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Auf den Kiesbänken des Tiroler Lechs werden bereits seit zwei Jahren die Heuschrecken-Populationen an drei unterschiedlichen Standorten systematisch erfasst und dokumentiert. Neben gut getarnten Exemplaren finden sich darunter auch pinkfarbige Besonderheiten.

Wer effizientes Monitoring in der Natur betreiben möchte, muss Geduld haben und vor allem scharfe Augen besitzen. Es dient dazu, herauszufinden, welche Arten überhaupt in einem Gebiet vertreten sind und welchem Geschlecht und welchen morphologischen Typen die gefundenen Individuen entsprechen. Im Lechtal findet seit zwei Jahren ein regelmäßiges Heuschrecken-Monitoring statt. Dabei wurde festgestellt, dass speziell drei Heuschreckenarten die Kiesbänke des Lechs zu ihrem Lebensraum erkoren haben: die Gefleckte Schnarrschrecke (Bryodemella tuberculata), der Kiesbank-Grashüpfer (Chorthippus pullus) und die Türks Dornschrecke (Tetrix tuerki).

Gefleckte Schnarrschrecken (Bryodemella tuberculata) (c) Johanna Propstmeier

Ausgerüstet mit Becherlupe, GPS-Gerät und viel Ausdauer geht es los auf die Suche nach diesen an den Wildfluss angepassten und gefährdeten Heuschreckenarten. Ganz so einfach wie es sich anhört ist es dann aber doch nicht – die Heuschrecken heben sich durch ihre Färbung kaum vom Untergrund ab. Ein gutes Hilfsmittel bei der Suche nach Heuschrecken ist ein Stock, den man vor sich hin und her führt. Dabei fliegen die Insekten auf und geben ihr Versteck preis. Eine Art, die man mit dieser Methode leichter auffinden kann, ist zum Beispiel die Gefleckte Schnarrschrecke. Sie weist eine graubraune Färbung auf und ist somit meist erst auf den zweiten Blick erkennbar. Wenn man ihr aber zu nahekommt (bzw. der Stock), zeigt diese Heuschreckenart, was sie besonders gut kann: Mit einem lauten und schnarrenden Geräusch fliegt sie auf und entfaltet im Flug ihre purpurroten Hinterflügel. Dieses schnarrende Geräusch dient dazu, Fressfeinde oder auch Forscher*innen, die ihr auf den Leib rücken, abzuwehren. Letzteren entkommt sie aber nicht so leicht: Die Insekten werden einfach mit der Becherlupe eingefangen und bestimmt. Anschließend werden sie wieder in die Freiheit entlassen.

Pretty in pink

Allerdings sind nicht alle Heuschrecken gut getarnt. Es kann sogar vorkommen, dass man bereits von weitem rot-pinke Tiere auf der Kiesbank erblickt. Beim letzten Monitoring traute eine Kollegin ihren Augen nicht: Eine Heuschrecke ganz in pink – wie ihre Schuhe! Ein besonderer Anblick, aber doch nicht so selten. Diese Art von Färbung nennt man im Tierreich „Erythrismus“, manchmal auch bekannt als Rufinismus oder Rubilismus. Die Ursache ist ein Gendefekt, der bei vielen Tieren auftreten kann und bei Heuschrecken verhältnismäßig häufig zu sehen ist. Dabei färben sich unter anderem durch das Wegfallen der dunkeln Pigmente Haut, Haare oder auch Federn der betroffenen Tiere rötlich. Durch diese prägnante Färbung fehlt diesen Tieren, in dem Fall den Heuschrecken, natürlich ihre gute Tarnung, wodurch sie Fressfeinden quasi auf dem „Silbertablett“ serviert werden. Das erklärt auch, warum sie vom Menschen nicht sehr oft entdeckt werden.

Grashüpfer (Chorthippus sp.) mit Gendefekt, “Erythrismus” (c) Yvonne Markl

Die Begegnung mit der pinken Heuschrecke führt einem die Vielfalt der Natur vor Augen. Nicht nur in den Tropen gibt es farbenprächtige Tiere – auch hier im Lechtal kann man mit etwas Glück bunte Tiere entdecken. Wir hoffen, dass die pinke Heuschrecke dennoch lang ihren Fressfeinden trotzt.

Fotos: Yvonne Markl und Johanna Propstmeier

Weitere Infos:

Naturpark Tiroler Lech: https://www.naturpark-tiroler-lech.at/