book, Bee Quest, is about my search to find and study the world’s most unusual and endangered bees. It tells their stories, but also I think gives some hope, for I finish with giving some examples of how remarkably resilient nature can be if only we give it the chance to recover.

Can we hope, to enjoy more books of you in the future?
I am currently working on a new book about the little creatures that live in our gardens, the insects, spiders, worms, and toads, and how best we can encourage them to thrive. Perhaps gardening can save the planet.

Thank you very much for the interview!

Ebenfalls im Hanser Verlag erschienene Bücher von Dave Goulson:
Wenn der Nagekäfer zweimal klopft. Das geheime Leben der Insekten (2016)
Die seltensten Bienen der Welt. Ein Reisebericht (2017)
Beide uneingeschränkt zu empfehlen.