Beiträge

Titelfoto: Sciene Raft am Inn. Foto: J. Ecker

Die Innauen erforschen, wie keiner zuvor, und auf diese sensiblen Ökosysteme aufmerksam machen: Das haben sich sechs Mitglieder der ABA-Regionalgruppe Westösterreich (WÖB) mit dem Science Raft zum Ziel gesetzt. Vor kurzem haben sie via Boot rund 65 Kilometer auf dem Inn zurückgelegt und dabei Interessantes entdeckt.

Kälte. Sie kommt zuerst, wenn man sich in die milchig-grünen Fluten des Inn gleiten lässt, spürt, wie sein Wasser das Neopren durchdringt, bevor sich eine wärmende Isolationsschicht aufbauen kann. Heftig gegen die Strömung ankämpfend, beginnt man zu verstehen, welche Kräfte die Landschaftsstrukturen und Lebensgemeinschaften bestimmen, die unter dem Begriff „Au“ bekannt sind. Es sind schützenswerte Ökosysteme, die in ständigem Austausch mit dem Fluss stehen – wie also könnte man dieses teils schwer zugängliche Terrain besser erforschen als per Boot? Sechs „Science Rafter“ – Anna Schöpfer, Lena Nicklas, Gabriel Gruber, Moritz Falch, Vera Margreiter und Julia Ecker – haben sich, unterstützt vom WWF Interreg-Projekt INNsieme sowie der Wasserrettung Innsbruck und einer Filmemacherin auf die Reise begeben und Interessantes entdeckt.

Start in der Milser Au_(c) L. Reggentin / WWF

Von Mils bis Silz via Wildwasser

Die Expedition startete frühmorgens an einem sonnigen Tag – zunächst noch an Land, mit der Milser Au: ein botanisches Kleinod, das man hinter der stark frequentierten Raststätte dort kaum vermutet hätte. Den Lebensraumtyp hier, Großröhricht, gibt es in Tirol sehr selten. Prompt fielen den Botanikern der Crew auch Typha angustifolia (Schmalblättriger Rohrkolben) und vor allem Eleocharis mamillata (Zitzen-Sumpfbinse) ins Auge, letztere haben sie vorher noch nie gesehen.

Der Platz gefiel, doch der straffe Zeitplan trieb zur Eile: In 4 Tagen wollte das Team mit Hilfe der Wasserrettung flussabwärts bis Langkampfen raften, also 140 Kilometer per Fluss zurücklegen – das Ziel dabei: während der kurzen Stopps so viele Arten und geomorphologische Besonderheiten wie möglich in den Auen zu dokumentieren. „Das ist wichtig. Die Auen sind ein dynamischer Lebensraum“, erklärt Vera, „es gibt da einige Spezialisten, die verschwinden, wenn das nicht mehr so dynamisch ist – zum Beispiel, wenn die Wasserzufuhr wegfällt. Man muss einfach kennen, was man schützen soll.“

Fürs Erste galt es aber im Rafting-Boot Etappe 1 zu bestreiten. Zwischen Mils und Imst ging es zunächst noch ruhig dahin. Man bestaunte, wie das Wasser in hundert glitzernden kleinen Rinnsalen die hineinragenden Schotterbänke überspülte und von dort wieder zurück in den Hauptarm floss. Dann änderte der Auslass des Kraftwerks Imst die Wasserfarbe des eben noch klaren Inns zu milchig-graugrün und brachte neue Strömungskraft mit sich. Ab Imst klang der Expeditionscrew bereits das laute „vorwärts, kräftig vorwärts!“ und „stop!“ des Rafting-Guides zwischen den Wellenbergen der gewundenen Imster Schlucht in den Ohren. Ein Riesenspaß – aber kein Kindergeburtstag. Während man seine Beine krampfhaft in die Bootsritzen krallte, um während der Manöver auf der meist befahrendsten Rafting-Strecke Europas genug Halt zu haben, und paddelte, was das Zeug hielt, war das Fachliche einen Augenblick völlig vergessen. Da zeigte der Inn, was er kann – ebenso wie der Rafting-Guide, der sich über das Gejauchze im Boot sichtlich freute.

Botanisieren in der Silzer Au_(c) J. Ecker

Schatzkiste Silzer Au

Bei der Silzer Au angekommen, ließen sich die Ausmaße der Inn-Gewalt und ihr Einfluss auf die umgebende Landschaft erkennen. Flussseitig hatte die Au noch eine recht „aufgeräumte“ Uferstruktur und wirkte – abgesehen vom Lärm der nahen Autobahn bzw. Zugstrecke fast idyllisch. Doch dort, wo der Inn sich gelegentlich seinen Weg ins Innere des Auwaldes bahnt, zeigte sich ein wilderes Bild: Im untertags kaum Wasser führenden, gefurchten Seitenarm lag viel angeschwemmtes und abgelagertes Totholz, das den Arm unterteilte, als wären es schlampig gezimmerte Biberburgen, mit trüben Pfützen dazwischen.

„Aber das ist es grade: Wenn man sich die Flüsse in Österreich anschaut, gibt es wenige Orte, wo es so vielfältige Strukturen gibt. Das Wertvolle dran ist einfach, dass es Lebensraum ist für verschiedenste Lebewesen; für Amphibien, Insekten, Mikroorgansimen, die hier Strukturen haben, wo sie sich wohlfühlen. Die haben sie nicht mehr, wenn alles hart verbaut ist, weil der Fluss einfach in einer Linie fließt.“

Gabriel Gruber, Limnologe

Auch botanisch gesehen seien solche Schwemmfluren wie Schatzkisten, ergänzt Moritz. Man wisse vorher nie, was man hier findet. Der Austausch mit dem Wasser ist also maßgeblich für die Auen: „Es sind Hotspots der Artenvielfalt – zwar nicht so bekannt wie der Amazonas“, räumt Anna ein, „aber es sind bei uns oft die letzten Refugien, weil hier so ein breites Spektrum an ökologischen Nischen da ist.“ Mit einer Renaturierung ließen sich diese Nischen mancherorts teilweise wiederherstellen: Man schafft damit wieder Strukturen, die geeignet sind für Pioniergehölze, und die gut vom Hochwasser überflutete werden können.

Natürliche Strukturen in der Silzer Au_(c) J. Ecker

Von Mieming und Müll

Stromabwärts trugen bald schon ruhigere Gewässer die Rafter vorbei an der Mieminger Kette, was für Staunen sorgte – der Blick vom Wasser aus macht selbst Bekanntes wieder neu erlebbar. Die Mieminger Au prägt zum einen der Wasserfall, der sein Wasser aufgesplittet in kleinen Bächlein durch ein breites Kiesbett zum Inn schickt. Viel Geröll kommt hier in den Fluss. Es finden sich schöne Schotterbänke, Sandbänke und Seitenarme, und in Ufernähe diverse Weidenarten. Die Au zeigt aber auch den menschlichen Einfluss: Müllspuren. „Die Leute gehen gern in die Schutzgebiete, weil es sonst nicht mehr so viele Orte gibt, die schön sind, und da gibt es dann öfters einen Nutzungskonflikt“, weiß Lena. Das kann auch Schutzgebietsbetreuer Gebhard Tschavoll vom WWF bestätigen. Als die Gruppe anlegte, war er gerade dabei Abfall in der Au einzusammeln. Neben der Verbauung ist auch das ein Problem, zumal Tafeln keine Wirkung zu zeigen scheinen. „Aber es gibt auch Leute, die sich gut verhalten“, betont Anna, und da sei es schön zu sehen, wie wohl sich die Leute am Fluss fühlen.

In der Mieminger Au_geomorphologische Beobachtungen (c) J. Ecker

Mit der Regenfront von Gaisau bis Kranebitten

Weniger wohl fühlt sich nasser Neopren bei Regen und kühlem Wind an: Die prophezeite Regenfront hatte die Rafter schließlich eingeholt. Trotzdem erwanderte man sich – noch immer im Anzug – die teils wild wuchernde Gaisau. Sie verbirgt sich hinter einer Böschung und beinhaltet neben umgebenden Feuchtwiesen auch einen idyllischen Weiher, an dem viele seltene Pflanzen- und Tierarten, unter anderem der Eisvogel, leben.

Mit kräftigen Ruderschlägen gegen die Kälte, erreichten die Rafter am späten Nachmittag die Kranebitter und Völser Auen bei Innsbruck, die allerdings wetterbedingt noch bis zum nächsten Tag warten mussten. Die Purpurweiden sowie Reifweiden und Grauerlen dort sind typisch für eine weiche Au. Von den Strukturen war allerdings am nächsten Tag nicht mehr viel zu erkennen – durch das Regen bedingte Hochwasser waren beim Besuch der Rafter einige Schotterbänke schon überspült, auch die Flutmulden des Auwalds haben sich mit Wasser gefüllt – ebenso wie die Schuhe der Crew. Da war der Neoprenanzug wieder willkommen.   

Weiher in der Gaisau_(c) J. Ecker

Endspurt mit Rettungseinsatz

Dem Endspurt nach Innsbruck zur geplanten Pressekonferenz kam allerdings noch ein Notfall der Wasserrettung dazwischen. Hektisch wurde umgeplant. Nichtsdestotrotz landete die Truppe schließlich doch sicher am Marktplatz an – bei immer noch strömendem Regen. Vizebürgermeisterin Uschi Schwarzl ließ sich die Begrüßung trotzdem nicht nehmen, wäre sie doch ursprünglich gern selbst ein Stück mitgefahren. Auch Elisabeth Sötz vom WWF interreg Projekt INNsieme war da. Das Fazit der Rafter bei der Endbesprechung war klar: Noch mehr Renaturierung wäre gut für die Auen, denn auch wenn es einige schöne, naturnahe Abschnitte am Inn gibt, gibt es immer noch zu viel hart verbaute Uferabschnitte, die die Auen austrocknen lassen. Auch ein direkterer Zugang zum Inn in der Stadt Innsbruck wäre wünschenswert, natürlich unter Berücksichtigung des Hochwasserschutzes.

Unter Berücksichtigung des eigenen Schutzes vertagte man Etappe 4 nach Lamgkampfen auf ein Wochenende im Oktober. Schweren Herzens. Als allerdings die ersten Baumstämme den nunmehr schlammfarbigen, stark angestiegenen Inn hinunterströmten, bereute diese Entscheidung keiner mehr. Die Rafter überließen die Auen vorerst wieder den formenden Kräften des Hochwassers, denn mittlerweile konnte man sie wieder deutlich spüren, die Kälte – trotz der Isolationsschicht des Neoprens. Das letzte Streckenstück ist aber bereits in Planung, mit neuen spannenden Augebieten flussabwärts, und hoffentlich etwas mehr Sonne.

WOEB Rafting Team und die Wasserrettung_(c) Christina Schmölz

***

Weiterführende Links und Artikel

https://www.wwf.at/de/innsieme-erster-science-raft-am-inn-gestartet/?useMobile=false

https://www.krone.at/2220107

https://tirol.orf.at/stories/3064438/

Episode

Wir bleiben beim Thema Flüsse. Anna Schöpfer und Gerhard Aigner führen durch die Sendung und berichten von der INNsieme-Aktion #ScienceRaft – der Flussforschungsreise der ABA am Tiroler Inn. Außerdem: Einblicke in die Welt des Makrozoobenthos. Als Gast begrüßen wir Marianne Götsch (WWF Austria), die uns die aktuelle Situation des Osttiroler Gletscherflusses Isel schildert.

In unserer ersten Sendung widmen wir uns dem Thema „Flüsse“ und sprechen unter anderem über den Weltflusstag, Kraftwerkspläne an der Ötztaler Ache, Fischfabriken am Mekong und den ökologischen Zustand des Inns. Als Studiogast begrüßen wir den Fischökologen Wolfgang Mark vom Institut für Zoologie der Universität Innsbruck. Durch die Sendung führen Gerhard Aigner und Anna Schöpfer.