Foto: Monika Hamacher, Text: Anna Schöpfer

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Seit Mai 2020 hat Tirol eine neue Großbaustelle im Hochgebirge. Für die Erweiterung der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz wird im Längental bei Kühtai ein Speicherteich errichtet. Das Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) des rund eine Milliarde schweren Bauprojekts hatte bereits im Dezember 2009 begonnen und letzte Revisionen gegen den Baubescheid wurden 2020 vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Für einen raschen Bauverlauf ist eine große Anzahl von Großgeräten, Baggern, Raupen und Kränen in Einsatz. Ausgefräst wird das, was das Längental ausgezeichnet hat: der seltene und aus naturschutzfachlicher Sicht besonders wertvollen Biotopverbund, mit dem Braunseggen-Niedermoor, den Quellfluren, Alpenrosen-Zwergstrauchheiden und den locker angeordneten Zirben auf den Hanglagen, die das Tal geprägt haben. Zerstört findet man jetzt auch das Flussbett des Längentalbachs, der auf 2600 m Seehöhe zwischen Wechner- und Hochbrunnachkogel entspringt und bisher durch das Hochgebirgstal mäanderte.
Hinter einem 113 m hohen Damm, der das Tal absperrt, wird ein komplexer Lebensraum, der sich über Jahrtausende unter extremen Umweltbedingungen geformt hat, unwiederbringlich verloren gehen.
Der geplante Speicher der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz wird über ein Volumen von 31 Mio m3 verfügen. Um ihn zu befüllen, wird mithilfe eines 25,5 km langen Stollensystems Wasser aus sechs Gletscherbächen der Stubaier Alpen eingeleitet.
Bei den betroffenen Fließgewässern handelt es sich um den Fernaubach, den Daunkogelfernerbach und den Unterbergbach, die in die Ruetz ins Stubai entwässern, sowie um den Fischbach, den Schranbach und den Winnebach, allesamt Zubringer der Ötztaler Ache. Jeder dieser Gletscherbäche war bisher noch weitestgehend naturnah. Gletscherbäche sind besonders dynamische Ökosysteme und die gewässertypische Fauna und Flora ist an die extremen Standortbedingungen angepasst. Diese spezialisierten Arten reagieren besonders sensibel auf Eingriffe in das natürliche Abflussregime. Nun sollen Wasserfassungen errichtet werden, welche in den Sommermonaten bis zu 80 % der Abflussmenge ableiten.