Foto: Monika Hamacher, Text: Anna Schöpfer

Das noch unberührte Längental im Winter 2016. Foto: Monika Hamacher

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Seit Mai 2020 hat Tirol eine neue Großbaustelle im Hochgebirge. Für die Erweiterung der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz wird im Längental bei Kühtai ein Speicherteich errichtet. Das Verfahren zur Umwelt­verträglichkeits­prüfung (UVP) des rund eine Milliarde schweren Bauprojekts hatte bereits im Dezember 2009 begonnen und letzte Revisionen gegen den Baubescheid wurden 2020 vom Verwaltungs­gerichtshof zurückgewiesen. Für einen raschen Bauverlauf ist eine große Anzahl von Großgeräten, Baggern, Raupen und Kränen in Einsatz. Ausgefräst wird das, was das Längental ausgezeichnet hat:  der seltene und aus naturschutz­fachlicher Sicht besonders wertvollen Biotopverbund, mit dem Braun­seggen-Niedermoor, den Quellfluren, Alpenrosen-Zwergstrauch­heiden und den locker angeordneten Zirben auf den Hanglagen, die das Tal geprägt haben. Zerstört findet man jetzt auch das Flussbett des Längentalbachs, der auf 2600 m Seehöhe zwischen Wechner- und Hochbrunn­achkogel entspringt und bisher durch das Hochgebirgstal mäanderte.

Hinter einem 113 m hohen Damm, der das Tal absperrt, wird ein komplexer Lebensraum, der sich über Jahrtausende unter extremen Umwelt­bedingungen geformt hat, unwiederbringlich verloren gehen.

Der geplante Speicher der Kraftwerks­gruppe Sellrain-Silz wird über ein Volumen von 31 Mio m3 verfügen. Um ihn zu befüllen, wird mithilfe eines 25,5 km langen Stollensystems Wasser aus sechs Gletscher­bächen der Stubaier Alpen eingeleitet.

Bei den betroffenen Fließgewässern handelt es sich um den Fernaubach, den Daunkogel­fernerbach und den Unterbergbach, die in die Ruetz ins Stubai entwässern, sowie um den Fischbach, den Schranbach und den Winnebach, allesamt Zubringer der Ötztaler Ache. Jeder dieser Gletscher­bäche war bisher noch weitestgehend naturnah. Gletscherbäche sind besonders dynamische Ökosysteme und die gewässertypische Fauna und Flora ist an die extremen Standort­bedingungen angepasst. Diese spezialisierten Arten reagieren besonders sensibel auf Eingriffe in das natürliche Abfluss­regime. Nun sollen Wasserfassungen errichtet werden, welche in den Sommermonaten bis zu 80 % der Abflussmenge ableiten.