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Will man junge Menschen im schulischen Bereich für Biologie begeistern, braucht es bisweilen spezielle Formate. Dies ist die Geschichte der “Bio-Challenge” und wie man Österreich beinahe dazu bewegt, an einer Biologie Olympiade teilzunehmen.

Vom Brennen fürs Lebendige

Die Biologie – in all ihren Facetten und ihrer strukturellen Vielfalt, vom kleinsten biochemischen Baustein bis zu den komplexen Vernetzungen der Biosphäre – ist ein Quell unserer Inspiration und Motivation. Sie ist ein gewaltiges Konvolut von Disziplinen, die sich alle mit der Faszination des Lebendigen beschäftigen. Wer sich einmal darauf einlässt, dem bleibt letzten Endes nur eine mögliche Haltung demgegenüber: Faszination. Hingabe. Leidenschaft.

Wer nun Feuer für die Biologie fangen oder eine durch Kindheitserlebnisse bereits vorhandene Flamme pflegen möchte, für den bietet sich die Schule an [1]. Vor allem, wenn man dieses Feuer auch in seinen zukünftigen Erwerbsalltag tragen möchte. Schließlich ist der Unterrichtsgegenstand Biologie der wohl wichtigste schulische Gateway in die Medizin und die modernen Life-Sciences.


[1] Passenderweise befanden schon einige alte Griechen, dass es bei Bildung eher um das Entzünden von Fackeln als um das Befüllen von Fässern ginge

Bio Challenge
(c) Martin Bichler

Funkenflug und Schaumbremse

Es brauchte also ein Format, um junge Menschen im schulischen Kontext für Biologie zu begeistern. Einen Brandbeschleuniger quasi. Und dieses Format gab und gibt es tatsächlich seit 30 Jahren in Form der Internationalen Biologie Olympiade (zuletzt in Szeged/HU mit 273 Schüler/innen aus 73 Ländern). Was läge also näher, als mit einem Österreichischen Team auf internationalem Niveau anzutreten? Aus diesem Grund lud die ABA im April 2018 zu einem Erfahrungsaustausch mit unseren befreundeten Biologie-Verbänden des nahen Auslands, welche bereits seit längerer Zeit an den internationalen Bewerben teilnehmen.

Nach Klärung der Regulative und Formalvoraussetzungen war klar, dass eine österreichische Teilnahme ohne eine offizielle Fürsprache und finanzielle Förderung seitens des Bildungsministeriums nicht möglich wäre. Das war der Startschuss für eine Reihe vielversprechender Mails, Treffen und Gespräche. Epizentrum war dabei die Bildungsdirektion Tirol (damals noch Landesschulrat für Tirol), von der aus mit viel Unterstützung das Vorhaben in die ministerielle Ebene getragen wurde.

Doch manches Mal zerschellen Idealvorstellungen einfach an der realitätsschaffenden Hierarchie verwaltender Strukturen. Zu teuer, kein Bedarf, kein Interesse – so in etwa kann die ministerielle Antwort auf unser Anliegen zusammengefasst werden. Dass im Rahmen der Begabtenförderung bereits etablierte Olympiaden aus anderen Gegenständen weiterhin unterstützt werden, stellt aus Sicht des Bildungsministeriums keinen Logikbruch dar. ‚Man will halt derzeit nichts Neues‘[2].

Damit bleibt Österreich auf der Teilnehmerlandkarte bis auf weiteres umzingelt von teilnehmenden Nachbarstaaten und als eines der wenigen Länder Europas in Hinsicht Biologie-Olympiade teilnahmslos. Ein kleines gallisches Dorf im negativen Sinne.


[2] Fairerweise sei hinzugefügt, dass sich das Bildungsministerium zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Bildungsreform in einer tiefgreifenden Umstellung befand und an allen Ecken und Enden mit Unsicherheiten bzgl seiner Struktur und Zuständigkeiten konfrontiert sah.

Resilienz

Doch es gibt eine Eigenschaft, die von der Biologie auf die Idee eines Schulwettbewerbs übergesprungen sein könnte: Resilienz. Es lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren, ob die Bruchstücke des Vorhabens top-down, bottom-up oder in beiden Richtungen kursierten[3], jedenfalls stand die Idee weiterhin im Raum und wurde schließlich von Franz Gapp und Markus Geiger, zwei Biologielehrern des BG/BRG Innsbruck aufgegriffen und im Rahmen der ARGE Biologie Tirol vorgestellt.

Bio Challenge
(c) Martin Bichler

So wurden vier weitere Mitstreiterschulen gefunden und der Entschluss gefasst, auf Landesniveau einen tirolweiten Schulwettbewerb in Biologie zu etablieren. Das Konzept sah vor, analog zum internationalen Vorbild, die Schüler/innen in Spezialkursen vertiefend in puncto Fachtheorie und Fachpraxis vorzubereiten und am Ende im Rahmen eines Abschlusswettbewerbes den oder die beste Nachwuchsbiologin Tirols zu küren. Die ‚Bio-Challenge‘ war geboren!

Im darauf folgenden Sommersemester (2019) fanden schließlich die ersten Vorbereitungskurse mit rund 30 Schüler/innen in zwei Gruppen an jeweils 4 Nachmittagsterminen statt. Das Angebot richtete sich an AHS Schüler/innen der 6. und 7. Klassen Oberstufe. Die fachtheoretischen und fachpraktischen Inhalte orientierten sich am Lehrplan und umfassten die Themen ‚Auge‘, ‚Herz-Kreislaufsystem‘, ‚Pflanzenanatomie‘ sowie ‚Nervensystem‘. Dabei konnten die Schüler/innen verschiedene Versuche, Sektions- und Präparations- und Mikroskopiertechniken erlernen.

Dass die Kursblöcke stets an einem Freitagnachmittag stattfanden und teils lange Anreisewege in Kauf genommen werden mussten, spricht für die außerordentlich hohe Motivation und den Ehrgeiz der teilnehmenden Schüler/innen.

Der Abschlusswettbewerb fand schließlich am 26. Juni 2019 statt, bei dem in einer der rund zweistündigen Prüfung die besten Nachwuchsbiologen und –biologinnen ermittelt wurden. Die Siegerehrung erfolgte schließlich durch hochrangige Vertreter der Bildungsdirektion Tirol und die Schulleitung der gastgebenden Schule. Unisono das Credo: Wir können stolz sein auf unsere Nachwuchsbiologen/innen, auf ihr Engagement und ihre Leistungen!

Ein großes Lob verdienen sich in dieser Hinsicht auch die Biologielehrer/innen der aller teilnehmenden Schulen, die in perfekter Teamarbeit die rasche und professionelle Korrektur der Arbeiten durchführen konnten.


[3] in diesem Falle wäre die Bio-Challenge quasi ‚paraphyletisch‘ entstanden ;-)

Evolution

Bio-Challenge
(c) BRG-APP

In Tirol verfolgen wir die Strategie, die Bio-Challenge nicht nur zu einem Spezifikum der allgemeinbildenden höheren Schulen zu machen, sondern auch andere Schultypen aus dem Berufsbildenden Bereich zu involvieren. Das reicht von der Herstellung der Siegerpokale bis zur Erstellung von Homepages und digitalen Druckwerken. Damit sollen auch jene in Kontakt mit Biologie kommen, die ansonsten aufgrund thematischer Ausrichtung der Schule traditionellerweise wenig Berührungspunkte mit Biologie haben.

Ja, die erste Tiroler Bio-Challenge war ein voller Erfolg. Doch dem Format steht noch ein langer Weg bevor, um vom Projekt zum Programm zu werden. Vielversprechend ist in erster Linie die positive Resonanz bei Schüler/innen, Lehrer/innen sowie der Schulleitung und –verwaltung. Wir freuen uns, dass unserer Einladung zum Abschlusswettbewerb auch Vertreter/innen der Biologie ARGEn der Bundesländer Vorarlberg und Salzburg gefolgt sind, die das Format auf der ‚Westachse‘ vermitteln können. Wir wissen um das Interesse weiterer Bundesländer und sogar einen ähnlichen Wettbewerb in Kärnten (Biologie im Team) und wir hoffen, aus diesem Ganzen eine runde Synthese schaffen zu können.

Möglicherweise formiert sich so ein österreichweiter Biologiewettbewerb ‚bottom-up‘ und wir sehen in Zukunft auf internationalen Biologie Olympiaden auch endlich Teams aus Österreich. Die talentierten Jugendlichen dafür hätten wir jedenfalls!

Bilder, Berichte und Kursunterlagen unter bio-challenge.at

Der Unterrichtsgegenstand Biologie und Umweltkunde umfasst vielfältige Lerninhalte. Um diese Themenfülle zu ordnen, wurden im Lehrplan für die Oberstufe (2018) sieben Basiskonzepte der Biologie formuliert. Sie helfen, erlernte Inhalte zu vernetzen und wiederkehrende biologische Grundprinzipien zu erkennen.

Themenvielfalt im Biologieunterricht

Mit der letzten Lehrplanbearbeitung 2017/2018 der Sekundarstufe II (Oberstufe) wurden für den Unterrichtsgegenstand Biologie und Umweltkunde sieben „Basiskonzepte der Biologie“ definiert. Sie sollen Ordnung in die biologische Themendiversität bringen.
Grundsätzlich legen die Lehrpläne des Bundesministeriums  fest, welche Themen (Lerninhalte) eines Unterrichtsgegenstandes in welcher Schulstufe unterrichtet werden. In der Biologie reihen sich vielfältige Themen aneinander, wie ein stichwortartiger Auszug aus der 5. Klasse für allgemeinbildende, höhere Schulen zeigt: Die Zelle, Mitose, Pro- und Eukaryoten, Mikroorganismen, Biotechnologie, Botanik, Assimilation und Dissimilation, Ökologie und Nachhaltigkeit, Organsysteme des Stoffwechsels, gesunde und ausgewogene Ernährung. Die Reihenfolge der Einheiten ist den Lehrkräften überlassen. In den Folgejahren setzt sich die bunte biologische Vielfalt fort.

Auf den ersten Blick scheint der Biologieunterricht ein Sammelsurium von Themen ohne roten Faden zu sein. Natürlich basiert die Strukturierung des Lehrplans aber auf didaktischen Überlegungen. Dem Alter der Schülerinnen und Schüler entsprechend gehen die Lerninhalte von bekannten Phänomenen aus und nähern sich dem Unbekannten: Haustiere, Verdauungsorgane und Aufbau einer Blüte in der 1. Klasse bis zu Gentechnik und Evolutionstheorien in der 8. Klasse. Trotz einiger Bearbeitungen in den letzten Jahren hat sich im groben Aufbau des Lehrplans wenig geändert. Vorschläge, Wünsche und Kritik an der Lehrplangestaltung hat es auch von Seiten der ABA bereits bei der Gründung des Vereins vor 25 Jahren gegeben (damals noch als VÖBL Verein österreichischer Biologielehrer).

Die Basiskonzepte im Lehrplan 2018

Auch die letzte Bearbeitung des Oberstufenlehrplans hat keine wesentliche Veränderung der Inhalte gebracht. Eine wichtige neue Ergänzung sind die sieben Basiskonzepte. Sie sind in der Oberstufe für alle Schulstufen gleichlautend formuliert und stellen quasi „sieben rote Fäden“ durch die Biologie dar. Der Lehrplan für die Sekundarstufe I (Mittelschule, Unterstufe) ist derzeit in Bearbeitung. Es ist anzunehmen, dass die Basiskonzepte demnächst auch dort Einzug finden werden.

Das Ziel dieser Basiskonzepte ist es, den Schülerinnen und Schülern einen strukturierten Blick über den Themendschungel Biologie zu ermöglichen. Die Wiederholung derselben Basiskonzepte über Kapitel und Jahrgänge hinweg ermöglicht eine Quervernetzung von Inhalten, die im Alltag üblicherweise nicht miteinander in Verbindung gebracht werden (z.B. Stoffaustausch in der menschlichen Lunge und an Blättern eines Baumes, siehe Abb. 1). Neu erlernte Inhalte werden dadurch mit bereits bekannten Phänomenen verknüpft und das Verständnis für wesentliche Merkmale biologischer Systeme und Prozesse wird gefestigt.

Abb. 1: Struktur und Funktion. Das Prinzip der Oberflächenvergrößerung ist überall dort von Bedeutung, wo an Oberflächen ein Stoffaustausch stattfindet, z. B. im Blattwerk von Bäumen oder der Lunge des Menschen.

Keine Revolution, aber Unterstützung

Hinsichtlich der übrigen Vorgaben und den erforderlichen Lerninhalten wurde der Lehrplan wenig verändert. Die Anzahl der Themen, die in einem Schuljahr unterrichtet werden müssen, ist nach wie vor sehr groß. Inhaltlich und didaktisch revolutionieren die Basiskonzepte den Unterricht sicherlich nicht, denn Quer- und Rückverweise auf bereits Erlerntes haben Lehrerinnen und Lehrer immer schon in ihren Unterricht einfließen lassen. Mithilfe der Basiskonzepte geschieht dies nun routinemäßig und strukturiert. Mit der Verankerung im Lehrplan werden sie auch in den Schulbüchern Einzug halten.

Die Basiskonzepte im Überblick

Struktur und Funktion

Ausprägung und Form von Merkmalen lebendiger Systeme (Struktur) hängt mit deren Wirkungsweise (Funktion) zusammen. Beispiele sind das Prinzip der Oberflächen­vergrößerung oder das Schlüssel-­­Schloss-­Prinzip.

Steuerung und Regelung

Lebewesen reagieren auf Veränderungen, um bestimmte Zustände aufrechtzuerhalten. Beispiele sind Rückkoppelung-Mechanismen im Stoffwechsel (Homöostase) oder Räuber-Beute-Beziehungen auf ökosystemarer Ebene.

Reproduktion

Die Lebensdauer von Organismen ist begrenzt. Sie müssen sich selbst reproduzieren, um das Überleben ihrer Art zu sichern. Das gilt für Menschen genauso wie für Bakterien oder Bäume (“eine Eiche ist das Mittel einer Eichel neue Eicheln zu produzieren”). Möglich ist das dadurch, dass jede Zelle aller Organismen ihren genetischen Bauplan in sich trägt und diesen verdoppeln kann.

Stoff- und Energieumwandlung

Lebewesen sind auf eine Energiezufuhr von außen angewiesen, um den eigenen Energiebedarf auszugleichen. Die externe Energie muss in eine Form umgewandelt werden, die im Organismus gespeichert und wieder freigesetzt werden kann. Diese Prozesse finden sich u.a. bei der Ernährung des Menschen und bei der Foto- und Chemosynthese anderer Organismen.

Kompartimentierung

Abgegrenzte Reaktionsräume innerhalb von Zellen oder Organismen ermöglichen den ungestörten, parallelen Ablauf verschiedener Prozesse. Zellen stellen eine wichtige Grund­einheit lebendiger Systeme dar (Baustein­prinzip). Kompartimentierung findet sich auf Ebene von Zellen (Zellorganellen), Geweben und Organen (Viel­zelligkeit, Spezialisierung) oder auch bei Gesell­schaften und Populationen (Arbeits­teilung).

Information und Kommunikation

Zellen, Gewebe, Organe und Organismen können Information aus ihrer Umwelt aufnehmen, bearbeiten und weiterleiten. Signale müssen dabei vom Sender verschlüsselt und vom Empfänger ent­schlüsselt werden können. Austausch von Informationen findet zwischen Zellen, Individuen und per Erb­information sogar über Generationen hinweg statt.

Variabilität, Verwandtschaft, Geschichte und Evolution

„Nothing in Biology makes sense except in the light of evolution” (Dobzhansky, 1973). Dieses Zitat unterstreicht die Bedeutung dieses zentralen Basis­konzeptes, das mit allen anderen verknüpft ist.
Lebewesen sind an ihre jeweilige Umwelt angepasst, als (Zwischen-)Ergebnis eines andauernden Entwicklungs­prozesses. Alle rezenten Arten sind ein Produkt ihrer stammes­geschichtlichen Entwicklung und stehen in einem Verwandt­schafts­verhältnis zueinander.
Der Grad der Verwandtschaft wird auf molekularer Ebene, z.B. beim Blick auf DNA-Sequenzen, ebenso ersichtlich wie bei morphologischen Untersuchungen. Dieses Verständnis schärft die Eigen­wahrnehmung des Menschen als Teil der Natur und ist somit Voraussetzung für ein ökologisches und nachhaltiges Handeln.